Phantasie

Guten Morgen werte Leserinnen und Leser dieses Artikels,

Die Philosophie geht von allem aus, was existiert.
Die Phantasie offenbart das, was wir vor Augen haben ( fast eine Chimäre ). Die Phantasie macht alles möglich - sie schafft unendliche Metamorphosen, wie ein Möbiusband im Kopf, das raus will.

Blaise Pascal nannte sie " Die Feindin der Vernunft ".

Aber, ist der Weg zur Realität der Weg der Phantasie ?

Beste Grüsse,

Claude

Aber, ist der Weg zur Realität der Weg der Phantasie ?

Für mich ist Phantasie ein Weg aus der Realität.
Wenn mein Alltag besonders trostlos oder streßig oder ärgerlich ist, dann ziehe ich mich in meine Phantasiewelt zurück und lebe dort für ein Stück weiter.

Natürlich sollte man gesunde Phantasie von Ungesunder unterscheiden, auch wenn im Kopf alles möglich sein sollte gibt es doch Ausnahmen, die z.B. bei der Rückkehr in die Realität schaden könnten.

Auch sollte man ein gesundes Verhältnis zwischen Realität und Phantasie bewaren. Nur Leben oder nur Träumen ist nicht Sinn und Zweck der Sache.

„Träume nicht Dein Leben - Lebe Deinen Traum!“

Mahlzeit

LM

„Träume nicht Dein Leben - Lebe Deinen Traum!“

Wenn du schreibst, dass du dich aufgrund eines frustrierenden Alltags in deine Fantasiewelt zurückziehst, ist das ja „deine“ Realität, man muss diese Realität nur ernst nehmen und man kann diese Ernsthaftigkeit auch begründen. Im Übrigen sagt dein obiges Zitat ja schon, dass die Welt weniger, wie es viele glauben, zu repräsentieren ist als vielmehr zu GESTALTEN.

„Träume leben“ ist das Erfolgsrezept Amerikas - und nachdem der Zusammenbruch des „wissenschaftlichen Sozialismus“ geschah, hetzt nach gut 500 Jahren die ganze Welt dem Geld hinterher. Ist das nur die alte Ideologie der Industriegesellschaft? Ich zitiere den Autor und Manager-Trainer Karl Gamper, der das Buch schrieb „So schön kann Wirtschaft sein“:

„(Jetzt) geht es um die Schlüsselthemen der Wirtschaft, Geld, Zeit, Kommunikation, um Positionierung, Shifts und Drifts, und um Wellen und WERTESYSTEME.“

Darunter versteht Karl Gamper Fragen, zum Beispiel:

„Wie gehen wir leichter mit Zeit um?
Was lenkt und befreit Aufmerksamkeit?
Wie kommt Leichtigkeit ins Wettspiel der Ideen?
Welche Antworten bieten sich zur Frage der Macht?
Wie ist das Thema Geld leichter in unser Leben zu integrieren?
Wie offenbart sich das Spiel von Exformation und Information?“

Ich will dazu den jüngst verstorbenen amerikanischen Philosophen Richard Rorty (unter anderem Professor für Philosophie an der Princeton Universität sowie Professor für Geistes- und Kulturwissenschaft an der Universität von Virginia) bemühen, die Kluft zwischen Fantasie und Realität zu überwinden. Richard Rorty schreibt in diesem Zusammenhang Folgendes:

„Wir überlagern die Natur mit einer anderen Welt…“

Und ich füge hinzu: Wir überlagern die Natur mit einer anderen Welt durch unsere Fantasie!!!

Gruß
C.

Wenn jeder Mensch mit ein bißchen mehr Phanatasie sein Leben lebenswerter gestalten würde, wäre unsere Welt um ein vielfaches schöner!

„Gehet hinaus und verbreitet die Kunde!
Auf das die Welt in Glück, Friede und Harmonie neu erstrahle!“

Wunschdenken und damit *ironie aus*

Servus!

LM

Hi,

„Gehet hinaus und verbreitet die Kunde!
Auf das die Welt in Glück, Friede und Harmonie neu erstrahle!“

Aus der Bibel?

Gruß
C.

Nee, der Schrott ist von mir!

