Philosophie & Politologie in die Freiheit

Liebe Leute,

ich habe mich hier registriert, weil ich gesehen habe, dass auch andere mit ihrer studentischen Selbstfindung hier auf offene Ohren stoßen, also kommt hier meine Story:

Ich habe zum letzten Oktober begonnen, Jura zu studieren. Eigentlich war mein intuitiver Impuls Journalismus, aber weil man den nur auf verschlungenen Pfaden erreicht, schien Jura ein guter Hinweg zu sein: Politisch relevant, für Denker anspruchsvoll und mit 1000 Möglichkeiten für den weiteren Weg ausgestattet. Außerdem dachte ich, es würde meinen Talenten entgegen kommen (Bestes Deutschabi, aber auch in Mathe nicht schlecht).

Doch schnell hat sich Ernüchterung breit gemacht: Es wird nur wenig hinterfragt, sondern zumeist apodiktisch doziert, die in den Vorlesungen eröterten Fragen verlieren sich in dogmatischen Glasperlenspielen und auch wenn ich die Denkweise interessant finde - hat was von Sudoku - habe ich das Gefühl, inhaltlich total gelangweilt zu sein. Dazu kommt, dass ich als (gepflegter :smiley:) Punk mir ein Leben mit Freiheit, der Möglichkeit zum selbst Neuerfinden und auch polemisieren wünsche und jetzt Angst kriege, auf einen riesen, grauen Apparat aus Armanianzügen und Paragraphenreiterei in trivialsten Zusammenhängen zuzusteuern - ich wollte in der Gesellschaft mitmischen und nicht am Amtsgericht darüber debatieren, ob der Baum auf des werten Nachbars Gut überhängt. Ich weiß, Jura ermöglicht beides, aber das Studium zieht so dreckig in die eine Richtung.

Deshalb will ich mich davon befreien. Hier meine Idee: Politologie und Philosophie studieren, eine Journalistenschule absolvieren (Kriege da jetzt schon durch vom Stipendium angebotene Seminare Vorbildung) und dann schauen, wo ich mitmischen kann. Ich weiß, dass der mediale Bereich im Umbruch ist, Printmedien weichen von Sklaven betriebenen Internetmedien und es wird zunehmend schwerer, in diesem Metier nicht nur Erfüllung, sondern auch Brot zu ernten.

Kurzum: Ich halte dieses beklemmende Gefühl nicht aus, dass Jura mich in ein kleinkariertes, ödes Durchschnittleben reitet, aber ich habe auch Angst davor, dass der ungewisse Pfad durch eine Geisteswissenschaft mich ins Nirgendwo führt.
Ihr könnt mir da wahrscheinlich auch kein beruhigendes, generales Gegenteil auftischen, das weiß ich. Ich wüsste einfach gerne, was ihr von dieser Studienkombo halte und welche Alternativen ihr noch kennt, die politische Aktivität, Eigensinnigkeit und sprachliche Entfaltung beherbergen oder zumindest auf eine solche Tätigkeit vorbereiten.

Vielen Dank an jeden, der sich diese ganze Scheiße durchgelesen hat und mir einen Ratschlag spendiert. =)

Warum muss es denn immer Philosophie sein?
Hi

Sorry aber Philosophie heißt immer „Mir fiel nichts besseres ein“.

Philosophie ist ein Scheiterfach. Nicht weil die Philsophie irgendwie schlecht oder zu nichts nutze sei - ihre Studierenden sind es.

Es gibt eine kleine Anzahl leidenschaftlicher Philosophiestudenten die sich echt reinknien, auch in den trockenen Stoff, und später kreativ genug sind um einen Job damit zu finden, fürgewöhnlich finden sie auch einen.

Ein Großteil der Philosophiestudenten scheitert aber, so sie überhaupt zum Abschluss kommen, weil sie das Fach unterschätzen. „Ja da wird ja nur diskutiert“, pustekuchen. Man braucht Hirn und es gibt jede Menge Ahnenverehrung, das ist nichts für jeden, man muss kreativ sein aber sich auch in vorgefertigte Pfade einfügen können.

Es gibt sooo viele interessante und für den Journalismus relevante Geisteswissenschaften, überleg dir ob es wirklich Philosophie sein muss.

Politik schadet bei Journalismus natürlich nicht.

Bei Geisteswissenschaften zählt aber wie immer: Es geht nicht darum wie der Ruf ist, es geht darum, was du damit machst. Es gibt Leistungsdruck denn in den GW zählt mehr als anderswo die Abschlussnote. Es kommt aber auf deine Flexibilität ein, ob und wo du später einen Job findest.

lg
Kate

Hallo Kate,

ich finde es kühn von dir, Philosophie-Studenten als „scheiternde“ hinzustellen. Klar, viele unterschätzen das Fach völlig. Wenn ich mich entsinne, wie viele entnervt im Laufe der Logik-Vorlesung hingeschmissen haben - die Quote ist tatsächlich recht hoch. Aber was spricht denn dagegen, dass sich der Ursprungsposter mal mit den Inhalten eines Philosophie-Studiums auseinander setzt? Sein Posting klingt auf dem ersten Ohr nicht ganz ‚unintelligent‘. Und klar braucht man keine Philosophie, wenn man Mitarbeiter einer Modezeitschrift werden will. Wenn man aber Qualitätsjournalismus betreiben will oder was auch immer, ist Philosophie keine schlechtere Wahl als eben Politik, Wirtschaft oder Germanistik.

