Oper: im Orchestergraben

Hallo,

als Opernneuling habe ich erst kürzlich einen Mann im Orchestergraben entdeckt, der in einer kleinen Box steht, die Noten und einen Bildschirm mit dem Dirigenten vor sich hat und der manche Passagen mit kleinen Handbewegungen mitdirigiert.
Wer ist das? Meine Vermutung wäre Souffleur, aber warum dirigiert er mit (wird ja nicht besser gesehen als der Dirigent) und wie souffliert man überhaupt bei einer Oper? Die Begleitung läuft ja weiter, oder?

Viele Grüße
Tanja

Hallo, Tanja,

als Opernneuling habe ich erst kürzlich einen Mann im
Orchestergraben entdeckt, der in einer kleinen Box steht, die
Noten und einen Bildschirm mit dem Dirigenten vor sich hat und
der manche Passagen mit kleinen Handbewegungen mitdirigiert.
Wer ist das? Meine Vermutung wäre Souffleur, aber warum
dirigiert er mit

(wird ja nicht besser gesehen als der Dirigent)

da die Sänger auf der Bühne agieren und sich bewegen, haben sie nicht immer den Dirigenten im Blick; so kann es sein, dass - je nach ihrer Position auf der Bühne - der Souffleur ihnen den Einsatz gibt,

und wie souffliert man überhaupt bei einer Oper?

Das kannst Du z. B. hier nachlesen:

http://www.faz.net/s/Rub8D05117E1AC946F5BB438374CCC2…
http://diepresse.com/home/kultur/news/496145/index.do
http://www.morgenpost.de/incoming/article449765/Takt…

Gruß
Kreszenz

kleine Korrektur
Hallo,

es ist alles richtig, was du schreibst, bis auf diesen Passus:

> der Souffleur ihnen den Einsatz gibt,

Ganz sicher ist es NICHT der Souffleur, denn als Souffleur hat man in der Regel keine musikalische Ausbildung, schon gar nicht auf dem Niveau eines Dirigenten. Die Person, die das macht, ist garantiert Kapellmeister, also „Co-Dirigent“ sozusagen. Eine solche Aufgabe MUSS ein musikalisch Ausgebildeter übernehmen, also ein Berufsmusiker. In Einzelfällen kann das auch z. B. ein Berufs-Chorsänger sein, aber das ist nicht üblich.

Gruß

Bona

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Hallo,

es ist alles richtig, was du schreibst, bis auf diesen Passus:

> der Souffleur ihnen den Einsatz gibt,

Ganz sicher ist es NICHT der Souffleur, denn als Souffleur hat
man in der Regel keine musikalische Ausbildung, schon gar
nicht auf dem Niveau eines Dirigenten.

Das stimmt so nicht ganz, vor allem an italienischen Opernhäusern gibt es den „Maestro suggeritore“, der so eine Mittelstellung zwischen Dirigent und Souffleur einnimmt. Ich vermute, daß es sich im beschriebenen Fall um so jemanden handelt.
http://de.wikipedia.org/wiki/Maestro_suggeritore

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Hallo,

danke, sehr interessant, diese Bezeichnung kannte ich noch nicht. Meine Anmerkung bezog sich auf die gängige deutsche Praxis.

In dem Wikipedia-Artikel steht dieser Passus:

„Der Maestro suggeritore hat eine solide Ausbildung als Korrepetitor, profunde Werkkenntnis und beruhigende Ausstrahlung. Er ist Ko-Dirigent, Bühnenkapellmeister, Souffleur und nicht selten auch der psychologische Betreuer der Sänger in einem.“

Da steht alles, was ich gesagt habe: Kapellmeister, sogar Ko-Dirigent (wenn auch nicht in Anführungszeichen) etc., auch „Korrepetitor“, wofür eine herausragende musikalische Kenntnis unverzichtbar ist. Aber Recht hast du natürlich damit, dass ich diese (italienisch-typische) Position nicht kannte.

Gruß

Bona

Danke und Sternchen
Supper, vielen Dank für Eure Antworten - und noch so schnell! Da hat sich mal wieder ein Mysterium für mich gelöst.