:wink:

Hallo Claude,

Die Phantasie macht alles möglich - sie
schafft unendliche Metamorphosen, wie ein Möbiusband im Kopf,
das raus will.

wir wollen Phantasie mal nicht mit Phantasiererei verwechseln.

Blaise Pascal nannte sie " Die Feindin der Vernunft ".

Hier irrt der von mir sehr geschätzte B.Pascal.
Die Phantasie ist der Motor menschlicher Entwicklung.
Ohne Phantasie bleibt ein Affe ein Affe.(und ein Mensch manchmal auch).
Ohne Phantasie ist Kreativität unvorstellbar.
Die Phantasie ist die „Herausforderung für die Vernunft“.
Gruß VIKTOR

Guten Abend VIKTOR,

Sie schreiben " Die Phantasie ist die Herausforderung der Vernunft " . . .

. . . das gefällt mir und motiviert, mich zur Klarheit zu denken.

Besten Dank,

Claude

Guten Abend!

Sie schreiben " Die Phantasie ist die Herausforderung der
Vernunft " . . .

. . . das gefällt mir und motiviert, mich zur Klarheit zu
denken.

Ich möchte an dieser Stelle auch einmal eine solche Sentenz schleifen:

Die Phantasie ist das letzte Ziel der Vernunft.

Soll heißen: die Vernunft befreit den Geist von Aberglauben und Unmündigkeit, von Autorität und blindem Gehorsam, von schierer Tradition und schlichter Sitte. Erst jetzt ist die Phantasie entfesselt.

Der Pate dieser Idee ist übrigens ebenfalls Franzose - gut 100 Jahre jünger als Pascal. Sade.

E.T.

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Guten Morgen Monsieur Tyllmesz,

vielen Dank für diese Inspiration. Jetzt wird mir klar, dass in der Wirklichkeit mehr Phantasie steckt, als in dem, was ich mir einbilden kann.
Imagination kann durch das überraschen, was wir erwarten.

Ich wünsche Ihnen einen schönen Tag,

Claude

Vernunft und Phantasie
Hi E.T.

Ich möchte an dieser Stelle auch einmal eine solche Sentenz
schleifen:
Die Phantasie ist das letzte Ziel der Vernunft.

Nein, sie ist eher die Schwester der Vernunft, aber sicher kein Ziel. Ziel der Vernunft kann nur die wahre Erkenntnis sein.

Was ist überhaupt „Phantasie“? Sie ist Beweglichkeit des Geistes, die Fähigkeit zur Kombinatorik und Imagination. Sie ist kreativ und logisch (im Sinne des Hypothesenbildens). Die Menschen, die dieser Fähigkeit ermangeln, nennen sich gerne „Realisten“.

Der Pate dieser Idee ist übrigens ebenfalls Franzose - gut 100
Jahre jünger als Pascal. Sade.

Ja, Sade war cool. Keine Frage.

Gruß

Horst

Guten Tag!

Ich möchte an dieser Stelle auch einmal eine solche Sentenz
schleifen:
Die Phantasie ist das letzte Ziel der Vernunft.

Nein, sie ist eher die Schwester der Vernunft, aber sicher
kein Ziel. Ziel der Vernunft kann nur die wahre Erkenntnis
sein.

Der Pate dieser Idee ist übrigens ebenfalls Franzose - gut 100
Jahre jünger als Pascal. Sade.

Ja, Sade war cool. Keine Frage.

Da ich -die Erwähnung Sades war kein Selbstzweck- auf den Sade’schen Vernunftbegriff zielte, muss man die Antwort auch bei ihm suchen.

Lies mal hier nach:
http://www.culture.hu-berlin.de/hb/static/archiv/vol…
(ab der Teilüberschrift: ‚Befreiung des Denkens von der Vernunft‘)

In nuce:

Sade hat dabei genau verstanden, daß die Unendlichkeit [der Phantasie] nicht nur durch den realen Körper, sondern auch durch die bestehenden kulturellen Konventionen begrenzt wird. Eben darum koaliert die Phantasie mit der Vernunft. Sade eignet sich sämtliche Verfahren der radikalen Ideologiekritik des französischen Materialismus an, um der Einbildungskraft eine tabula rasa zu bescheren. „Die Phantasie“, weiß Madame de Saint-Ange, "hilft uns nur, wenn unser Geist von Vorurteilen völlig frei ist.

