Unser 15-j. Sohn verbringt seit 3 Jahren fast seine ganze Freizeit im Bett. Meist am PC, nimmt man ihm den weg, nimmt er das Handy, nimmt man das weg, nimmt er seine Kamera und versucht da zu spielen- die haben wir ihm gekauft, damit er mal was anderes macht als zocken, haha. Wir haben die Regel dass er den PC weggenommen bekommt wenn er nicht wenigstens 2x wöchentlich nach draußen geht- einmal zum Schwimmverein, einmal zur Jungen Gemeinde. Wir müssen jede Woche deswegen diskutieren. Er sucht jedes mal nach Ausreden um nicht hin zu gehen. Er kommt jedes mal strahlend wieder und ist super gut drauf. Aber er geht auch sofort wieder an seinen PC und spielt bis in die Nacht. Inzwischen klagt er über Schlafstörungen und ständige Müdigkeit- ist ja klar. Die Psychologin sagte uns vor einem Jahr, dass das alles normal ist und von allein vergeht. Die Hausärztin hat Eisenmangel im Blut festgestellt. Wir haben die Tabletten vor einem halben Jahr gekauft und er versprach sie zu nehmen. Vor ein paar Wochen hab ich sie hinterm Schrank gefunden. Er hatte nicht eine genommen. Verarscht der uns? Ergötzt er sich daran, dass wir uns Sorgen machen? Sollen wir ihn einfach machen lassen, bis er sich selber so ätzend findet, dass er von allein raus geht? Bei Erwachsenen Suchtkranken sagt man ja, nicht immer wieder aus dem Tief helfen, sonst verlassen sie sich auf die Hilfe und werden nie selbständig aktiv. Aber wie ist das bei Jugendlichen? Hat jemand da Erfahrung?
Die einzig korrekte Antwort: besorgt euch professionelle Hilfe. Derart ernste Probleme kann man nicht im Internet lösen.
Auch 15-Jährige brauchen Führung und Erziehung. Diese funktioniert allerdings zunehmend weniger über Druck, da mit steigendem Alter auch die Möglichkeiten wachsen, sich dem Druck zu entziehen.
Genau das ist Erziehung. Da müsst ihr als Eltern einfach durch. Das ist mühsam, nervig und treibt einen manchmal zur Verzweiflung, aber es ist wichtig, dranzubleiben. Darauf hoffen, dass er es irgendwann freiwillig und gerne macht, könnt ihr - es ist aber wahrscheinlich, dass das noch ein Weilchen so weitergeht.
Das würde ich nicht erlauben. Setzt euch zusammen und macht ihm klar, dass ihr nicht gewillt seid, das weiterhin zu tolerieren. Dann gebt ihm die Möglichkeit, selbst Lösungen anzubieten, aber überlegt euch vorher genau, wo euere Position ist und zu wieviel Nachgeben ihr maximal bereit seid. Einsicht ist nicht zu erwarten, die kommt - wenn überhaupt - erst in einigen Jahren.
Für einen 15-Jährigen sind 4 Stunden am Tag am PC genug. Nach 21.00 Uhr ist der PC aus. Punkt.
Damit ist ein Jugendlicher schlicht überfordert, wenn die Dinger nicht lebensnotwendig sind. Deshalb: Morgens beim Frühstück daneben stehen und die Einnahme überwachen.
Viele Eltern kapitulieren in diesem Alter, weil es wirklich eine Menge Energie kostet, Tag für Tag aufs Neue die selben Diskussionen zu führen. Mir hat geholfen, mir klar zu machen, dass meine Kinder die selbe Energie aufwenden und dass ich dieses Spiel nicht an sie abgeben werde.
Jule
Hast du den Text zu Ende gelesen? Wir hatten professionelle Hilfe. Nach Therapieabschluss sagte uns die Psychologin, er hätte gute Fortschritte gemacht und wir sollten jetzt einfach Geduld haben und ihm Zeit geben.
Und mal ehrlich: Glaubst du allen Ernstes uns wäre in den letzten 3 Jahren nichts eingefallen zur Lösung des Problems?
Wir sind eine sehr unternehmungslustige Familie, wir sind jedes Wochenende wandern, Rad fahren oder feiern mit Freunden. Das macht er ja auch meist mit. Aber er macht es eben nur unter Druck. Und er macht nichts selbständig oder mit Gleichaltrigen.
Danke Jule- ich fühle mich ernst genommen!!!
Es ist auch nicht leicht alles Wesentliche in einen kurzen Text zu bringen.
Er ist unheimlich erfinderisch wenn es darum geht, Verbote zu umgehen. Über so Sachen wie Norton Family oder Internetsperre nach 21.00 Uhr hat er nur gelacht. Diese Systeme hatte er ruckzuck außer Gefecht gesetzt.
