Was ist das denn bloß für ein Verein? Vielleicht sollte ich ihn kennen, aber da ich selbst keine Kinder habe, habe ich bisher mit Sorgerechtsstreitigkeiten keine Erfahrungen. In meiner Umgebung habe ich den Eindruck, daß die Paare mit Kindern an und für sich zusammenbleiben. Bei den wenigen Scheidungsfällen mit Kindern, die ich kenne, haben die Beteiligten das gemeinsame Sorgerecht hingekriegt. 2 alleinerziehende Freundinnen wurden von ihrem Partner schon während der Schwangerschaft verlassen, haben sich jahrelang bemüht, ihn für seine Kinder zu interessieren und inzwischen resigniert. (Beide haben inzwischen neue Partner, die die „Stiefkinder“ als wie ihre eigenen ansehen.)
Das nur als Vorspann. Ohne einige Links weiter unten wäre ich auf diesen Verein wohl nicht aufmerksam geworden. Ich habe nun etwas in deren Homepage herumgelesen und muß Folgendes feststellen:
* (1) Vereinbarkeit von Kindern und Karriere scheint bei Pappa.com unerwünscht zu sein. Anstatt sich dafür einzusetzen, daß keine® der beiden Partner vom anderen abhängig wird, wird die Vereinbarkeit als reines Frauenproblem deklariert.
* (2) Was es im Einzelfall bedeutet, auf die Karriere zu verzichten, wird systematisch negiert. Über Männer, die für ein Kind ihre Karriere vernachlässigen, finde ich nichts und bei Frauen wird lapidar festgestellt, es sei „ihre eigene Entscheidung“ gewesen. (Natürlich, ohne sich über Alternativen Gedanken zu machen).
* (3) Finanzielle Verbindlichkeiten - und seien sie auch im Interesse der Kinder - tauchen in den Publikationen hauptsächlich als Zumutung auf. Das Geld, das ein Vater und Ehemann verdient, wird hauptsächlich als „sein Geld“ erwähnt, das von Frauen (unter Funktionalisierung der Kinder) an sich gerissen wird, wenn mann sich dem nicht durch Tricks entzieht. (Das würde ich zur Not noch verstehen, wenn gleichzeitig die Vollzeitberufstätigkeit beider Partner als Ideal vertreten würde, aber nicht in Verbindung mit Punkt (1) und (2).)
* (4) Daß auch Frauen die Scheidung einreichen können, wird in den Publikationen als Zumutung für die betroffenen Männer angesehen, die dann Alimente zahlen müssen. Eine Parallele zwischen Frauen, die auf ihre Karriere verzichtet haben und Männern, die auf einen Teil (3/7) ihres Gehaltes verzichtet haben, wird nicht gesehen. Eine Parallele zwischen Frauen, die Scheidungen einreichen können und Männern, die Scheidungen einreichen können, wird ebenfalls nicht gesehen.
* An sexueller Gewalt und niedriger Lebenserwartung von Männern sind die Männer selbst bei pappa.com grundsätzlich unschuldig.
* Geschlechtsunabhängige Modelle (z.B.: wer in der Ehe seinen/ihren Beruf aufgegeben hat, um die Kinder zu versorgen, bekommt hinterher in evt. Sorgerechtsstreitigkeiten Pluspunkte, während der/die andere 4/7 anstatt 3/7 seines/ihren Gehaltes für sich behält) werden an keiner Stelle gleichberechtigt diskutiert.
* Ganztägige Kinderbetreuung, die die Situation von Anfang an entspannen könnte, wird nicht gefordert.
Mich erinnert Pappa.com an meine schlimmsten Vorstellungen von patriachalen, z. B. islamischen Gesellschaften (wobei ich hier vermutlich sogar dem Islam Unrecht tue, der sich an vielen Stellen um die Situation der Frau Gedanken macht und zumindest in einer Zeit entstand, in der es wenige Alternativen gab). Bei Pappa.com scheint es selbstverständlich, daß die Frau in der Ehe ihren Beruf aufgibt, auf ihre Karriere verzichtet, den Haushalt, die Kinder und den Alltag managt und nach der Ehe auf Unterhalt verzichtet und das Sorgerecht mit dem Mann „teilt“. Wobei „teilen“ meistens so diskutiert wird, daß der Vater das Wochende und die Feiertage mit den Kindern beansprucht, (an denen er Zeit hat) und die Frau sehen kann, wie sie ohne Alimente die Wochentage mit den Kindern managt.
Wohlgemerkt, ich finde das gemeinsame Sorgerecht das Richtige und denke auch, daß Kinder im Idealfall beide Eltern brauchen. Ich kann mir auch vorstellen, daß einige Väter sich zu Recht übergangen fühlen (denke allerdings, daß dieses Thema eher in ein Männer- oder Sorgerechtsbrett gehört). Ich denke aber nicht, daß Vereine wie Pappa.com, die nur ihre eigenen Benachteiligungen sehen, nicht aber ihre Verpflichtungen, dem einen Dienst erweisen.
Viele Grüße an alle und in der Hoffnung auf fruchtbare Diskussionen, Stefanie
P.S. Da mein Partner und ich beide beruflich sehr gut dastehen und gerne Kinder hätten (keiner von uns hat allerdings Lust, zuhause zu bleiben): Angenommen, wir wollten heiraten, Kinder bekommen und uns für den Trennungsfall (ohne zu wissen, ob er überhaupt eintreten wird und wer ihn einreicht) möglichst gerecht absichern: Wie sollte Eurer Meinung nach ein solcher Vertrag aussehen? Und was würden Vereine wie Pappa.com uns raten?
Viele Grüße, Stefanie