Operngesang

Liebe/-r Experte/-in,
ich würde gerne wissen wie so ein Studium bei Euch abgelaufen ist, wo ihr studiert habt, was wichtig ist, mit wievielen Semestern man rechnen muss, was ist alles beim Studium zu beachten, wie die Zukunftschancen später sind, welche Voraussetzungen man haben sollte, wie ihr eure Stimme pflegt usw und was ihr für das Studium an Kosten hattet halt ohne private mit extra Kursen?

MFG
Helge

Eine Frage zum Schluss wieso Ihr Operngesang studiert, was Ihr vom Studium erwartet oder erwartet habt, wie ihr die Professoren eingestuft habt

Hallo, Helge, es ist sicher sehr gut und sinnvoll, sich vor dem Musikstudium über die Voraussetzungen, den Verlauf und die Erfahrungen Anderer zu informieren. Ich selber habe jedoch Kirchenmusik und Klavierpädagogik, und keinen Gesang studiert. Gesang war nur Nebenfach im Kontext der Chorleiterausbildung. insofern gibt es gewiss berufenere Musiker, die Dir da helfen können.grundsätzlich aber fasse ich mal einige Punkte zusammen: 1. alle Musikstudiengänge sind leider inflationär; was vor 30 Jahren zum Examen dargeboten wurde, geht heute noch bei der Aufnahmeprüfung durch.
2. sollte man Aufnahmeprüfungen auch im Hinblick auf das Fach „Gehörbildung“, allgemeine Musiklehre und Harmonielehre nicht unterschätzen. Gute Musiker fliegen mitunter wegen einem „mangelhaft“ in einem dieser Disziplinen durch. 3. sollten für ein Musikstudium die Fertigkeiten am Klavier so gut wie eben möglich sein. 4. solltest Du die Bedingungen zur Aufnahme von verschiedenen Hochschulen anfordern und vergleichen; auch da gibt es Unterschiede. 5. nicht im Alleingang vorgehen: immer und alles zusammen mit dem/ der privaten Gesangslehrer/in.
Auch wenn ich jetzt vielleicht Eulen nach Athen getragen habe, nur schon einmal diese Antworten.Leider kenne ich eine Reihe von guten Sängern, die sich mit Gelegenheitsarrangements und Klavierunterricht mehr schlecht als recht durchschlagen. Für eine vernünftige Anstellung an einem Opernhaus braucht man neben Begabung auch etwa so viel Glück, wie bei einem Sechser im Lotto.
Und noch eines aus der Erfahrung des Studiums: Konkurrenz belebt das Geschäft!..
Wünsche viel Erfolg!Stephan

Hallo Helge!

Ja, das sind sehr umfassende Fragen, die ich natürlich nur aus meiner Studienzeit zwischen 1993 und 1999 beantworten kann:
Ich fange mit dem Aufnahmeprozedere an. Hier gabs im Jahr 1993 210 Bewerbungen, von denen an mehreren Tagen jeweils 10-15 Kandidaten nach Vorsingen eines bis zweier Musikstücke in eine 2.Runde kamen und am nächsten Tag ein weiteres Vorsingen absolvierten, bei dem auch ein kurzer Text gesprochen und eine kleine Szene improvisiert werden mußte. Die Klavier- und Musiktheorieprüfung fand am selben Vormittag statt. Am Ende sind 18 Studenten immatrikuliert worden. Die Nachricht erhielt ich ca.3 Wochen nach der Prüfung. Allerdings habe ich insgesamt 5 Bewerbungen/Vorsingen absolviert; eine wars dann.
Dann gabs Studenten, die vor der Aufnahmeprüfung eine Probestunde oder sogar mehrere Gesangsstunden bei verschiedenen Professoren dieser Uni genommen haben, um eine Auswahl des Wunsch-Lehrers zu treffen. (Das habe ich aber nicht gemacht).
Die Regelstudienzeit war bei Solo-Operngesang 12 Semester, bei Opernchor 10 und beim kurzfristigen „Opernchorprojekt“ -Studiengang 8.
Nach 4 Semestern gibts die Zwischenprüfung, bei der Neueinstufungen die Regel sind, die den bisher gezeigten Fortschritten eine Zukunftsbeurteilung erteilen sollen.
Nach erfolgreichem Beenden der Studien mit einer bestimmten Note ist auch ein Konzertexamen möglich, das noch ein bis zwei weitere Semester mit „Gratis“ Gesangsunterricht ermöglicht.
In meinem Jahrgang haben 4 Kollegen einen festen Job als Sänger.

