Perspektivendualismus

An die Denkenden…
da ich feststellen durfte, dass sich hier tatsächlich (auch) Sachverstand antreffen lässt, wage ich ebenfalls eine Anfrage an den Kreis der Experten und den Kreis derer, die auf eine derartige Titulierung lieber verzichten möchten.
Es geht um die Unterscheidung von Teilnehmer- und Beobachterperspektive (TP vs. BP) als zwei Wahrnehmungen von Wirklichkeit. Das „Problem“ ließe sich auch in der Gegenüberstellung von Erste- und Dritte-Person-Perspektive oder in der Gegenüberstellung von „jemand“ und „etwas“ fassen.
Lapidare Frage: Wem fällt Sinnvolles zur Erhellung dieser Begriffspaare ein? Wie ließe sich die Reihe der Gegenüberstellungen fortsetzen? Und vor allem: Meinen diese Gegenüberstellungen tatsächlich stets dasselbe oder „scheint“ das nur so?

Hi, also ich bin bestimmt kein Experte,was du sicher an meiner dilettantischen Antwort unschwer erkennen kannst. Aber denoch bin ich interresiert an den Themen die in diesem Brett zu finden sind. Darum erlaube ich mir auch als nicht Experte meinen Kommentar/ Frage hier anzubringen. Eigentlich hauptsächlich zu meinem besseren Verständnis deiner Frage.
Würdest du sagen das auch der Vergleich hier passt über diejenigen die im Fluss sind, also im Strom aller mitschwimmen und sich somit im Stillstand befinden gegenüber denen, die sich im Stillstand befinden und somit die Geschwindigkeit des Stroms erfahren. Was natürlich wieder dem Teilnehmer und dem Betrachter entspricht. Aber wie passt jemand- etwas?
Grüße
j

Perspektivendualismus - Präzisierungen
Meine Fragestellung geht in Richtung „Anthropologie“. So wird der Unterschied zwischen „jemand“ und „etwas“ wohl am deutlichsten. Menschen werden, das ist bisweilen sogar notwendig, als ein „etwas“ betrachtet. Dafür ein Beispiel: Der Chirurg, der einen Blinddarm entfernt, sieht den Patienten erst einmal als „etwas“ (als Objekt), sonst könnte er ihn kaum „aufschneiden“. Normalerweise sollten Menschen einander jedoch eher in der Perspektive „jemand“ begegnen.

Anderes Beispiel: Menschen können sich „über etwas“ verständigen, sie tun dies aber immer „mit jemandem“. Daraus versuche ich abzuleiten, dass der eigentliche Modus der der Kommunikation und nicht der der Beschreibung ist. Kommunikation ist im Bezug eines „Ich“ auf ein „Du“ hin möglich (Dialogik bei Martin Buber). Über den Menschen in der Beobachterperspektive zu „sprechen“, ihn also zu beschreiben, ist zwar berechtigt und kann sehr hilfreich sein (s. Blinddarm), wird dem Wesen des Menschen aber nicht gerecht.

Wo liegt die Brisanz dieser Debatte, die m.E. noch gar nicht richtig geführt wurde? Die Naturwissenschaften sehen den Menschen als „etwas“ und meinen, ihn so voll und ganz zu erfassen. Ich versuche zu zeigen, dass diese Beobachterperspektive sehr einseitig und auf jeden Fall durch die Teilnehmerperspektive zu ergänzen ist. Der Hintergrund wir in diesem FORUM der Philosophen vielen klar sein: Wir haben eine (übermächtige) Dominanz der „exakten“ Naturwissenschaften. Diese behaupten für Ihr Beobachten Neutralität und sehen in vielen philosophischen (hermeneutischen) Ansätzen unzulässige Metaphysik am Werke. (Zeigen können sie es natürlich nicht, weil der Naturwissenschaft die Mittel dazu fehlen.)

(Die Sache mit dem Fluss – lieber Buden – trifft es also nicht ganz, sagt aber dennoch Wichtiges.)

Lieber ambival,

vielen Dank für deine Erklärung. Ich glaube ich habs verstanden. Aber das die Naturwissenschaftler nur einen Teil des Ganzen betrachten ist doch klar, oder?

