Pharmaindustrie ohne neue Antibiotika - mittelfristig dumm?

Hallo,

die Pharmaindustrie stellt kaum noch neue Antibiotika an, sorgt aber, neben anderen Verursachern, auch für mehr Resistenzen.
Ist das nicht mittelfristig wirtschaftlich ein sehr schlechtes Geschäft?
Das meiste verdienen die Konzerne doch an alten Leuten. Wenn die aber zukünftig vermehrt von Keimen dahin gerafft werden, bricht der Markt für Krebs-, Rheuma- und sonstige Mittel teilweise ein.
Das macht doch für gewinn orientierte Unternehmen keinen Sinn - außer auf sehr kurze Sicht, was dumm wäre.

Pharmaaktien taugen wohl nicht für langfristige Anlagen, oder?

Gruß,
Paran

Hallo,
die Schlußfolgerungen verstehe ich allesamt nicht.

  1. Antibiotika sind fragile und kostspielige Projekte. Die Zulassung eines einzigen Mittels verschlingt Milliarden, so um die 900 Mio bis 2 Mrd EUR. Darüber hinaus kann man einer bekannten Resistenz nicht mal eben durch Abänderung des Wirkstoffs oder der Wirkstoffzusammensetzung entgegenwirken, es wird eine Neuzulassung fällig.
  2. Es ist kein Marktartefakt sondern Biologie bzw. Evolution, die darüber entscheidet, ob ein Mittel wirkt. Du stellst es so da, als gäbe es die Option auch mal 10 Mrd in die Hand zu nehmen und dann einen richtig guten Wirkstoff zu erhalten.
  3. Das meiste verdienen Antibiotikumproduzenten bei den Nutztieren. Im Krisenfall (Pandemie) vielleicht bei Menschen, denn epidemischer Befall bei Nutztieren wird meistens mit Keulung begegnet.
  4. Die meisten Pharmaunternehmen haben ein großes Portfolio an Mitteln. Und das Brot-und-Butter-Geschäft sind nach wie vor verbreitete Krankheiten wie Diabetes, Ekzeme/Flechten, und Mittel gegen Schmerzen, Psychosen, Blutkreislaufstörungen, etc. Seltenheitsfälle wie Krebs, oder Alterserscheinungen wie Rheuma gehören zwar auch ins Portfolio, aber nenne mir einen großen Konzern, der ausschließlich darauf setzt. Denn auch wie Du können die Manager dieser Unternehmen Absatzmärkte und Risiken einschätzen.

Das macht keinen Sinn, weil Deine Annahme falsch war.

Definiere „taugen“. Welche Unternehmen hast Du Dir denn genauer angeschaut, und was stört Dich konkret? Und Du mußt natürlich klar Pharmaunternehmen (Merck, Novo Nordisk) von den R&D-Setups (Gilead, Morphosys) trennen.

4 Like

Ein kleiner Irrtum. Es wird an neuen Antibiotikas geforscht, insbesonders der Makrolid-Reihe. Wer die Wirkungssysteme kennt, kann verstehen, daß die Entwicklung und Kosten immens aufwendig sind. Die Zeiten von Herrn Fleming sind leider vorbei.

Finde den Ursprungsbeitrag auch sehr seltsam. Bakterienstämme ändern sich jedes Jahr und die Antibiotika werden entsprechend angepasst. Gleichzeitig werden aber auch die Bakterien immer hartnäckiger und Resistenzen zu überwinden immer schwieriger. Das hat also nichts mit Gewinn zu tun…

Es ist ja so, dass diese wichtigen neuen Klassen von Antibiotika nur sinnvoll sind, wenn sie als Reserve-Antibiotika eingesetzt werden, d.h. möglichst selten zum Einsatz kommen, aber extrem teuer in der Forschung sind.
Wie soll ein Unternehmen damit Gewinn machen können?

Entsprechend ist das halt eines der klassischen Gebiete, in denen der Staat wegen „Marktversagen“ Anreize für die Forschung schaffen muss, public-private-Kooperationen mit Unternehmen eingehen, oder halt „die Pharmaindustrie“ auch selbst Kooperationen bildet, wie z.B. die „AMR Industry Alliance“, die von einer größeren Zahl von Biotech- und Pharmafirmen getragen wird.

Ich sehe es wie du, solche Kooperationen liegen durchaus auch im Eigeninteresse der Pharmaunternehmen.

Gruß
F.

Stimmt, es hat mit Verlusten zu tun. Nach jahrzehntelangen einträglichen Geschäften wendet sich die Pharmaindustrie neuen Geschäftsfeldern zu, sozialisiert die nun anstehenden Kosten und entzieht sich der gesellschaftlichen Verantwortung für die hinterlassenen Schäden.

Typisches Muster, wie auch bei Atom- oder Windenergie, oder Landwirtschaft.

awM

2 Like

Hallo,

Bergbau nicht zu vergessen. Einstürzende Neubauten und die ewige Wasserreinigung und -haltung.
Das übliche Spiel.

Gruß,
Paran

1 Like

Öfentliche Auftraggeber wie hier können das auch bestens. Abbruch einer Mehrfachturnhalle aus den siebziger Jahren. Asbest, lungengängige Mineralfaserstoffe, Giftstoffe, alles monatelang in offenen Säcken mit entsprechender Aufschrift am Rande der Straße gelagert wegen Kapazitätsproblemen bei den Entsorgungswertstoffhöfen. Abbruch monatelang, keinerlei Schutzmaßnahmen bei den Arbeitern, jeden Tag betet man um Regen, damit der Dreck nicht zu uns und den Nachbarn rübergeweht wird (Fenster zu, jede Woche putzen usw.). Alles billig gemacht.

Dennoch steigen die Bauzeit (wenige Wochen nach Arbeitsbeginn bereits um 25%) und die Kosten (Entsorgungskosten, Bauzeitverlängerung, Kündigung des Abbruchunternehmens) bereits in der Abbruchphase enorm.

Sind schon gespannt, wohin der Neubau führen wird. Wenn wir das noch erleben können.

awM

1 Like

Hallo,

ein großer Teil der resistenten Keime ist die Antwort auf massenhaften Einsatz von Antibiotika in der Massentierhaltung (je mehr man verkauft, desto höher der Umsatz).
Dazu kommt derzeit die sehr preiswerte Produktion in Indien, wo Abwässer von Pharmaherstellern und Zulieferern ungeklärt ins Abwasser gelangen - ist billiger so.

Resistenzen bilden sich um so eher und mehr, je mehr ein Stoff in Bakteriennähe vorkommt.

Wenn Pharmahersteller den schnellen Gewinn (z.B. per Verkauf an die Landwirtschaft oder Produktion unter katastrophalen Bedingungen) bevorzugen, züchten sie damit die resistenten Keime quasi und machen sich damit mittelfristig das eigene Geschäft für den schnellen Gewinn kaputt. Das ist extrem dumm.

Stellen aber die Forschung ein, weil jetzt noch wirkende Substanzen nur schwer zu finden sind und bei solchen Bedingungen auch diese schnell verbrannt wären.

Das hat das mit kurzfristigem Gewinn zu tun.

Gruß,
Paran

1 Like