Pantheismus

Hallo!

Fausts Antwort auf die Gretchenfrage (unten angehängt) wurde mir in der Schule als Pantheismus verkauft. Ist das religionswissenschaftlich haltbar?

Was mich noch viel mehr interessiert: Bereits im Prolog werden ein personifizierter Gott, „drey Erzengel“ und ein Abbild des Teufels dargestellt. Bevor Faust den unten zitierten Text spricht, versichert er Gretchen, die Sakramente zu ehren. Am Ende der Tragödie erster Teil verkündet eine „Stimme von oben“ Gretchens Rettung. Sind all diese Dinge mit Pantheismus vereinbar? Wenn nicht, und wenn Faust sich wirklich als Pantheist versteht, könnte man ja sagen, dass aber Goethe kein Pantheist ist, weshalb Prolog und Ende des Stücks dem Pantheismus Fausts nicht widersprechen. Aber auch Faust erklärt ja, die Sakramente zu ehren.

Und zu guter Letzt: Schopenhauer sieht im Pantheismus einen Euphemismus für Atheismus. Nach Wikipedia zitierte ich: „Ein unpersönlicher Gott ist gar kein Gott, sondern bloß ein missbrauchtes Wort.“ Ich teile diese Auffassung. Aber gibt es vielleicht etwas, das dagegen spricht?

Benvolio

Mißhör’ mich nicht, du holdes Angesicht!
Wer darf ihn nennen?
Und wer bekennen:
Ich glaub’ ihn.

Wer empfinden?
Und sich unterwinden
Zu sagen: Ich glaub’ ihn nicht.
Der Allumfasser,
Der Allerhalter,

Faßt und erhält er nicht
Dich, mich, sich selbst?
Wölbt sich der Himmel nicht dadroben?
Liegt die Erde nicht hierunten fest?
Und steigen freundlich blickend

Ewige Sterne nicht herauf?
Schau’ ich nicht Aug’ in Auge dir,
Und drängt nicht alles
Nach Haupt und Herzen dir,
Und webt in ewigem Geheimniß

Unsichtbar sichtbar neben dir?
Erfüll’ davon dein Herz, so groß es ist,

Und wenn du ganz in dem Gefühle selig bist,
Nenn’ es dann wie du willst,
Nenn’s Glück! Herz! Liebe! Gott!

Ich habe keinen Nahmen
Dafür! Gefühl ist alles;
Name ist Schall und Rauch,
Umnebelnd Himmelsgluth.

Man differenziere zwischen der Person des Faust und dem Stück als Ganzem.

Weder der Teufel, noch die Stimme, noch die Erzengel sind mit dem Pantheismus vereinbar.

Das ändert jedoch nichts daran, dass die Person des Faust durchaus Pantheist sein kann. Seine Worte kann man schon so interpretieren. Inbesondere, das er ganz klar einen persönlichen Gott ablehnt:

Und sich unterwinden
Zu sagen: Ich glaub’ ihn nicht.
Der Allumfasser,
Der Allerhalter,

Er glaubt also nicht an den Christlichen Gott und nicht daran das so ein Gott alles erschaffen hat. Aber wohl daran, dass die Welt in der er lebt irgendwie göttlich ist:

Und wenn du ganz in dem Gefühle selig bist,
Nenn’ es dann wie du willst,
Nenn’s Glück! Herz! Liebe! Gott!

In kurz: Ein Pantheist.

Meines Erachtens, eine der wenigen noch halbwegs akzeptable Religionen.

Man differenziere zwischen der Person des Faust und dem Stück
als Ganzem.

Gewiss, das habe ich ja bereits im Ausgangsposting getan, wenn auch anders formuliert, nämlich als Differenzierung zwischen Goethe und Faust. Richtig ist natürlich, zwischen dem Werk und Faust zu differenzieren, denn selbst wenn Goethe Atheist gewesen wäre, hätte er ja ein Stück über einen christlichen Gott schreiben können und über einen Mann, der an diesen Gott nicht glaubt.

Das ändert jedoch nichts daran, dass die Person des Faust
durchaus Pantheist sein kann. Seine Worte kann man schon so
interpretieren.

Doch warum ehrt er dann Sakramente?

Meines Erachtens, eine der wenigen noch halbwegs akzeptable
Religionen.

Da eine Religion ja offenbar auch atheistisch sein kann, will ich das nicht bestreiten, aber wäre Pantheismus denn eine nicht-atheistische Religion?

Da eine Religion ja offenbar auch atheistisch sein kann

Das ist eine interessante Frage, sprachlich gesehen.

Grüße,
Frhr. v. Doppelripp

Naja. Der Begriff Religion ist leider nicht klar definiert. Die meisten Religionen beziehen sich allerdings auf einen übernatürlichen Aspekt (Seien es Götter, göttliches Wirken, Wiedergeburt, Geister, etc. etc.)

Atheisten lehnen im Normalfall alles Übernatürliche und physisch nicht Begreifbare ab (ehe hier jetzt jemand Liebe oder Ethik etc. in den Raum schmeisst, auch diese erleben wir aktiv in der physischen Welt).

Aufgrund der fehlenden Definition ist eine atheistische Religion aber nicht ausgeschlossen. Unterm Strich gesagt, kann ich alles anbeten und es meine Religion nennen. Das ganze Wort ist nur ein Allgemeinplatz.

Das erklärt nichts

Das ganze Wort ist nur ein Allgemeinplatz.

Und Gott ebenso, denn das ist alles. was das Unbegreifliche erklären soll, aber dasselbe geschieht auch umgekehrt, wenn die Wissenschaft das Wort „Mechanismus“ benützt, denn da soll auch alles Unbewusste damit erklärt werden. Zum Beispiel „der Mechanismus des Marktes“. Das erklärt überhaupt nichts, genauso wie der Begriff „Gott“ nichts erklärt, für das Unbewusste.

Gruß
CJW