Ich habe übrigens selbst keine Philosophie studiert und finde schon das Buch „Wer bin ich, und wenn ja wieviele“ sehr anspruchsvoll. Ich wäre einer der Scheiterer. Aber das muss ja nicht für den UP gelten.

Und in Politik scheitern auch wahnsinnig viele. Ich fand das Studium leicht. Meine Kollegin fand Philosophie leicht. So kann’s gehen :wink:

Grüße!

1 Like

Hi

Ich weiß nich wo dein Problem liegt, es ist wie ich sagte und ich sagte genau was ich meinte: Es gibt Leute die wissen was sie wollen und mit dem Fach gut zurecht kommen - es gibt aber mindestens genausoviele, eher mehr, die genau dies NICHT tun.

Ich habe nirgendwo behauptet das alle Philosophiestudenten scheitern würden.

Es ist nur so das Philosophie im wahrsten Sinne des Wortes die „erstbeste“ Wahl ist, wenn jemand an „Geisteswissenschaft“ und „möglichst wenig Arbeit“ denkt. Und damit fällt man kräftig auf die Nase.

Du hast natürlich Recht, dass für Philosophie genauso viel spricht wie für jedes andere Fach.
Aber das ist doch genau der Knackpunkt.

Aus dem Posting des OP ging für mich jetzt kein Hinweis hervor der ihn irgendwie für ein Philosophiestudium besonders prädestinieren würde, oder der gezeigt hätte, dass er besonders Philosophieinteressiert ist.

Daher mein Anstoß, sich darüber Gedanken zu machen, ob es wirklich Philosophie sein muss. Es gibt so viele Studiengänge, das ist natürlich sehr unübersichtlich, darum gucken viele gar nicht erst, was so „im Angebot“ ist, und denken an die klassischen Schulfächer (Mathe, Physik, Germanistik, Anglistik, Kunst, Philosophie, Theologie etc.).
Zwischen diesen „core“ Fächern gibt es aber genug Auswahl, die zumindest das Drübernachdenken wert ist.

Philosophie benötigt nunmal viel Energie und Kreativität um darauf was zu machen, denn die Konkurrenz ist groß und man muss sich auch gegen die nicht so glorreichen Philosophie-Absolventen durchsetzen. Sowas funktioniert in der Praxis aber nicht so automatisch, wie man es sich gerne vorstellt.

Der Gedanke beim Fach sollte sein: Was interessiert mich wirklich brennend? Kann ich das mein Leben langmachen?

Und nicht „Mhm irgendwas brauch ich noch dazu, am besten was nicht so stressiges, was machen denn da die meisten…“.

Wenn der UP sich sicher ist, dass Philosophie DAS Fach für ihn ist, hat ihm mein Posting auch nicht weh getan.

lg
Kate

Also ich war in der Schule schon relativ stark philosophisch interessiert und habe das auch nach der Schule privat weiterverfolgt - ebenso in Politik. Darüber mache ich mir keine Sorgen. :wink:

Außerdem nochmal zur Klarstellung: Ich bestehe nicht zwanghaft auf Philo, ich frage nach guten Vorschlägen im Stil von Philo+Poli.

Danke soweit schonmal für die Antworten und Kommentare. =)

Hallo Superjojo,

ich sach ma, da musste durch.

In jedem Fach wirst Du unangenehme Paukerei finden, aber ich halte es für möglich, auch in Jura zu Deine Interessen zu kommen. Schau Dir Inhalte und Profs der Rechtsphilosophie und -geschichte an. Mach Dein Pflichtpensum und vertiefe dort.
Da hast Du gerade als Exot bestimt gute Möglichkeiten später zu promovieren.

Die anderen lass Anwalt und Taxifahrer werden!

Gruß,
Andreas

Moin,

Kurzum: Ich halte dieses beklemmende Gefühl nicht aus, dass
Jura mich in ein kleinkariertes, ödes Durchschnittleben
reitet, aber ich habe auch Angst davor, dass der ungewisse
Pfad durch eine Geisteswissenschaft mich ins Nirgendwo führt.

Hehe, das kommt mir bekannt vor :smile: Als bekennende Weltverbesserin hab ich damals angafangen BWL zu studieren und saß dann neben Anzugträgern mit Aktenköfferchen :smile:

Nach einer sehr politischen Oberstufenzeit wollte ich auch erst Politik oder Soziologie oder ähnliches studieren, aber hatte schnell erkannt, dass es heißt „money makes the world go round“. Wenn ich also wissen wollte, wie die Welt tickt, schien BWL als Studium naheliegend. Dazu kam, dass ich den extrem hohen „Laberfaktor“ in den Geisteswissenschaften grässlich fand und auch keine Lust hatte, am Ende des Studiums Taxi zu fahren oder Professoren stundenlang die Füße zu küssen, um einen Job an der Uni zu ergattern.