Die Überwindung von Vorurteilen aber ist das erklärte Ziel der Vernunft.

Was ist überhaupt „Phantasie“? Sie ist Beweglichkeit des
Geistes, die Fähigkeit zur Kombinatorik und Imagination.

Eben.
Und diese Fähigkeit zur Kombinatorik wird einerseits befördert von der Vernunft, andererseits aber auch wieder von ihr gehemmt, wenn die Vernunft erstarrt und selbst zum „Vorurteil“ geworden ist.

E.T.

Ernsthafteste Frage überhaupt

Ziel der Vernunft kann nur die wahre Erkenntnis
sein.

Meinst du damit einen spirituellen Idealismus als „wahre Erkenntnis“? Was nützt diese Art von Philosophie, wenn man arm, krank und am Sterben ist?

Meinst du eine Spiritualität, nach dem Vorbild des Ostens? Leider haben die auf dem Berg Sitzenden und lebenslang Meditierenden, um „Gott“ zu finden, weder das Wasserklosett erfunden noch das Fernsehen oder das Internet…

Was soll die „wahre Erkenntnis“ sein, von der du so sicher bist? Das ist nicht nur eine rhetorische Frage, sondern meine ernsthafteste Frage überhaupt.

Gruß
C.

Ein neuer Vernunftbegriff ist angesagt
Hi E.T.

Leider lässt mir meine Involvierung in künstlerische Projekte zu wenig Zeit, um über das Thema mit dir in einer Weise zu diskutieren, die ihm wirklich gebührt. Dennoch gerne ein paar Anmerkungen.

Hier ist auf die Schnelle eine Vernunftdefinition, die ich als brauchbar ansehe (aus Wiki):

„Mit Vernunft als philosophischem Fachbegriff wird die Fähigkeit des menschlichen Geistes bezeichnet, von einzelnen Beobachtungen und Erfahrungen auf universelle Zusammenhänge in der Welt zu schließen, deren Bedeutung zu erkennen und danach zu handeln – insbesondere auch im Hinblick auf die eigene Lebenssituation (vgl. Nous). Die Vernunft ist das oberste Erkenntnisvermögen, das den Verstand kontrolliert und diesem Grenzen setzt bzw. dessen Beschränkungen erkennt. Sie ist damit das wichtigste Mittel der geistigen Reflexion und das wichtigste Werkzeug der Philosophie.“

Zitat Ende.

Ich ersehe daraus überhaupt keine Grenze, die der Vernunft auferlegt sein könnte, zum Beispiel eine rigide Abgrenzung zur Phantasie. Phantasie - „vernünftig“ eingesetzt - ist ein Werkzeug der Vernunft. Sade hatte, wie die Frankfurter Schule aufdeckte, als einer der ersten den Vernunftbegriff seiner Zeit als allzu limitierend kritisiert. Nun ist jener Vernunftbegriff aber veraltet, da er seinerzeit Dinge ausgrenzte, die vernünftigerweise nicht ausgegrenzt werden dürfen. Als kulturgeschichtliche Gegenbewegung entstand dann auch schnell die Romantik mit ihrer Vorliebe für das Übernatürliche und Phantastische.

Auf dem Stand unserer Zeit gilt, finde ich, ein veränderter Vernunftbegriff. Keiner, der sich auf postmodernes Anything-goes-Denken reduzieren lässt, sondern spirituelle Aspekte einbezieht. Exemplarisch hat das Ken Wilber mit seinem metatheoretischen Theorie versucht.

Moderne Vernunft sollte also auch „transzendente“ Aspekte in Rechnung stellen, und das nicht zu knapp. Siehe obige Definition: Vernunft zielt auf das Erfassen universeller Zusammenhänge. Diese Zusammenhänge schließen Dimensionen ein, die metaphysisch sind.

Die Phantasie hat bei dieser Erschließung eine wichtige, aber keineswegs zentrale Rolle. Aus dem einfachen Grunde, weil die Wirklichkeit unter spirituellen Gesichtspunkten viel phantastischer (und zugleich wirklich) ist als jede Phantasie, die ein menschlicher Geist hervorbringen kann. Phantasie kann symbolisch bzw. metaphorisch wirksam sein (in der Kunst) und pragmatisch (als wissenschaftliche Phantasie, also Hypothesendenken).

