Philosophie oder die elitäre kaste der 'herren'?

wenn ich an die klassischen bzw. bekannteren philosophen der menscheitsgeschichte denke, dann bemerke ich zwei gemeinsamkeiten die alle aufweisen!

  1. es handelt sich ausschließlich um männer
    2.die in der regel alle aus einem adels- oder kaufmannsgeschlecht oder dem gehobenen beamten-bzw. bürgertum entstammen

fragen zu 1
gibt es eine weibliche philosophische schule, die ich hier als laie sträflich unterschlage?
wenn es sie gibt, würde der geneigte herr philosoph sie in einem atemzug mit einem platon, sokrates, kant, hegel usw. benennen?
gibt es sie nicht, warum ist dies dann so?

zu 2
nicht nur das die herren philosophen alle männlichen geschlechts zu sein scheinen, sie waren im wahrsten sinne des wortes auch tatsächlich „herren“! sie entstammten nicht knechten, sondern sie verfügten über sie (ich kenn in meinem entfernten kreis 2 lebende pholosophen die ,der zufall wills!, beide männer sind die aus einer arzt- und einer beamtenfamilie entstammen…).
könnt es nun sein?, dass sich die frage nach sinn&sein erst stellt, wenn man(n) sich nicht mit haus&bälgern herum plagen muß, nicht für das täglich brot sich auf feldern schinden muß?!?
ist für die philosophie also ein „gewisses“ maß an dekadenz, ein „gewisses“ maß an langerweile von nöten, um sie aus üben zu künnen?!?

bin auf klärung gespannt, insbesondere was die „herren experten“ auf diesem gebiet zu antworten wissen ( gibt es eigentlich hier bei www eine philosophin mit akademischen grad oder einen philosophen der aus einem „arbeiter- und bauerngeschlecht“ enstammt?..)

mir neugierigen grüßen
nadir

Hallo Nadir,

Ganz einfach wer nicht die Möglichkeit hat Lesen zu lernen und später mit den großen Werken der Philosophen Bekanntschaft zu schließen wird wohl kaum Interesse für deren Thesen entwickeln.
Eigene Thesen aufzustellen ist zwar immer möglich, aber diese geraten leicht in Vergessenheit wenn man sie nicht aufschreibt (Sokrates mal ausgenommen), Mangel an Bildung verhindert also die Ausbildung des philosophischen Potentials einer Person bzw. das sie ernstgenommen wird.

Frauen wurden seit der Antike eigentlich immer unterdrückt, von klein auf in die Rolle der Hausfrau und Mutter gesteckt, ob sie wollten oder nicht. Also haben Töchter bis in unsere Zeit hinein meistens eine andere Erziehung und Bildung genossen als Söhne.
Das soll nicht heißen, dass alles nur anerzogen ist, aber das Potential zum Philosophieren hat wohl jeder.

Ich stimme dir zu, dass wohl nur die Menschen, die genug Zeit für Müßiggang und später auch zum Aufschreiben ihrer Thesen, haben, von uns auch als die wahren, großen Philosophen angesehen bzw. gekannt werden.
Denn leider können wir nur die Gedankengänge derer, die sie aufgeschrieben haben nachvollziehen.

Früher gab es kaum Frauen in dieser Disziplin, aber in unserer Gesellschaft finden sich langsam einige Philosophinnen. Z.B. Annemarie Pieper, die von meiner Ethiklehrerin in den höchsten Tönen gelobt wird oder das Buch von Erna Seeberger-Sturzenegger „Die Frau des Philosophen“ ist auch ganz interessant:wink:

MfG Io

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Hi Nadir,

2.die in der regel alle aus einem adels- oder
kaufmannsgeschlecht oder dem gehobenen beamten-bzw. bürgertum
entstammen

eine, sicher nicht unwichtige, Ausnahme ist sicher Immanuel kant, der aus ziemlich ärmlichen Verhältnissen kam. Bei einigen anderen glaube ich mich auch zu erinnern, daß das Elternhaus nicht allzu gehoben war, muß allerdings erst nachschauen, bevor ich mich aus dem Fenster lehne.

Gandalf

Hi nadir,

es ist Dir sicher bekannt, daß sich das, was Du hier für die Philosophen beschreibst, genausogut auf Handwerker (hier wohl nur der Punkt: keine Frauen), Künstler und Wissenschaftler übertragen läßt!

Sicher ist es so, daß es zum Nachdenken erst dann kommen kann, wenn die Grundbedürfnisse befriedigt sind. Wie immer gibt es Ausnahmen, es gab und gibt Künstler/Philosophen, die am Existenzminimum krabbeln.