Grüße
J

Mal nur ganz kurz: Uns – Dir und mir – ist das klar, vielen Naturwissenschaftlern nicht. Dort ist man – verkürzt gesagt – der festen Meinung, das GANZE der Wirklichkeit zu erfassen. Und das, was man faktisch noch nicht erfasst hat, würde – eines schönen Tages – auch im Modus der Beobachtung erfasst werden. Das ist aber eine Perspektivenreduktion prinzipieller Art. Man kann die Welt so lang und breit und tief beobachten, wie man will, gelangt aber so nie in die Teilnehmerperspektive. Die kann man eben nicht mit dem Mikro- oder Teleskop „entdecken“.

Es geht um die Unterscheidung von Teilnehmer- und
Beobachterperspektive (TP vs. BP) als zwei Wahrnehmungen von
Wirklichkeit. Das „Problem“ ließe sich auch in der
Gegenüberstellung von Erste- und Dritte-Person-Perspektive
oder in der Gegenüberstellung von „jemand“ und „etwas“ fassen.
Lapidare Frage: Wem fällt Sinnvolles zur Erhellung dieser
Begriffspaare ein? Wie ließe sich die Reihe der
Gegenüberstellungen fortsetzen?

Ein paar assoziative Vorschläge dafür (im Sinne von):

Verstehen - Erklären (Max Weber) 
unmittelbar Zugang - mittelbarer Zugang 
Nähe - Distanz 
dichte Beschreibung - dünne Beschreibung (Clifford Geertz)
Sinn - Struktur 
qualitativ - quantitativ 
Text - Buch (Jacques Derrida)
reflexiv - positiv

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Team: Text auf Userwunsch korrigiert

Perspektivendualismus
Das gefällt mir ganz gut. Soll heißen: Besten Dank ℂ Λ ℕ Ð I Ð €. Gibt es einschlägige Lite-ratur in Sachen Clifford Geertz und vor allem Jacques Derrida. Ich habe es bislang über Jürgen Habermas zu verstehen versucht: Lebenswelt und System. Gut, Habermas greift u.a. auf Max Weber zurück, führt ihn weiter und kritisiert ihn dadurch auch (m.E. zu Recht.)

Würde mich sehr freuen, zu Geertz und Derrida mehr lesen zu dürfen.

Hallo!

Das gefällt mir ganz gut. Soll heißen: Besten Dank ℂ Λ ℕ Ð I Ð
€. Gibt es einschlägige Lite-ratur in Sachen Clifford Geertz
und vor allem Jacques Derrida.

Aber natürlich :wink:

Zu Geertz:
http://www.amazon.de/Dichte-Beschreibung-Beitr%C3%A4…

Zu dieser Unterscheidung von Text bzw. Schrift und Buch bei Derrida wäre das Kapitel 1 der „Grammatologie“, das da ungefähr 'Das Ende des Buchs und der Anfang der Schrift" heißen sollte, grundlegend.
http://www.amazon.de/Grammatologie-Jacques-Derrida/d…

(Derrida schreibt irgendwo dort, Hegel wäre der letzte Denker des Buchs und der erster Denker der Schrift gewesen. Letztlich gehts es dabei genau um diese beiden unterschiedlichen Perspektiven: Hegel als selbsterklärter ‚Beobachter der Geschichte‘ und Hegel als Teilnehmer, Fort- und Umschreiber der Geschichte; das war der Anlass meiner Assoziation)

Ich habe es bislang über Jürgen
Habermas zu verstehen versucht: Lebenswelt und System.

Stimmt, das passt auch.
Bzw. Habermas hat damit ja explizit versucht, diese beiden Perspektiven zueinander in Beziehung zu setzen.

