Pädagogen... unpädagogisch?

PS: Was vom guten Jesper Juul.
Interessant finde ich in diesem Zusammenhang Jesper Juuls Aussage, dass ein großer Feind der Pädagogik in der Definitionsmacht der Erwachsenen liegt.

Und in diesem Fall ist das so:
Egal wie es wirklich war (wenn es überhaupt eine Wirklichkeit gibt und wenn ja, würden wir diese hier nicht rauskriegen), die Schule (Lehrer, Schulleitung) definiert, was die Absicht der Schüler war. So interpretiere ich das zumindest und so erlebe ich das täglich in der Schule. Daher kann ich oft den großen Frust von Seiten der Schüler und der Lehrer verstehen.

Das soll jetzt aber nicht heißen, dass DIE Lehrer doof sind. SIe wissenes meist nicht besser und haben oft (unbegründete) Angst, die Kontrolle zu verlieren.

Grüße
Stefan

Hallo,

Nur: Verordnete Selbstreflexion funktioniert nicht!

Warum sollte das nicht funktionieren?
Natürlich gibt es eine verstockte Verweigerungshaltung, diese wirkt aber vor allem nach außen. Wenn wir mal keine pathologische Störung annehmen, dann setzt das in Frage Stellen von eigenem Handeln immer einen Reflexionsprozess in Gang.

Und pädagogisch ist das allemal nicht.

Und wieso dass nun?
Hier wird Fehlverhalten sanktioniert. Das ist prinzipiell pädagogisch. Mag sein, dass es bessere Reaktionen gäbe. Das könnte man diskutieren.
So ist deine Aussage aber erst mal nichts als eine Behauptung.

Gruß
Werner

Hallo Werner,

danke für dein kritisches Nachfragen.

Natürlich hast du Recht, dass kritisches Nachfragen einen Reflexionsprozess in Gang setzt und du hast auch Recht, wenn man das ohne Zustimmung einfordert.

ABER: Dazu benötigt es ein kritisch fragendes Gegenüber. Und nicht ein Fragebogen oder ein Blatt Papier mit einer Frage drauf. Wichtig ist dabei, dass das Gegenüber auch wertschätzend zuhört, spiegelt, ernst nimmt und nicht stur die Definitionsmacht für sich beansprucht.

Oder glaubst du, dass ein Schüler, der Quatsch gemacht hat und dazu verdonnert wird, in einem stillen Kämmerlein sich darüber Gedanken zu machen, danach geläutert rausgeht und sagt:
„Mensch, die Lehrer haben Recht gehabt, ich war doch zu doof.“
So funktioniert das nicht.
So eine Sanktion wird von den Schülern als Nachsitzen, also als Strafe erlebt (vielleicht gibt es tatsächlich ein verschwindend geringen Prozentsatz von Schülern, bei denen das tatsächlich anders ist)

Als pädagogisch äußerst fragwürdig finde ich nicht, dass man für ein bestimmtes Verhalten eine Strafe bekommt. Ich finde es fragwürdig eine Strafe unter dem Deckmantel der Selbstreflexion zu stellen. Das ist unehrlich und daher pädagogisch verwerflich.

Grüße
Stefan

Hallo,

ich habe an der Uni mind. ebensoviele gute, nicht pädagogisch gebildete „Lehrende“ erlebt, wie an der Schule, eher mehr, da die Begeisterung der Profs für ihr Fach sich übertrug (wenn vorhanden - es gab auch Negativextreme).
Einer konnte locker eine 2-Stündige Vorlesung aus dem Stehgreif und ohne Unterlagen halten, so spannend, dass alle andächtig zuhörten und vergaßen, mitzuschreiben.
Men Fazit: Lehren kann man nicht unbedingt lernen. Sinnigen Umgang mit Kindern oder Menschen überhaupt auch nicht. Ein Pädagogikstudium kann die Details verbessern, aber die Prinzipien des Umgangs mit anderen lernt man nicht an der Uni.

In Deinem Fall geht es wohl eher darum, dass Pädagogen nicht auf den Zustand „Pubertät“ vorbereitet sind. Das ist traurig.
Zumal man annehmen kann, dass die Pädagogen diesen Zustand aus eigener Erfahrung kennen sollten.
Demenz??
Oder Schule mit besonders humorlosem Anspruch?

Vielleicht wäre dem Jugendlichen mit einem Schulwechsel geholfen - nicht, um der Schule einen Gefallen zu tun, sondern dem Kind.

Gruß, Paran

Hallo Stefan,

ABER: Dazu benötigt es ein kritisch fragendes Gegenüber. Und
nicht ein Fragebogen oder ein Blatt Papier mit einer Frage
drauf. Wichtig ist dabei, dass das Gegenüber auch
wertschätzend zuhört, spiegelt, ernst nimmt

Das wäre natürlich am Besten, aber es ist nicht notwendig. In einer Welt beschränkter Ressourcen muss auch immer mal das Praktische dem Idealen vorgezogen werden.

und nicht stur die
Definitionsmacht für sich beansprucht.