Jedes weitere Sicherungssystem würde vermutlich nur seinen sportlichen Ehrgeiz anfachen. Ich nehme seinen Laptop mit auf Arbeit wenn er Technik- Verbot hat. Und weiß, dass er dann den Nachmittag damit verbringt, dass er versucht unser Passwort am Eltern- PC zu knacken.
Auch mit den Tabletten ist das so eine Sache. Ich wollte sie in der Küche lagern. Damit wir gemeinsam daran denken können. Er hat ewig diskutiert und gemeint, er bekäme das selber hin und wir sollten ihm doch endlich mal was zutrauen… und nimmt dann nicht eine einzige. Ich könnte noch etliche Beispiele aufzählen.
Ich versteh ihn einfach nicht. Sein Verhalten hat so etwas Selbstzerstörerisches.
Mit unseren bisherigen Erziehungsmethoden hab ich das Gefühl auf der Stelle zu treten. Und jetzt bin ich mir halt unsicher: Soll ich so weiter machen wie bisher oder ganz neue Wege gehen.
Oder anders gefragt: Mehr Druck oder weniger Druck?
Weniger Druck, aber Einfordern von Kooperation und Einhalten von Vereinbarungen.
Meine Idee: Setzt euch zusammen, wenn ihr gerade eine entspannte Situation habt. Versucht ein Gespräch ohne Schuldzuweisungen und ohne Aufrechnen von Dingen, die bisher nicht funktioniert haben. Und um in der Sprache eures Juniors zu reden: Drückt die Reset-Taste.
Bittet ihn drum, sich auf ein Spiel einzulassen: Ihr diskutiert mit vertauschten Rollen über das Thema „Chillen und PC“. Heißt: Ihr übernehmt den Part, dafür zu argumentieren, maximales Chillen ausleben zu können, er übernimmt den euren, dagegen zu halten. Die Aufgabe ist für beide Seiten, möglichst überzeugend in der Argumentation zu sein.
Das kann manchmal überraschende Einsichten darüber liefern, was beim anderen bisher so alles angekommen ist ;). Übernehmt dabei unbedingt auch Strategien wie wütend werden, aus dem Zimmer laufen oder was auch immer sonst die Auseinandersetzungen zu diesem Thema geprägt hat.
Macht das so lange, bis keinem mehr etwas einfällt. Und dann schaut euch gemeinsam an, wie weit ihr mit der jeweiligen Haltung gekommen seid und wie es sich angefühlt hat, in der anderen Rolle zu sein.
Jetzt ist der Zeitpunkt, an dem ihr noch mal eure Sorge äußern könnt: Darüber, dass er in seinem Zimmer versumpft, aber auch darüber, dass ihr den Kontakt zu ihm nicht verlieren möchtet. Sagt ihm, dass ihr ihm gerne etwas zutrauen möchtet, aber die Sicherheit braucht, dass er Vereinbarungen einhält.
Lasst ihm einen Vorschlag machen, wie er sich eueren gemeinsamen Umgang mit der Chill-Problematik und den Tabletten vorstellt. Wenn er nicht kooperativ ist, meldet ihm zurück, dass er ernst genommen werden möchte, aber anscheinend nicht in der Lage ist, aus seinem kindlichen Verhalten auszusteigen. Dann fragt wieder nach, wie euer Umgang dann funktionieren soll.
Bleibt ruhig, bleibt empathisch und wenn ihr merkt, dass ihr in alte Muster rutscht, macht das sofort zum Thema und ruft euch selbst zur Ordnung: „Stop, wir wollen doch einen neuen Weg finden.“
Wenn ihr eine Regelung gefunden habt (die ganz sicher auch ein Zugeständnis von Elternseite beinhalten muss!), vereinbart einen Zeitraum, in dem diese ausprobiert wird. Für den Anfang sind bei einem 15-Jährigen 3 Wochen eine ganz gute Zeitspanne. Für diesen Zeitraum gelten folgende Vereinbarungen:
- Keiner kritisiert das Verhalten des anderen in den Punkten, um die es geht.
- Jeder gibt dem anderen die Chance, sich mit der Regelung zurechtzufinden, auch wenn’s holpert.
- Jeder notiert sich mit Datum und Uhrzeit, wann es Verstöße gegen die Vereinbarung gab.
Das haltet ihr 3 Wochen durch. Dann setzt euch wieder zusammen und schaut euch an, wie es funktioniert hat. Wenn es im Großen und Ganzen geklappt hat, lobt euch dafür und fangt nicht an, an Kleinigkeiten rumzukritteln. Wenn es nicht geklappt hat, müsst ihr neu verhandeln: Über eueren Umgang und die Verlässlichkeit, die ihr voneinander braucht. Vereinbart neu für die nächsten 3 Wochen.
Das ist keine Anleitung mit Erfolgsgarantie. Es ist eine Idee, die ihr ausprobieren und für euch anpassen könnt. Sie wird in jedem Fall mühsam sein und Ecken, Kanten und Rückschläge beinhalten.