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Team: Titel angepasst, Bitte an den MOD nach Erledigung entfernt

Perspektivendualismus + Habermas
Wiederum besten Dank für die guten Hinweise. Auf der Metaebene erfüllt sich meine Hoffnung, dass das Internet doch (auch) gute Seiten hat. In vielen Foren scheint ein sinnvoller Austausch kaum möglich.
Noch einmal zu Habermas. Wenn ich das richtig sehe, ist er in seiner Gegenüberstellung von Lebenswelt und System eher als Soziologe (vielleicht auch Sozialphilosoph) zu betrachten. Ich versuche den Perspektivendualismus nun für die Ethik fruchtbar zu machen. Ethik, so meine Idee, ist nur in der Teilnehmer- nicht aber in der Beobachterperspektive sinnvoll. (Vorsicht: Habermas dreht die Begriffe „Ethik“ und „Moral“ entgegen ihrem mehrheitlichen Gebrauch um. Wenn ich hier also von Habermas und Ethik schreibe, geht es mir um den landläufigen Gebrauch der Termini, d.h. Ethik als Reflexion auf Moral.) Ja, mir ist klar, dass es auch eine rein deskriptive Ethik gibt. Die halte ich persönlich aber mehr für Ethikgeschichte oder Ethiksoziologie. Mir geht es hingegen um normative Ethik, d.h. die Frage, welcher Umgang des Menschen mit dem Menschen richtig / gerecht / gut / angemessen etc. ist. Und die Frage nach dem Modus der Erkenntnis. Da schließt sich der Kreis. Die Beobachterperspektive scheint mir hier der nicht angebrachte Modus der Erkenntnis zu sein.

Auch wenn der Fragesteller (verständlicherweise) darum gebeten hat, dass sich nur Experten äußern mögen, setze ich mich mal darüber hinweg, denn ich habe direkt eine Anschlussfrage an deine assoziativen Vorschläge: Würdest du die folgenden (an Foucault angelehnten) Begriffe auch dazu zählen oder liegen die auf einer anderen Ebene?

Genealogie - Natur-/Ist-Zustand
Kritik - Beschreibung

… oder fällt das bereits unter die Gegenüberstellung Sinn Struktur?

Gruß
Jessica

Hallo Jessica!

Auch wenn der Fragesteller (verständlicherweise) darum gebeten
hat, dass sich nur Experten äußern mögen, setze ich mich mal
darüber hinweg

also bitte! :wink:

Würdest du die folgenden (an
Foucault angelehnten) Begriffe auch dazu zählen oder liegen
die auf einer anderen Ebene?

Genealogie - Natur-/Ist-Zustand
Kritik - Beschreibung

… oder fällt das bereits unter die Gegenüberstellung Sinn
Struktur?

Sinn - Struktur

hatte ich soziologisch gemeint: den subjektiven Sinn rekonstruierende Ansätze (z.B. der Symbolische Interaktionismus) vs. objektivistische Ansätze (z.B. der Rational Choice).

Genealogie - Natur-/Ist-Zustand

Ich tu mir sehr schwer, die Genealogie eindeutig entweder der Teilnehmer- oder der Beobachterperspektive zuzuordnen. Weder sucht sie -von der Perspektive des objektiven Beobachters aus- nach den historischen Apriorii [gemeint ist ein Plural für ‚Apriori‘, wenn auch wahrscheinlich nicht korrekt gebildet :wink:] des Wissens, wie dies der frühere archäologische Ansatz Foucaults (v.a. in Les Mots et les Choses) macht, noch versucht die Genealogie, den subjektiven Sinn der teilnehmenden geschichtlichen Akteure aufzudecken.

Kritik - Beschreibung

Hier gilt fast das Gleiche wie oben. Die Kritik im Sinne Foucaults versucht ja, die Grenzen einer Beschreibung, deren Auslassungen und Ausschließungen, deren über ihre vermeintlich reine Deskriptivität hinausgehende Produktivität und Normativität aufzudecken.
Auch das sicher nicht im Sinne einer Rekonstruktion des subjektiv gemeinten Sinns eines Autors oder sozialen Akteurs.

Dennoch könnte man die beiden Begriffe (Genealogie, Kritik) insofern der Teilnehmerperspektiv zuordnen als der Genealoge/Kritiker weiß, dass er selbst nur Teilnehmer eines Diskurses ist, nicht dessen Urheber, nicht dessen Beobachter von Außen. Dass er also schreibt um (teilnehmend) fort- und umzuschreiben, nicht (beobachtend-objektiv-einfürallemal) zu beschreiben.

Ich würde daher Foucault eher mit

Diskurs - Ding/Subjekt/Struktur

in das Schema einordnen, oder in meiner Aufzählung unter Derridas

Text - Buch\*

subsumieren.