Das es so wenig Frauen gibt, die zu diesen Personengruppen gehören, liegt sicher daran, daß ihnen lange Zeit systematisch der Zugang zu ‚höherer‘ Bildung verwehrt wurde und wenn sie sie sich selber angeeignet haben, wurde ihnen die Anerkennung verweigert.

Es ist also mitnichten so, daß die Philosophen etwas besonderes, elitäres wären.

Gandalf

Hallo

wenn ich an die klassischen bzw. bekannteren philosophen der
menscheitsgeschichte denke, dann bemerke ich zwei
gemeinsamkeiten die alle aufweisen!

  1. es handelt sich ausschließlich um männer

Ich denke das liegt einfach an der Stellung der Frau zu früheren (und jetzigen Zeiten) und hat nun wirklich nicht viel mit der Philosophie zu tun. Alle wichtigen Entdecker, Forscher, Nobelpreisträger sind ebenfalls fast ausschließlich Männer. Eine Änderung wird wohl erst im Laufe der Zeit kommen, wenn beide Geschlechter gleichberechtigt sind.

2.die in der regel alle aus einem adels- oder
kaufmannsgeschlecht oder dem gehobenen beamten-bzw. bürgertum
entstammen

Auch das ist IMO nicht besonders verwunderlich. Als armer Bauer oder Arbeiter hast du nun wirklich den ganzen Tag besseres zu tun, als dich mit philosophischen Fragen über den Sinn des Seins oder neuen Gesellschaftsformen zu beschäftigen. Ich denke, dass man dazu einfach in der Regel komplett befriedigte Grundbedürfnisse braucht, d.h. du darfst keine Versorgungsprobleme in Sachen Nahrung, Geld, Wohnung haben. Und dieser Umstand war nun mal nur in gut situierten Familien möglich.
Auch heute kannst du mit Philosophie (wenn dus nicht grad Uni Prof bist) kein Geld verdienen. Es ist nunmal eine relativ brotlose Kunst.

mfg
deconstruct

Nun, zumindest Sokrates ist kein Aristokrat, auch bei Diogenes und manch anderen ist nicht viel von Aristokratie zu spüren und neben den Philosophen aus „besseren“ Häusern hat es immer welche aus einfacheren Verhältnissen gegeben, die aber etwa über die kirchliche Karriere zu „gelehrten Philosophen“ wurden. Abaelard und Augustinus etwa, die keineswegs aus wirklich besseren Familien stammten.

Dass Frauen bis ins 20. Jahrhundert wegen ihrer Sozialisation nicht in die philosophischen Kreise gelangten, liegt auf der Hand.
Aber etwa mit Lou Salomé begann sich das zu ändern. Edith Stein, Hannah Arendt und sind nur zwei Namen, die als Beispiele für weibliche Philosophen stehen.

Nur als kleiner Denkanstoß.

Fritz

Hallo zusammen, ich häng mich hier einmal an …

Nun, zumindest Sokrates ist kein Aristokrat, auch bei Diogenes
und manch anderen ist nicht viel von Aristokratie zu spüren
und neben den Philosophen aus „besseren“ Häusern hat es immer
welche aus einfacheren Verhältnissen gegeben

auch aus der untersten sozialen Schicht, den freigelassenen Sklaven, etwa Epiktet.

die aber etwa
über die kirchliche Karriere zu „gelehrten Philosophen“
wurden. Abaelard und Augustinus etwa, die keineswegs aus
wirklich besseren Familien stammten.

und das bis in die Gegenwart: man denke an die Tübinger Stiftler oder an Martin Heidegger, der nur durch kirchliche Stipendien Zugang zu Schul- und Universitätsbildung hatte.

Dass Frauen bis ins 20. Jahrhundert wegen ihrer Sozialisation
nicht in die philosophischen Kreise gelangten, liegt auf der
Hand.

nun, auch hier gibt es Ausnahmen - wenn auch nur wenige: etwa die Philosophin Hypatia von Alexandrien aus dem 4. Jahrhundert, die große Berühmtheit erlangte (aber auch ein tragisches Ende nahm)

Täubchen

Frauen in der Philosophie
Hallo,

es gibt in der Philosophie mehr wichtige Frauen, als du vermutest.
Hierzu gibt es mindestens zwei Dokumentationen (beide mit mehr als 300 Seiten):

  • Halina Bendkowski / Brigitte Weisshaupt (Hg.): Was Philosophinnen denken; Zürich 1983 ISBN: 3-250-10012-9 Buch anschauen
    und
  • Marit Rullmann / Gudrun Gründken / Marlies Mrotzek:
    Philosophinnen, Teil 1: Von der Antike bis zur Aufklärung;
  1. Aufl., Zürich et al. 1994 ISBN: 3-905493-44-6 Buch anschauen

Der 2. Teil ist meiner Kenntnis nach noch nicht erschienen, dürfte aber ähnlich umfangreich sein.

