Ontologisches Fleisch?!

Guten Tag,

Was bedeutet es, wenn einer für jemand anderen „Fleisch seines ontologischen Fleisches“ ist?

Danke im Voraus

Hallo k1337oriz,

Bein von meinem Sein…Spass beiseite (ist das in der Ontologie eigentlich möglich? Freue mich auf Rückantwort).

Wenn Y von X abstammt, hat er Fleisch von seinem Fleisch. D. h. die beiden sind gleich, aber nicht der Gleiche (weil andere Erbeigenschaften und weitere Eigenschaften) und nicht derselbe (weil ein anderes Exemplar). Die Pointe der Ontologie ist für gewöhnlich die Venus: Es handelt sich beim Abendstern und beim Morgenstern nicht um den gleichen Stern (weil nicht in gleicher Funktion), aber um den selben (weil das gleiche Exemplar). Demgegenüber kann ich zweimal die gleiche Winterjacke besitzen (ähnlich wie ein Ei dem andern und für das Gleiche zu gebrauchen), obwohl sie nicht dieselbe ist (anderes Exemplar). Normalerweise wird damit theologisch die Trinität zu umschreiben versucht: Wir haben dreimal den Gott, Der aus derselben Erhabenheit ist, insofern ist es dreimal Derselbe und somit Einer -wie bei der Venus.

Demgegenüber haben wir aber ebenso auch einmal den Gott, der in drei Wesen und in Beziehungen erscheint, da ist einmal der Schöpfergott mit den Ihn umgebenden Geistwesen (dem „himmlischen Hofstaat“ der Genesis oder des Buches Hiob), dann ist da der zu Jenem betende Sohn Gottes in Menschengestalt („Vater, es soll geschehen, wie Du willst, nicht wie Ich will“ - oder auch die berühmte Stelle „den Tag und die Stunde kennt nicht einmal der Sohn, sondern nur der Vater“), und schliesslich haben wir den Atem (Ruach), den Geist Gottes, auch bezeichnet als die göttliche Weisheit, die „Gott ist und bei Gott ist“ (Weisheitsbücher und diverse Stellen im NT). Er geht vom Vater aus und wird vom Sohn gesandt, bisweilen findet sich in der Westkirche auch die Ausdrucksweise „Er geht von Vater und Sohn aus“ - damit soll die Ebenbürtigkeit der drei Wesen betont werden, was der Westkirche sehr wichtig ist. Mit dieser Theorie von Gott soll insbesondere erklärt werden, dass Gott die Menschen nicht nötig hat, da Er Beziehung auch ohne Geschöpfe haben kann, in Sich selber. Auch der „Himmlische Hofstaat“ (hebräisch „Elohim“, Herren oder Götter) wird dahingehend interpretiert, dass da erst einmal drei selbe/gleiche Wesen seien, umschwebt von Engeln oder Geistwesen. Insofern ist Er dreimal ein anderer und doch der Gleiche (wie bei der Winterjacke).

Da auf Gott beides zutrifft, ist er der Theologie letztlich nicht näher zugänglich, kurz gesagt, es handelt sich gemäss kirchlicher Lehre um Drei und um Einen gleichzeitig. Ein wenig näher wird das bezüglich der Christologie (Theologie über den Messias) eingegrenzt: Dieser ist Gott und Mensch in einem, Er hat diese zwei Naturen „unvermischt“, aber auch „ungetrennt“ (Mysterium Fidei - hier würde die Philosophie aufhören und die reine Theologie anfangen). Man spricht daher von der „Gottheit Christi“ einerseits und der „Menschheit Christi“ andererseits, die nicht klar zu trennen seien. So wie Du Mensch bist, hast Du also „Menschheit“ an Dir. Somit haben wir eine Terminologie für unsere Ontologie: Die Wesenheit Gottes ist dreimal die Gleiche, die Person dreimal eine andere. Oder für die Ontologie des Fleisches: Mein vor lauter Trinität ausgerauftes Haar besteht aus meinen Zellen, ist also aus derselben Substanz, aber nicht mehr mit mir identisch, weil nicht derselbe; jeder DNA-Analytiker kann Dir aber bestätigen, dass der zugehörige Mensch der gleiche sei.

Gruss
Mike