Ich weiss ja nicht was in diesem Fall tatsächlich vorgefallen ist, aber wenn ein Schüler während eines Gespräches im Direktorenzimmer, vor dem Fenster Faxen macht und das Gespräch damit stört, dann würde ich erst mal die Difinitionsmacht beanspruchen, diese Verhalten als schädlich und strafwürdig einzustufen. Wenn der Schüler darauf angesprochen sich verstockt und unernst zeigt sähe ich erst recht keinen Anlass von dieser Definition abzuzweichen. Vielleicht würde ich versuchen die Hintergründe zu erhellen, aber vielleicht hab ich auch was besseres zu tun und begnüge mich damit unerwünschtes Verhalten einfach nur abzustellen.

Oder glaubst du, dass ein Schüler, der Quatsch gemacht hat und
dazu verdonnert wird, in einem stillen Kämmerlein sich darüber
Gedanken zu machen, danach geläutert rausgeht und sagt:
„Mensch, die Lehrer haben Recht gehabt, ich war doch zu doof.“
So funktioniert das nicht.

Nein muss es auch nicht. Gerade in so einem Fall reicht es m. E. dass der Schüler mit der Erkenntnis davonzieht, dass er es sich das nächst mal besser überlegt, wo und wann Faxen wohl angemessen sind und wo nicht.

So eine Sanktion wird von den Schülern als Nachsitzen, also
als Strafe erlebt (vielleicht gibt es tatsächlich ein
verschwindend geringen Prozentsatz von Schülern, bei denen das
tatsächlich anders ist)

Und warum sollten sie für ihr unangemessenes Verhalten keine Strafe erhalten?

Als pädagogisch äußerst fragwürdig finde ich nicht, dass man
für ein bestimmtes Verhalten eine Strafe bekommt. Ich finde es
fragwürdig eine Strafe unter dem Deckmantel der
Selbstreflexion zu stellen. Das ist unehrlich und daher
pädagogisch verwerflich.

Ich sehe hier beide Effekte wirksam.

An unserer Schule wird - wie ich höre, denn ich benutzte ihn bislang nicht - ein Reflexionsraum mit gutem Erfolg genutzt.
In diesen werden provozierende/störende Schüler geschickt mit dem Auftrag ihr Fehlverhalten schriftlich zu beschreiben und Möglichkeiten aufzuzeigen, wie in Zukunft ähnliche Vorfälle vermieden werden können. Erst wenn der entsendende Lehrer die Ausarbeitung akzeptiert, kann der Schüler/die Schülerin wieder in den regulären Unterricht zurückkehren. Dabei müssen zwar keine Extrastunden geleistet werden, aber der öffentliche Rausschmiss und das weitere Prozedere sind sicher nicht angenehm für die Betroffenen.
Ich komme bislang anders zurecht, aber ich kann daran auch nichts unpädagogisch oder verwerflich finden.

Gruß
Werner

Hallo,

es immer die Frage, was man will.

Ich für mein Teil will, dass Schüler in der Schule nicht nur Rechnen, Schreiben, Lesen und co. lernen, sondern eben auch prosoziales Verhalten.

Die Frage ist, wie sie das schaffen.

Von der Lernpsychologie wissen wir (Schule scheint das leider nicht zu wissen), dass man dann am besten lernt, wenn das Gelernte mit positiven Erlebnissen verbunden ist, wenn man sich als selbstwirksam erlebt und wenn man das Gefühl hat, dass es was nutzt.

Wenn ein Kind laufen lernt und es fällt hin, dann sagt kein (vernünftiger) Erwachsener: „So, jetzt bekommst du Ärger, weil du hingefallen bist!“

In der Pubertät ist eine Entwicklungsaufgabe (also was es noch zu lernen gilt), das soziale Handeln. Wenn dies erlernt wird gehört auch das Hinfallen dazu. Sich also daneben zu benehmen.
Ok, man könnte jetzt meine Aussage als Ausruf einer laizzesfaire interpretieren, doch so will ich nicht verstanden werden!

Ich will so verstanden werden, dass man, wenn man mit dem Verhalten eines Schülers nicht einverstanden ist, in einen kritischen Dialog geht. Mehr nicht, aber auch nicht weniger.

Im übrigen halte ich den Trainingsraum (dieses Konstrukt, dass du beschreibst, wo Schüler hingeschickt werden sollen, wenn sie stören) aus pädagogische Sicht für kein geeignetes Mittel (aber das ist eine andere Diskussion).

Grüße
Stefan

Noch was gefunden
Hallo,
das ist zwar nicht hunderpro passend zum Thema, aber dennoch interessant:

Und zwar ab Seite 7:

http://www.jako-o.de/medias/sys_master/h94/h6a/88291…

Dann kann ich noch dieses kurze Buch empfehlen:
ISBN: 978-3849700126 Buch anschauen

Grüße
Stefan