liebe anja,
auch wenn du im grunde recht hast, dass die beschneidung eine sicherung der macht darstellt und auch auf die gefahr hin, dass ich von den frauen im brett eins auf den deckel bekomme, möchte ich doch dazu auffordern, ein bißchen differenzierter hinzusehen.
Die Beschneidung dient der Sicherung der Macht, indem „man“
sich durch „Beschneidung“ (sprich: Entfernung) von Schamlippen
und vor allem: Klitoris Überlegenheit verschafft insofern, als
dass „frau“ keinerlei Lustempfinden mehr hat
es gibt diverse formen der beschneidung und nicht alle bestehen aus dem entfernen von schamlippen und klitoris sowie dem auf- und zunähen (pharaonische beschneidung). und auch nicht jede beschneidung bedeutet den verlust des lustempfindens. in weiten teilen der welt wird beispielsweise „nur“ die vorhaut der klitoris beschnitten. das heißt, dass die frauen sehr wohl lust verspüren können.
wie dies bei kulturellen systemen und systemen der macht so ist, tragen unter anderem die frauen diese fürchterliche tradition im wesentlichen mit. so sind es zumeist ältere frauen, die die beschneidung vornehmen und es sind oft frauen, die am stärksten gegen maßnahmen der eindämmung der beschneidung protestieren.
da nicht-beschnitten-sein in den entsprechenden gesellschaften eben auch heißt, keine richtige frau zu sein, nicht attraktiv zu sein und somit auch keinen ehemann abzubekommen, wünschen sich die älteren frauen für ihre töchter und enkelinnen die beschneidung. das problem ist nicht einfach mit einem verbot getan. eben weil es sich um ein system handelt.
Wieso geht Frau aber in westlicher Kultur hin und piercet sich
sämtliche und auch genitale Körperstellen, was ähnliche
Effekte erzielen könnte.
Das ist in keinster Weise vergleichbar. Die gepiercte Frau
wünscht sich eine Optimierung ihrer sexuellen
Anziehungskraft…
natürlich ist das piercen nicht mit der genitalverstümmelung vergleichbar. fragwürdig ist aber dennoch die bereitschaft von menschen, dauerhafte eingriffe in ihren körper vornehmen zu lassen, um schönheitsidealen zu genügen und/oder den männern zu gefallen (welche unglaubliche macht haben denn da die männer?!) dabei denke ich nicht nur ans piercen, sondern auch an schönheitsoperationen, spitze, hochhackige schuhe, die zu verformungen der knochenstellung im fuß führen, zu kurze röcke, die zu blasenentzündungen führen und und und. da ist der schritt zu den eingewickelten füßchen der chinesinnen im vorigen jahrhundert (11 cm große füße galten als groß! der fuß wurde mehrfach gebrochen und bandagiert!) oder den verlängerten hälsen der ndebele-frauen und palaung nicht weit.
allerdings gibt es solche körperverstümmelungen auch auf männlicher seite wie das zurechtfeilen der zähne bei dajaks in borneo und südamerikanischen indianern oder das raushebeln von schneidezähnen bei maasai und kipsigis in ostafrika.
also, nochmal um das klarzustellen: ich verurteile die weibliche beschneidung und sehe auch, dass es sich um einen machtmechanismus handelt. ich denke nur, dass die eingangs gestellte frage nicht nur absurd ist!
grüße
burkhard