Ich wurde durch das Studium nicht enttäuscht und obwohl ich längst nicht mehr als BWLerin arbeite, kommt mir das damals erworbene Wissen immer noch zugute, um zu verstehen, was heutzutage in der Welt so vor sich geht. Tatsächlich war hier das Grundstudium auch extrem öde und dadurch, dass ich an einer FH studiert hab, auch noch sehr verschult. Im Hauptstudium wurde es durch Schwerpunktwahl dann besser.

Ich weiß nicht, wie das in Jura ist, vielleicht ist es dort ja ähnlich. Um das Studium durchzuhalten, brauchst du ein langfristiges Ziel. Das kann alles mögliche sein. Auch Greenpeace braucht z.B. Juristen. Ob es dich in ein kleinkarriertes ödes Durchschnittsleben reitet, liegt ganz bei dir, aber ganz sicher kannst du auch als fertiger Jurist noch Taxi fahren, dafür brauchst du keinen geisteswissenschaftlichen Abschluss :smile:

Was deinen Berufswunsch als Journalist angeht, so solltest du nicht die Augen davor verschließen, dass die meisten Journalisten über so spannende Themen wie Schlaglöcher in Bundesstraßen und die Schweinepest berichten. Willst du höher hinaus, also z.B. interessante Fachartikel schreiben, so brauchst du erstmal Fachwissen. Je nachdem, welche Richtung dir da so vorschwebt, muss Jura keine schlechte Wahl sein.

Mit Philosophie und Politik kannst du dich dann ja auch noch in deiner Freizeit beschäftigen. Sollte es aber dennoch Philosophie werden, such dir die Uni gut aus. Für mich käme da derzeit nur die Uni Mainz in Frage, zumindest solange Thomas Metzinger dort lehrt.

Gruß
Marion

Hallo!

Es ist nur so das Philosophie im wahrsten Sinne des Wortes die
„erstbeste“ Wahl ist, wenn jemand an „Geisteswissenschaft“ und
„möglichst wenig Arbeit“ denkt. Und damit fällt man kräftig
auf die Nase.

Dieser „Fakt“ scheint regional sehr unterschiedlich zu sein. Ich habe noch nie einen Menschen getroffen, der Philosophie studiert hat und dies nicht auch hätte schaffen können. (Die Tochter meiner Ärztin hat mit einem Abi von 1,0 Philosophie studiert. Alle in ihrem Umfeld meinten immer: „Kannst du nicht was richtiges machen? Was mit Aussicht?“ - an der schwere des Studiums hat keiner gezweifelt)
Ich stimme dir zu, dass es viele gibt, die es auf Lehramt machen (resp. Ethik) und dann daran scheitern, dass da eben auch ziemlich viel dabei ist, was man im Schulunterricht nicht gemacht hat. Wobei ich ja sagen muss, dass mich Wittgenstein, Freud, Nitzsche und Co. schon immer überfordert haben :wink:

Glaube mir, es fangen tausend Mal mehr mit Germanistik an und scheitern, wobei ich bis heute nicht verstehe woran :wink:

Der Gedanke beim Fach sollte sein: Was interessiert mich
wirklich brennend? Kann ich das mein Leben langmachen?

Das sollte immer der Gedanke sein. Wobei dieses „Kann ich das ein Leben lang machen?“ schon eher relativ ist. Gerade wenn man Magister studiert, hat man doch am Ende häufig recht wenig direkt mit dem studierten Fach zu tun, außer man bleibt an der Uni.

Grüße!

P.S.: Du hast eine sehr interessante Vita. Beeindruckend. Vielleicht können wir ja auf Norwegisch weiter schreiben :wink:

Danke Pendragon, eine sehr interessante Antwort.

Hm, im Kern sagst du ja, dass all diese Wege einerseits im Sande verlaufen und andererseits ans Ziel kommen können. Ich spüre halt, dass ich gerne etwas über die Menschen, ihre Triebe und die daraus resultierende Ordnung lernen würde - Jura hängt an den Lippen des Gesetzestextes und wendet an, aber deutet nicht. Zumindest ist das bei mir bisher so.

Ich weiß nicht recht, ich hätte gerne eine viel lebendigere und tiefgehendere Ausbildung über das, was in der Welt geschieht, aber wenn man nicht über genannte Schlaglöcher räsonieren möchte, muss man viel bieten - ich habe Schiss, dass Philo und Poli da zu außenseitermäßig sind und nur das trockene, aber angesehen Brot Jura mir hier die Pforten öffnet.

Vielleicht sind meine Ängste in all diese Richtungen auch viel zu extrem und ich sollte die Schattierungen sehen lernen, Jura muss nicht in die Öde führen und Philo nicht die belächelte Spinnerecke.

Ich weiß nur eines sicher: Jura beantwortet mir nicht die Fragen über unsere Welt und warum sie so ist, die mich interessieren. Bei allem anderen sagt mir jeder „So extrem ist es nicht“ und deshalb wage ich kaum noch, mir da ein Urteil zu erlauben - und das verunsicher ungemein.