Dass es in der Mehrzahl die Reichen bzw. Adligen waren, die veröffentlicht haben, dürfte mit den allgemeinen gesellschaftlichen Umständen (Macht, Geld, Ansehen usw.) zusammenhängen.

Herzliche Grüße

Thomas Miller

es gibt in der Philosophie mehr wichtige Frauen, als du vermutest.
Hierzu gibt es mindestens zwei Dokumentationen (beide mit mehr als 300 Seiten):

mehr als 300! seiten- beachtlich! beachtlich!
danke jedoch allen vorerst für die literaturverweise!
und auch für die benennung einiger frauen in der philosophie.
einige sind mir sogar durchaus bekannt und es gibt auch nicht „mehr“ als ich vermutet habe, denn ich weiss durchaus das es zur genüge „weise frauen“ gegeben hat - nur spricht man(n) selten von ihnen!

überrascht dagegen bin ich eher davon, wie sie hier aufeinmal doch benannt werden, wie ihre fähigkeiten und ihre werke gar in lobend tönen besungen werden!
das ist für mich um so verwunderlicher, als ich hier in den letzten tagen beim flüchtig durchstreifen der threads, ausschließlich männliche philosophische „schule“ fand, „geistreiches“ von männern für männer.
so scheint es mehr mir fast, als wenn der herr politiker vor der wahl dann doch noch seine weibliche wählerschaft entdeckt und für den besseren produktumsatz stellt der chef auch gerne mal den alibibehinderten ein und „frauenquote“ macht sich heut zu tage immer gut…

nun werthe philosophen, wie kommt´s, dass ihnen jetzt zwar die „wichtigen frauen“ in der philosophie zu hauf einfallen,ihnen in ihren gegenseitigen korrespondenzen und philosophischen disput dann jedoch wieder keine einzige einfällt… von jenen „wichtigen“ frauen???

eine kleine episode aus meinen reisen:
als ich in thailand in ein dörfchen an kam und eine fähre über den mekong nach laos suchte, wurde ich zu einem kleinen häuschen geleitet vor dem ein schar männer um einen tisch herum heiter ihren fusel tranken. der in der mitte sitzende und fetteste von ihnen stellte sich als der fährmann heraus. während ich mit ihm um den preis einer überfahrt feilschte, wir alle lustigen small talk hielten, kam aus seinem haus eine kleine zierliche und sichtlich geplagte frau mit zwei plärrenden bälgern an ihren beiden händen, heraus (es war scheinend die frau des fährmanns).
sie ging in einen schuppen und kam wenig später mit einem riesigen sack reis heraus gebuckelt, an beiden händen immer noch die plärrenden bälger…sich zurück ins haus schleppend.
ich fragte ihn, warum hier niemand der frau den schweren sack abnimmt. er schaute mich erst verwundert mit großen augen an und übersetzte dann mit einem grinsen den anderen meine worte…worauf alle in schallendes gelächter ausbrachen…während sie ins haus verschwand… setzten wir wieder unsere verhandlungen fort.

so und so ähnlich hab ich es immer wieder erlebt und fest gestellt, dass insbesondere in den ärmeren ländern 70-80% aller anfallenden arbeiten (insbesondere noch dei schweren) von frauen verrichtet werden (und das erkennt jemand, der mit dem begriff „emanzipation“ nicht mal was am hut hat)!

das mag heute in unseren gefilden nicht mehr so sein, war es aber sicher noch vor 100 jahren.
ich halte die „großen“ unserer geschichte in jeder beziehung für wichtig und bin dankbar für das wenige was ich von ihren werken lesen und sehen durfte, aber es stimmt mich etwas traurig, dass so gut wie niemand von ihnen, derer würdigt, die ihnen ihre werke erst ermöglicht haben…

zu den hier genannten „meistern“ die aus „ärmlichen“ verhältnissen stammen sollen, äußere ich mich dann morgen noch

eine gute nacht
nadir

lebende Zeugnisse - auch in www :smile:
Hallo,

danke jedoch allen vorerst für die literaturverweise!
und auch für die benennung einiger frauen in der philosophie.

es gibt auch nach Hannah Arendt, die in der Tat sehr bedeutend ist, noch lebende Exemplare der Spezies „Philosophin“ :smile: von internationaler Bedeutung. Neben der erst vor zwei Jahren verstorbenen Wittgenstein-Schülerin G. E. M. Anscombe wären da etwa noch zu nennen: - Seyla Benhabib

  • Philippa Foot
  • Luce Irigaray
  • Christine Korsgaard
  • Julia Kristeva
  • Martha C. Nussbaum
    (nur die bedeutendsten)

In Deutschland etwa kann die Liste noch ergänzt werden durch die Leiterin der Cassirer-Forschungsstätte in Hamburg Birgit Recki und andere.

nur spricht man(n) selten von ihnen!