Lies mal hier nach:
http://www.culture.hu-berlin.de/hb/static/archiv/vol…
(ab der Teilüberschrift: ‚Befreiung des Denkens von der
Vernunft‘)

Werde ich bei Gelegenheit genauer tun.

Was ist überhaupt „Phantasie“? Sie ist Beweglichkeit des
Geistes, die Fähigkeit zur Kombinatorik und Imagination.

Und diese Fähigkeit zur Kombinatorik wird einerseits befördert
von der Vernunft, andererseits aber auch wieder von ihr
gehemmt, wenn die Vernunft erstarrt und selbst zum „Vorurteil“
geworden ist.

Eben. Aber eine erstarrende Vernunft ist, per definitionem, keine richtige Vernunft. Wir sollten den Vernunftbegriff flexibel halten.

Gruß

Horst

Guten Abend!

Phantasie - „vernünftig“ eingesetzt - ist ein
Werkzeug der Vernunft.

Kein Widerspruch.
Aus der Sicht der Vernunft kann sie die Phantasie als ihr Instrument benutzen.

Sade hatte, wie die Frankfurter Schule
aufdeckte, als einer der ersten den Vernunftbegriff seiner
Zeit als allzu limitierend kritisiert.

Bevor wir nach Frankfurt reisen, halten wir doch erst einmal fest, was Böhme in dem verlinkten Text zu Sade schreibt:

Sade zielt auf eine Umkehrung des Verhältnisses von Phantasie und Vernunft.

Das heißt also mindestens das:

Aus der Sicht der Phantasie kann sie die Vernunft als ihr Instrument benutzen.

Oder in den zitierten Worten Böhmes:

Sade eignet sich sämtliche Verfahren der radikalen Ideologiekritik des französischen Materialismus [nennen wir diese Verfahren Verfahren der Vernunft] an, um der Einbildungskraft eine tabula rasa zu bescheren.

Auf dem Stand unserer Zeit gilt, finde ich, ein veränderter
Vernunftbegriff. Keiner, der sich auf postmodernes
Anything-goes-Denken reduzieren lässt, sondern spirituelle
Aspekte einbezieht. Exemplarisch hat das Ken Wilber mit seinem
metatheoretischen Theorie versucht.

Moderne Vernunft sollte also auch „transzendente“ Aspekte in
Rechnung stellen, und das nicht zu knapp. Siehe obige
Definition: Vernunft zielt auf das Erfassen universeller
Zusammenhänge. Diese Zusammenhänge schließen Dimensionen ein,
die metaphysisch sind.

Diese „moderne Vernunft“, so es denn sinnvoll ist, einem Unternehmen wie dem Wilberschen diesen Namen zu geben, ist sie denn ein tauglicheres Instrument der Phantasie als die Vernunft des französischen Materialismus oder des Kantischen Kritizismus, wenn -und das ist unsere Sade’sche Prämisse des obigen Zitats- dieses Instrument ein Tafelschwamm sein soll.

Eben. Aber eine erstarrende Vernunft ist, per definitionem,
keine richtige Vernunft. Wir sollten den Vernunftbegriff
flexibel halten.

Wie sehr flexibel?

E.T.

Phantasie, Begehren und Objekt klein a
Hi E.T.

„Sade zielt auf eine Umkehrung des Verhältnisses von Phantasie und Vernunft.“
Das heißt also mindestens das: Aus der Sicht der Phantasie kann sie die Vernunft als ihr Instrument benutzen.

Ich denke nicht, dass hier die „Phantasie“ (als Subjekt ohnehin schwer vorstellbar) die letzte Instanz sein kann. Das Benutzen von etwas ist immer ein Akt der Vernunft, in diesem Fall ein Akt der instrumentellen Vernunft (auf welche sich die Vernunft laut früher Frankfurter Schule reduziert, was aber so nicht haltbar ist). Vor allem aber ist es das unendliche und unlöschbare menschliche Begehren (im Sinne Lacans), das hinter der Phantasie steckt als deren Quelle und Motor. Und da wir schon bei Lacan sind: die Symbolische Ordnung (eine Manifestation der Vernunft) konterkariert das Begehren und ermöglicht erst das, was wir Phantasie nennen. Denn ohne Begrenzung und Struktur, die das Begehren einschränken (psychoanalytisch: kastrieren), wäre Phantasie überflüssig. Sie entspringt diesem Widerspruch und manifestiert sich u.a. im Phantasma.