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* vielleicht könntest Du ja freundlicherweise meiner Bitte an den Brett-MOD nachkommen, und den Fehler editieren. Danke!

Hallo Candide,

Genealogie - Natur-/Ist-Zustand

Ich tu mir sehr schwer, die Genealogie eindeutig entweder der
Teilnehmer- oder der Beobachterperspektive zuzuordnen.

Sehe ich ein.

Weder sucht sie -von der Perspektive des objektiven
Beobachters aus- nach den historischen Apriorii [gemeint ist
ein Plural für ‚Apriori‘, wenn auch wahrscheinlich nicht
korrekt gebildet :wink:] des Wissens, wie dies der frühere
archäologische Ansatz Foucaults (v.a. in Les Mots et les
Choses
) macht, noch versucht die Genealogie, den
subjektiven Sinn der teilnehmenden geschichtlichen Akteure
aufzudecken.

Das sehe ich wiederum anders, aber vielleicht liegt das auch einfach daran, dass ich dem „subjektiven Sinn“ zwei Dimensionen zuschreibe: einmal den vorgeblichen Sinn, den sich ein Akteuer selbst einredet, und einmal den Sinn, der mehr oder weniger bewusst dahinter liegt (oder wäre das dann der „objektive Sinn“?; dann würde ich deinen Einwand verstehen) Die Definition von Weber über den subjektiven Sinn kenne ich übrigens, die halte ich allerdings für unzureichend.

Um hier mal ein Beispiel aus unserem „Standardwerk“ (Sexualtität und Wahrheit 1) anzuführen, handelt es sich bei dem durch die Genealogie aufgedeckten Doppelimpulsmechanismus aus Macht und Lust* innerhalb des sich formierenden Sexualitätsdispositivs denn nicht um einen subjektiven Sinn? Das Beispiel selbst müssen wir nicht besprechen, ich wollte nur, dass du weißt, worauf ich anspiele (um mir ggfs. den Kopf zu waschen, falls ich hier wieder etwas durcheinander werfe :wink:)

Kritik - Beschreibung

Hier gilt fast das Gleiche wie oben. Die Kritik im Sinne
Foucaults versucht ja, die Grenzen einer Beschreibung, deren
Auslassungen und Ausschließungen, deren über ihre vermeintlich
reine Deskriptivität hinausgehende Produktivität und
Normativität aufzudecken.

Genau, und hier insbeondere die _Macht_prozeduren (s.o).

Dennoch könnte man die beiden Begriffe (Genealogie, Kritik)
insofern der Teilnehmerperspektiv zuordnen als der
Genealoge/Kritiker weiß, dass er selbst nur Teilnehmer eines
Diskurses ist, nicht dessen Urheber, nicht dessen Beobachter
von Außen. Dass er also schreibt um (teilnehmend) fort-
und umzuschreiben, nicht
(beobachtend-objektiv-einfürallemal) zu beschreiben.

Gut gelöst. Wobei man aber auch sagen könnte, das genau dieses Bewusstsein erst einen guten Beobachter ausmacht :wink:

Schönen Gruß
Jessica

* Lust und Macht. Lust, eine Macht auszuüben, die ausfragt, überwacht, belauert, erspäht, durchwühlt, betastet, an den Tag bringt; und auf der anderen Seite eine Lust, die sich daran entzündet, dieser Macht entrinnen zu müssen, sie zu fliehen, zu täuschen oder lächerlich zu machen. Macht, die sich von der Lust, der sie nachstellt, überwältigen lässt; und ihr gegenüber eine Macht, die ihre Bestätigung in der Lust, sich zu zeigen, einen Skandal auszulösen oder Widerstand zu leisten, findet. Erschleichung und Verfügung. Konfrontation und gegenseitige Verstärkung (S. 49)

Hallo!

Weder sucht sie -von der Perspektive des objektiven
Beobachters aus- nach den historischen Apriorii [gemeint ist
ein Plural für ‚Apriori‘, wenn auch wahrscheinlich nicht
korrekt gebildet :wink:] des Wissens, wie dies der frühere
archäologische Ansatz Foucaults (v.a. in Les Mots et les
Choses
) macht, noch versucht die Genealogie, den
subjektiven Sinn der teilnehmenden geschichtlichen Akteure
aufzudecken.