Man spricht ohnehin selten über Philosophen, noch weniger eben über die Vertreterinnen, aber es wurde ja schon gesagt, dass das auch in anderen Sparten der Fall ist.

das ist für mich um so verwunderlicher, als ich hier in den
letzten tagen beim flüchtig durchstreifen der threads,
ausschließlich männliche philosophische „schule“ fand,
„geistreiches“ von männern für männer.

Wir haben gerade seit kurzer Zeit hier fachkundige Verstärkung von weiblicher Seite bekommen. „Yseult“ schreibt hier in www sehr häufig in letzter Zeit.

Herzliche Grüße

Thomas Miller

1 Like

zu den hier aufgeführten philosophen aus „niederen“ verhältnissen, lässt sich folgendes anmerken:

heidegger- hatte wohl seine mäzen kirchlicherseits und schon früh das amt eines prof inne (mit wahrscheinlich nicht geringer vergütung.

kant- ward sohn eines sattlermeisters, dessen geschäfte zumindest so gut gingen, dass er sich für seine kinder das nicht geringe schulgeld für die höhere schule leisten konnte

augustinus- dessen vater zwar „nur“ ein kleiner beamter war, doch verfügte die familie anscheinend über soviel vermögen, dass sie ihrem sohn nicht nur eine erstklassige ausbildung ermöglichen konnte, sondern das diesem in seinen frühen jahren auch ein sehr ausschweifendes leben vergönnt gewesen sein solll. er brachte es recht schnell immerhin zum bischof

epiktet- war zwar einige zeit sklave, doch mußte auch er über eine sehr gute ausbildung aus seiner „vorsklavenzeit“ verfügt haben, da er als sklave bereits lehrte und nich geringe anerkennung genoß. nach aberkennung seines sklaventitels eine recht florierende schule in rom eröffnet (via augustus 277 - auch heute noch bestlage!)

sokrates- sohn eines angesehenen steinmetz und einer landesweit begehrten hebamme. verdiente sich in allerlei kriegischen scharmützeln einen hohen beamtenrang. ist vor allem für den weltweiten ruhm des „schierlings“ bekannt ( der zwar selten, aber auch in unseren breitengraden zu finden ist und wegen der schweren nachweisbarkeit seines nicht wenig tödlich giftes, auch heute noch geplagten ehefrauen, vorzugshalber von philosophen, zu empfehlen wäre…). aber nicht nur der schierling und seine lehren (von sokrates natürlich), machen sokrates so interessant. er war auch einer der frühen, die bewiesen, dass man(n) keine! eigenen schriften hinterlassen muß, um sich und seine lehren zu verewigen!

diogenes (den mocht ich vor allem in meiner jugend)- schwarzes schaaf einer unbekannt gebliebenen athner adelsfamilie und begründer der ersten „publicrelations“ seiner person und seines produktes- der lehre von der „bedürfnis-&selbstlosigkeit“!
der alte zausel der, in seiner hafenkneipe (zum schwarzen troijaner) in piräus gabs irgendwann keinen wein mehr für seine immer selben geschichten.
dann kam er auf die geniale idee, sein letztes vom wirt ausgegebenes fass (auf das er sich nie wieder bei ihm blicken lasse) ins metreon, dem tempel der göttermutter kybele in athen zu rollen, am großmarkt, gleich gegenüber vom tempel des zeus! die leute pilgerten zu hauf zu ihm und insbesondere die jugend des hohen athener adels war dermaßen von seinen lehren beeindruckt, dass seitdem nicht nur bester kretischer wein, damaszenische datteln und thessalonikischer schafskäse flossen, sondern ihm auch zuhauf jungfrauen aus lesbos zu füssen lagen…jaja, er hatte wirklich ausgesorgt (und ist im übrigen noch heute vorbild, für viele indische „heilige“!)

soviel zu den „ärmlicheren“ philosophen unserer geschichte ( das wenigste davon wußt ich allerdings so genau, hab bloß seit einem jahr `n pc und auch schon gelernt wie zb eine brockhaus multimedia software zu bedienen ist…).

mit lächelnden grüßen
nadir