Aus Wiki (Objekt klein a):

„Das Phantasma strukturiert das Begehren, indem es einen imaginären Rahmen („Szenario“) bildet, der mit Objekten der Begierde gefüllt wird. Grundsätzlich kann alles zum Objekt klein a werden, sofern es in das persönliche Phantasma hineinpasst: Das Begehren ist metonymisch strukturiert, d.h. es kann von einem Objekt zum nächsten wandern. Welche Objekte das Subjekt (unbewusst) wählt, auf welche Objekte es sein Begehren richtet, hängt allein von der psychischen Disposition des Subjekts ab, die sich natürlich in verschiedenen Lebensphasen und Situationen ändern kann. Es muss allerdings stets unerreichbar sein, d.h. einen leeren Kern bilden, um den herum sich die Phantasmen des Subjekts aufspannen können.“

Zitat Ende.

Das heißt also: ohne Vernunft (Symbolische Ordnung) keine Phantasie.

Auch bei Sade ist das Begehren unendlich und unstillbar. Siehe bei Böhme:

„Die flüssige Valuta des Spermas, so reichlich die Libertins darüber verfügen, sind nur ein schwaches Abbild des unendlichen Stroms der imaginierten Wünsche in der Sprache. In der sexuellen Welt Sades darf es keine Erfüllung geben, an der die Lust zur Ruhe kommt. Ruhe wäre für Sade Leere und Nichts. Darum muß der erschöpfbare, in sich zurücksinkende Körper ständig überschritten werden durch eine Lustunendlichkeit, die die Transzendenz des Körpers darstellt und einzig im endlosen Sprachfluß des Imaginären Gestalt findet.“

Zitat Ende.

Hier sehe ich einen Zusammenhang mit der vedantischen Atman-Theorie: Atman ist der Kern des Subjekts und identisch mit Brahman, dem universellen Geist. Es strebt danach, diese Identität zu erkennen und zu realisieren. Da „ananda“ (Wonne) eines der Merkmale von Brahman ist, strebt das Subjekt also nach Wonne, was auch Begehren genannt wird. In der Regel richtet sich das Begehren auf metaphorische Ersatzobjekte (siehe objet a) und kann daher nie gestillt werden.

„Sade eignet sich sämtliche Verfahren der radikalen Ideologiekritik des französischen Materialismus [nennen wir diese Verfahren Verfahren der Vernunft] an, um der Einbildungskraft eine tabula rasa zu bescheren.“

Der frz. Materialismus war zu seiner Zeit dringend erforderlich, ist aber heute absolut überholt.

Diese „moderne Vernunft“, so es denn sinnvoll ist, einem Unternehmen wie dem Wilberschen diesen Namen zu geben, ist sie denn ein tauglicheres Instrument der Phantasie als die Vernunft des französischen Materialismus oder des Kantischen Kritizismus, wenn -und das ist unsere Sade’sche Prämisse des obigen Zitats- dieses Instrument ein Tafelschwamm sein soll.

Die Frage ist doch: w a s ist diese Tafel? In letzter Konsequenz ist sie - aus spiritueller Sicht - (mit einem buddhistischen Begriff) das Nirvana. Und das unterscheidet Wilbers Ansatz von dem Sades oder Kants ganz erheblich. Kant kann in metaphysischen Fragen ohnehin nicht ernst genommen werden, was seine gewaltige Gesamtleistung aber nicht schmälert. Was Sade betrifft: für ihn als Materialisten war der Mensch nur ein Teil der chaotischen physischen Natur. Also keine spirituelle Dimension in Sicht. Auf d i e Tafel kann ich denn doch verzichten.

Aber eine erstarrende Vernunft ist, per definitionem keine richtige Vernunft. Wir sollten den Vernunftbegriff flexibel halten.

Wie sehr flexibel?

So flexibel wie nötig. Also sehr. Es wäre doch seltsam, wenn ausgerechnet im Jahre 2010 die Evolution des Vernunftbegriffs an ihre Grenze gestoßen wäre. Machen wir nicht den Fehler wie die Frankfurter, die Vernunft als einen statischen Pappkameraden zu sehen, der nur dazu taugt, abgeballert zu werden.