Die Studiengebühren damals hießen noch „Semesterbeitrag“ und lagen inclusive eines Semestertickets für den öffentlichen Nahverkehr ca. bei DM 150,- (konnte auch ohne Ticket gebucht werden)
Privatstunden zur Vorbereitung auf ein Gesangsstudium kosten von ca. € 28,- pro Stunde bei den städtischen Musikschulen bis zu astronomischen Summen bei Gesangsprofs und Opernsängern.
(Ich habe 1992 bis 1993 für 30 min. DM 40,- gelöhnt…(*ächz*). Also war an ein anderes Studium in dieser Zeit nicht zu denken - Medizin habe ich darauf endgültig abgebrochen). Es gibt natürlich auch Ausnahmen, die sich trotz Operntätigkeit und guten gesangspädagogischen Kenntnissen an dem pekuniären Musikschulniveau orientieren.
Empfehlung von mir: ans nächste Stadtheater, Opernhaus, Staatsoper oder ähnliches gehen und nach Extrachor, Beleuchtungs- Bewegungs-. oder allgemeiner Statisterie erkundigen und bewerben. Manchmal gibts auch Jobs im Einlaß oder bei den (Beleuchtungs-) Verfolgern. Auch Praktikanten sind in den meisten Abteilungen eines Theaters gerne gesehen, gibt halt nix dafür, außer Einblick, Erfahrung und im Idealfall Ansteckung mit Theaterfieber :smile: Jedenfalls laufen da viele Sänger rum, von denen viele auch unterrichten. Einfach in der Kantine ansprechen!

Die Aussichten sind ähnlich wie im Profi-Fußball: wenn Du gut bist, kannst Du davon leben. Punkt. Es gibt auch Sänger, die sich von Projekt zu Projekt hangeln müssen, die unterrichten, wie die Weltmeister oder die Taxifahren, um das tägliche Brot und die Miete zu bezahlen.
Nur wenn Du die richtigen Leute kennst, hervorragend singst, meisterhaft und mitreißend schauspielern kannst und eine Menge Glück hast, kannst Du auch ein reiches Leben führen. Der Kreis der letzten Gruppe umfaßt aber in Deutschland, wo es den größten Theater-Job-Markt gibt, lediglich 100 bis 150 Leute. Eben wie im Fußball.

Die normal-sterblichen Sänger, wenn sie einen Job an einem der 110 deutschsprachigen Bühnen haben, verdienen von (Mindestgehalt) € 1700,- brutto (also ca. € 900,- netto) bis (aus meinem Bekanntenkreis) € 3200,- (ca. € 2100,- netto). Die Gagen sind frei verhandelbar, was immer das auch heißt, weil das Theater sowieso immer vorgibt, was es gibt.

Das sind so einige Fakten, die mir begegnet sind. Aber was natürlich die andere Seite des Berufes angeht, da reicht die Zeit nicht: hier ist die Seite der Begeisterung, der spannenden Arbeit mit vielen interessanten Kollegen aus allen Ländern dieser Erde, immer neuen Rollen, die immer neue sängerische und darstellerische Fähigkeiten abrufen und so dermaßen Laune machen können; einfach unbeschreiblich! Und dann… wenns auch dem Publikum gefallen hat: der Applaus! Genial!

Das gilt es nun für Dich zu entdecken. Toi Toi Toi!
Thilo

http://www.theater-hof.de