Hallo!
Trotzdem lässt sich mit dem kateg. Imp. theortisch der
Rassismus widerlegen. Jetzt weiß ich nur nicht, ob ich mit
hilfe eines rassistischen Philosphen gegen Rassismus
argumentieren kann!
Ist das nicht ein Widerspruch in sich?
In der Philosophiegeschichte kommt es immer wieder vor, daß solche Widersprüche auftauchen – oder jedenfalls Widersprüche aus unserer heutigen Sicht. Die Aufklärung ist in der Tat voll von Rassismus, ebenso wie Sexismus.
Die Gleichheit der Menschen wird immer hochgehalten – und dann stellt sich heraus, daß nicht alle Menschen gemeint sind, sondern höchstens weiße Männer. (Neben Kant ist hier auch die amerikanische Geschichte sehr eindrücklich: Die USA hat in ihrer Unabhängigkeitserklärung postuliert, daß die Gleichheit aller Menschen – »men« – selbstverständlich und offensichtlich sei – und dann gibt es Sklaverei und noch lange kein Wahlrecht für Frauen.)
Trotzdem lassen sich diese Denkrichtungen produktiv machen für eine Beschäftigung mit Rassismus, wenn das Problem herausgearbeitet wird – dieses Problem ist, daß Menschen nicht als gleich angesehen werden, sondern anhand von bestimmten Kriterien (bei Kant die Kultur, in der amerikanischen Geschichte die Rasse) aufgeteilt werden.
Beim kategorischen Imperativ wird das deutlich: Unter der Prämisse, daß Menschen derart unterschiedlich sind, daß ihnen natürlicherweise unterschiedliche Rechte zukommen, könnte es allgemeine Gesetze geben, die legitim Menschen unterschiedlich behandeln (aus unserer Sicht: rassistisch diskriminieren). Mit unserer Prämisse, daß allen Menschen, egal welcher Herkunft, welchen Geschlechts, welcher Bildung (!), welcher Kultur die gleiche Würde zukommt, ist kein allgemeines Gesetz denkbar, das legitim rassistisch diskriminiert.
Schwierig ist es, mit dem kategorischen Imperativ Rassismus zu widerlegen. Dazu sollte erstmal geklärt werden, was in diesem Kontext mit »widerlegen« gemeint ist. Dazu gibt es verschiedene Ansätze. Rassismus ließe sich so formalisieren:
- Es gibt unterschiedliche Gruppen von Menschen (z.B. »Rassen«)
- Diesen Gruppen kommen unterschiedliche Rechte zu.
»Widerlegen« im engeren Sinn hieße, für 1) zu zeigen, daß die Annahme falsch ist. Das kann etwa biologisch passieren. Allgemein akzeptiert ist, daß es keine »Menschenrassen« gibt; dennoch gibt es das Phänomen »Rassismus«, und es ist sinnvoll, bei gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit, die auf die Fremdheit (kulturell, religiös, von der Herkunft her) verweist, von »Rassismus« zu sprechen – damit ist es schwierig, in diesem Sinn Rassismus zu widerlegen: Diese Unterschiede gibt es ja, und die Frage ist, wie damit umzugehen ist.
Für eine Prüfung in Ethik ist daher auch die zweite Prämisse lohnender: Nämlich zu zeigen, daß eine rassistische Ungleichbehandlung unmoralisch ist. Da läßt sich dann auch mit Kant arbeiten; herauszuarbeiten wäre, wie Kant dazu kommt, Menschen ethisch ungleich zu bewerten, und warum stattdessen eine gleiche Bewertung angezeigt ist. Sobald das geleistet ist, ist selbstverständlich der kategorische Imperativ geeignet, um eine rassistische Diskriminierung ethisch zu bewerten.
Und macht das überhaupt Sinn, wenn ich einen „älteren“ und
einen „jüngeren“ Philosoph mit gegensätzlichen Positionen
einander gegenüber stelle?
Die Entwicklung von Positionen zu vergleichen ist immer sinnvoll – die Frage ist, ob das für die spezielle Fragestellung zielführend ist. Ich könnte mir vorstellen, die Begründung von Menschenrechten bei Kant und bei einem zeitgenössischen Autor zu vergleichen.
Als weitere Literatur empfehle ich den Artikel »Race« in der Stanford Encyclopedia of Philosophy«: http://plato.stanford.edu/entries/race/ sowie den zu »Discrimination« (http://plato.stanford.edu/entries/discrimination/). Vertiefend auch den zu »Identity Politics« und »Affirmative Action« – http://plato.stanford.edu/entries/identity-politics/ und http://plato.stanford.edu/entries/affirmative-action/ – die zeigen, daß allein »Gleichbehandlung« und kategorischer Imperativ die Problematik bei weitem nicht ganz erfassen.
Für die weitere Recherche kann es auch lohnend sein, etwas weg vom Schlagwort Rassismus zu gehen und stattdessen nach Philosophie der Menschenrechte zu suchen, mit Schwerpunkt auf »Universalität der Menschenrechte«. Wäre noch mehr Zeit, würde ich den von Stefan Gosepath und Georg Lohmann herausgegebenen Band »Philosophie der Menschenrechte« empfehlen. Schneller dürfte es sein, das Dossier »Menschenrechte« bei der Bundeszentrale für politische Bildung zu lesen (http://www.bpb.de/internationales/weltweit/menschenr…) mit Schwerpunkt auf Lohmanns Artikel zu universellen Menschenrechten (http://www.bpb.de/internationales/weltweit/menschenr…).
Das ist jetzt natürlich viel Text für eine Prüfung, die ziemlich bald stattfindet – ich hoffe, es hilft trotzdem.
Viele Grüße
Felix Neumann