Danke und viele Grüße
Tanja

Servus,

der so eine
Mittelstellung zwischen Dirigent und Souffleur einnimmt. Ich
vermute, daß es sich im beschriebenen Fall um so jemanden
handelt.

Und dieses „Mittelding“ (ich neige eher dazu, Co-Dirigent zu sagen) war immerhin zweimal im Falle Karajan von Bedeutung.

  1. siehe der verlinkte Artikel (inklusive letztendlicher Demission)

und 2. (zeitlich natürlich früher) bei der „Entnazifizierung“ Karajans. Als man ihn in Salzburg trotz Aufführungsverbots beschäftigen wollte, um eine „Kontinuität im Mozartstil“ zu gewährleisten, engagierte die Festspielleitung ihn kurzentschlossen als maestro suggeritore. Er war damit quasi offiziell beschäftigt (Einstudierung, war bei allen Vorstellungen dabei und leitete sie gleichsam aus dem Souffleurkasten), das Öffetlichkeitsverbot als Dirigent blieb aber erhalten - Karajan war ja nicht der Dirigent.

Eine wahrhaft österreichische Lösung!

Lieben Gruß aus Wien, jenny

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Servus, Bona:smile:

Aber Recht hast du natürlich damit, dass
ich diese (italienisch-typische) Position nicht kannte.

so „italienisch-typisch“ (sieht man von der Sprache ab…*lächel*)
empfinde ich den Ausdruck nicht - mit der Praxis des Originalsprachenrepertoires - wurde dieser Begriff allgemein bekannt - zunächst zwar nur in den Opernhäusern, aber spätestens seit dem „Karajan
Kampf“ wußte, zumindest in Österreich, was ja bekanntlich weltgewandt und bekannt ist, jedes Kind, was ein Maschesto sutscheriture ist, weil ja jeder Theaterdonner meist auch eine österreichische Weltkrise ist:smile:)

Und am Schluss spüima immer den Radetzky-Marsch!

Lieben Gruß, jenny

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Guten Morgen,

jedes Kind

ja, da habe ich in der Tat ein Defizit. Ich habe den laufenden Opernbetrieb nie verfolgt. Das meiste schien mir damals und scheint mir noch heute sehr aufgebläht, aber auch das mag an einem Mangel bei mir liegen. Karajan habe ich nie gemocht, nicht etwa aus politischen, sondern eher aus musikalischen Gründen. Beethoven etwa oder auch Wagner nimmt (nahm) er aus meiner Sicht grundsätzlich viel zu schnell und setzt damit Virtuosität (die ich seinem Dirigat ja nicht abspreche) gegen musikalische Empfindung. Über seine Mozart-Interpretationen kann man streiten, aber auch die halte ich nicht für maßstabsetzend, allenfalls im genannten negativen Sinn. Jetzt bin ich etwas vom Thema weg, aber das wollte ich immer schon mal gesagt haben. :smile:

Gruß

Bona

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Moin Bona,

Karajan habe ich nie gemocht,
nicht etwa aus politischen, sondern eher aus musikalischen
Gründen.

wie sprichst Du mir da aus der Seele!
Warum er diesen Kultstatus erlangte ist mir nie verständlich geworden.
Ähnlich wie Justus Frantz, den ich einmal (nicht live, sondern im TV) ein Brandenburgisches Konzert habe leiten hören (dirigieren mag ich nicht sagen).
In einem Schweinsgallop, als ob er für jede Sekunde Strafgeld zu zahlen hätte - grausig!

Gandalf

Hi, Bona!

Über seine Mozart-Interpretationen
kann man streiten, aber auch die halte ich nicht für
maßstabsetzend, allenfalls im genannten negativen Sinn. Jetzt
bin ich etwas vom Thema weg, aber das wollte ich immer schon
mal gesagt haben. :smile:

Und ich freu mich über einen, der meiner Meinung ist.
Typisch auch sein Beethoven: Oberflächenpolitur.
Gruß!
Hannes

Servus,

Über seine Mozart-Interpretationen
kann man streiten, aber auch die halte ich nicht für
maßstabsetzend,

*lach*

und ich bezog mich nur auf gewisse Praktiken unmittelbar nach Kriegsende.
Interpretationskritik fand in diesem Fall bei mir zwischen Gänsefüßchen statt.

Schönen Sonntag, jenny