Das sehe ich wiederum anders, aber vielleicht liegt das auch
einfach daran, dass ich dem „subjektiven Sinn“ zwei
Dimensionen zuschreibe: einmal den vorgeblichen Sinn, den sich
ein Akteuer selbst einredet, und einmal den Sinn, der mehr
oder weniger bewusst dahinter liegt (oder wäre das dann der
„objektive Sinn“?; dann würde ich deinen Einwand verstehen)

So hatte ich das gemeint: ich meinte mit dem ‚subjektiven Sinn der Akteure‘ den manifesten Sinn, nicht den latenten (der ja fraglos über-subjektiv ist, wenn auch vielleicht nicht notwendig objektiv).

Verkompliziert wird das hier übrigens dadurch, dass Foucault es aber auch strikt ablehnen würde, nach ‚latentem Sinn‘ zu suchen (daher seine Kritik am Marxismus und der -Lacanschen- Psychoanalyse, die eben genau das tun). Dazu unten nochmal weiteres.

Die Definition von Weber über den subjektiven Sinn kenne
ich übrigens, die halte ich allerdings für unzureichend.

D’accord. Auch ich halte ich die Rekonstruktion des subjektiven Sinns der Akteure für völlig unzureichend.

Weber selbst beschränkt sich aber bekanntlich ja auch nicht darauf. So könnte man seine Studien zu Protestantismus&Kapitalismus gut und gern als eine Proto-Form der Foucaultianischen Diskursanalyse verstehen.

Dennoch könnte man die beiden Begriffe (Genealogie, Kritik)
insofern der Teilnehmerperspektiv zuordnen als der
Genealoge/Kritiker weiß, dass er selbst nur Teilnehmer eines
Diskurses ist, nicht dessen Urheber, nicht dessen Beobachter
von Außen. Dass er also schreibt um (teilnehmend) fort-
und umzuschreiben, nicht
(beobachtend-objektiv-einfürallemal) zu beschreiben.

Gut gelöst. Wobei man aber auch sagen könnte, das genau dieses
Bewusstsein erst einen guten Beobachter ausmacht :wink:

Da würden dir jetzt sowohl die Naturwissenschaftler als auch alle hegelianisierenden Geschichtswissenschaftler, von den neopositivistischen Sozialwissenschaftlern ganz zu schweigen, heftigst widersprechen :wink:

Ich dagegen widerspreche nicht.

* Lust und Macht. Lust, eine Macht auszuüben, die
ausfragt, überwacht, belauert, erspäht, durchwühlt, betastet,
an den Tag bringt; und auf der anderen Seite eine Lust, die
sich daran entzündet, dieser Macht entrinnen zu müssen, sie zu
fliehen, zu täuschen oder lächerlich zu machen. Macht, die
sich von der Lust, der sie nachstellt, überwältigen lässt; und
ihr gegenüber eine Macht, die ihre Bestätigung in der Lust,
sich zu zeigen, einen Skandal auszulösen oder Widerstand zu
leisten, findet. Erschleichung und Verfügung. Konfrontation
und gegenseitige Verstärkung (S. 49)

Das ist schwer einzuordnen in den Rahmen des „Sinns“. Ganz offensichtlich handelt sich hier nicht um die Rekonstruktion des manifesten, bewussten Sinns der Akteure, aber auch nicht um die Aufdeckung einer latenten, unbewussten Sinnstruktur (da ja nicht etwa die Lust nur eine Maske der Macht wäre oder umgekehrt, so wie im Marxismus etwa die Ware die Fetisch-Maske sozialer Beziehungen ist, oder in der Psychoanalyse ein Versprecher die Maske eines Todeswunsches und dergleichen.)
Die ganze Nietzscheanische Tradition versperrt sich der Einfügung in ein Schema des Manifesten und des Latenten ungemein, auch wenn man in den Studien Nietzsches oder Foucaults fast nicht anders kann als die Aufdeckung einer latenten Sinnstruktur zu sehen.

_ ℂ Λ ℕ Ð I Ð € _

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Kurze Rückfrage zur Gegenüberstellung von „Verstehen“ und „Erklären“. Ich führe diese Unterscheidung auf Droysen (1857) zurück. Du schreibst Max Weber. Kannst Du das irgendwie belegen?