Gruß

Horst

Hallo,
packen wirs mal ganz realistsch an?: Phantasie kann (ohne Realität) nicht lange bestehen. Wie stehts umgekehrt?
Gruß, Zottel

Guten Abend Horst!

Ich muss aus zeitlichen Gründen den Umfang stark reduzieren.

„Sade zielt auf eine Umkehrung des Verhältnisses von Phantasie und Vernunft.“
Das heißt also mindestens das: Aus der Sicht der Phantasie kann sie die Vernunft als ihr Instrument benutzen.

Das
Benutzen von etwas ist immer ein Akt der Vernunft

Das scheint mir ein stichhaltiges Argument zu sein.

Vor allem aber ist es das unendliche und
unlöschbare menschliche Begehren (im Sinne Lacans), das hinter
der Phantasie steckt als deren Quelle und Motor.

Nur nebenbei gesagt: Ich bin einem Begehren im Singular gegenüber ausgesprochen misstrauisch.

Und da wir
schon bei Lacan sind: die Symbolische Ordnung (eine
Manifestation der Vernunft) konterkariert das Begehren und
ermöglicht erst das, was wir Phantasie nennen. Denn ohne
Begrenzung und Struktur, die das Begehren einschränken
(psychoanalytisch: kastrieren), wäre Phantasie überflüssig.
Sie entspringt diesem Widerspruch und manifestiert sich u.a.
im Phantasma.

Zur Kenntnis genommen, ohne jetzt darauf weiter eingehen zu können.

Das heißt also: ohne Vernunft … keine
Phantasie.

Da könnte auch Sade zustimmen.

Auch bei Sade ist das Begehren unendlich und unstillbar. Siehe
bei Böhme:

Richtig.

Der frz. Materialismus war zu seiner Zeit dringend
erforderlich, ist aber heute absolut überholt.

Darüber besteht kein Zweifel.

Diese „moderne Vernunft“, so es denn sinnvoll ist, einem Unternehmen wie dem Wilberschen diesen Namen zu geben, ist sie denn ein tauglicheres Instrument der Phantasie als die Vernunft des französischen Materialismus oder des Kantischen Kritizismus, wenn -und das ist unsere Sade’sche Prämisse des obigen Zitats- dieses Instrument ein Tafelschwamm sein soll.

Die Frage ist doch: w a s ist diese Tafel?

In der Tat.
Bekanntlich eine furchtbar alte Frage.

In letzter
Konsequenz ist sie - aus spiritueller Sicht - (mit einem
buddhistischen Begriff) das Nirvana.
Und das unterscheidet
Wilbers Ansatz von dem Sades oder Kants ganz erheblich.

Selbstredend.

Aber eine erstarrende Vernunft ist, per definitionem keine richtige Vernunft. Wir sollten den Vernunftbegriff flexibel halten.

Wie sehr flexibel?

So flexibel wie nötig. Also sehr.

Mein Gedanke bei der Frage danach war folgender:

Je „unflexibler“ der Vernunftbegriff gehalten wird, desto stärker ist diese „Erstarrung“ anzusetzen.
Je „flexibler“ er gehalten wird, desto mehr an Gewicht verliert sein Gegenbegriff (die Unvernunft, der Wahnsinn) - bis er sich bei maximaler Flexibilität vollends auflöst.
Wenn der Vernunftbegriff aber keinen starken Gegenbegriff mehr besitzt, dann ist aber auch kein starker Vernunftbegriff im eigentlichen Sinn mehr zu denken.
Aus diesem Grund habe ich ein Problem damit, den Vernunftbegriff allzu sehr abzulösen von seinem ursprünglichen Begründungszusammenhang, in dem er als sehr starker Begriff konzipiert ist.

Sollte beispielsweise Wolfgang Welsch mit seiner „transversalen Vernunft“ wirklich unbedingt den Vernunft-Begriff beibehalten anstatt stattdessen meinetwegen von „transkultureller Übersetzung“ zu sprechen?

Darauf benötige ich jetzt keine Antwort. Ich will mit dieser Frage nur das Grenz-Problem der Vernunft aufzeigen.

E.T.