Nach meiner Erfahrung bringt aber das Bemühen, miteinander in respektvollem Kontakt zu bleiben, auf Dauer immer eine Verbesserung.
Unsere Kinder fanden unsere Familienkonferenzen und immer wiederkehrenden Diskussionen und Auseinandersetzungen oft ätzend. Wir haben dann wieder und wieder über das Thema Wertschätzung und gegenseitigen Respekt geredet und wie wir uns alle wünschen, mteinander umgehen zu können. Das hat uns immer wieder zusammengeführt.
Heute sagen unsere erwachsenen Kinder, dass sie bei aller Nerverei immer die Sicherheit hatten, dass sie uns wichtig sind und dass wir gewillt sind, auch Krisen mit ihnen auszuhalten und zu meistern, und dass ihnen das rückblickend sehr geholfen hat.
Jule
Lies mal den Blog www.iFHnZ.Blogspot.com da sind auch Beiträge welche die Arbeit an Jugendlichen betreffen. Wir haben damit gute Erfahrungen gemacht (Sohn)
Wenn ihr nicht wollt, dass er sein Leben lang PC-süchtig ist, solltet ihr jetzt rechtzeitig einlenken und mit der Hilfe von Psychologen und Ärzten Gegenmaßnahmen ergreifen. Auch freundliche Gespräche, worin sachte erklärt wird, was falsch läuft und der Austausch sind wichtig.
Einfach nur zuzuschauen, wie dein Kind in seiner Spielsucht verbleibt, ist nicht richtig. Du solltest richtige Maßnahmen einlenken, sodass er sich vielleicht noch umgewöhnt.
Das Thema hat ja offenbar einige bewegt. Und jetzt sind ja einige Monate vergangen, da erzähle ich euch mal was so in letzter Zeit passiert ist. Durchhalten war lang unsere Parole. Ruhig bleiben, ernst nehmen, diskutieren, auf Augenhöhe mit einander reden, Alternativen zeigen. Alles Dinge die mir in der Erziehung schon immer wichtig waren. Es kam ganz anders. Er hatte nur noch schlechte Laune, wurde immer agressiver- hat alle angesteckt mit seiner Unzufriedenheit. Auf Gesprächsangebote reagierte er nur noch genervt. Wenn uns Freunde oder Verwandte vorsichtig darauf hinwiesen dass er ungepflegt wirkt, bat ich darum dass sie es ihm selbst sagen, haben auch viele gemacht. Das hat ihn dann schon geärgert- und wohl gezeigt, dass es nicht nur die nervigen Eltern sind die da ein Problem sehen. Aber geändert hat er deswegen noch lang nichts.
Der Gipfel war dann, dass er sich sehr abfällig über unsere Bemühungen geäußert hat- vor der ganzen Familie. Da ist mir die Sicherung durchgebrannt. Ich hab geschrien und getobt wie noch nie. Alle sind furchtbar erschrocken und er ist regelrecht in sein Zimmer geflüchtet. Ich hinterher. Ich hab geschrien, dass er doch in seinem Mief vergammeln soll wenn er unbedingt will, und dass es SEINE Jugend ist die hier verzockt wird. Er solle nicht in 10 Jahren ankommen und rum jammern, dass er nichts erlebt hat in seiner Jugend. Ich hab keinen Bock mehr…
Ich war am nächsten Tag heiser und wir haben 2 Wochen kein Wort mit einander gesprochen. Erschrocken hat ihn auch, dass seine kleine Schwester sehr geweint hat. Da hatte er wohl ein schlechtes Gewissen. Ich war fix und fertig- so brutal bin ich sonst nicht.
Aber von dem Tag an hat er die Tabletten genommen. Er duscht jeden Abend und geht (fast) freiwillig zum Vereinssport. Also er zockt noch immer zu viel- wir nehmen abends die Technik aus dem Zimmer. Er findet selbständig kein Ende. Aber seine Haltung hat sich verändert. Er scheint zu merken, dass er verantwortlich ist für sein Glück und nicht wir Eltern.
Er kommt auch bei den Mädels besser an seit er sich wäscht- oh Wunder! Das ergibt ganz neue Möglichkeiten der Freizeitbeschäftigung.
Und er spricht mit uns Eltern ein wenig respektvoller.
Also was soll ich sagen. War sicher nicht sehr pädagogisch. Bringt sicher auch nichts wenn Eltern jede Woche ausrasten. Aber in diesem speziellen Fall war es heilsam. Und in ein paar Jahren werden wir gemeinsam hoffentlich darüber lachen können.
Vielleicht ist das alles nur eine Phase, vielleicht wird er immer mit einer gewissen Suchtgefahr leben müssen. Ich weiss es nicht. Ich kann nur für ihn da sein und ihn an die Hand nehmen- aber laufen muss er schon selbst.
Danke an alle die mit gelesen haben und sich Gedanken gemacht haben.