Pilgerreisen im Buddhismus

Hallo!
Ich habe schon gegoogelt, aber trotzdem habe ich Probleme mit dieser Szelle in einem Roman:
„Ich bin auf einer Pilgerreise/Wallfahrt.“ - „Bist du ein heiliger Mann?“ - „Nein, nur ein Wandernder.“ - „Wie kannst du auf einer Pilgerreise sein, wenn du kein heiliger Mann bist?“ - „Ich denke, Pilgerreisen dienen dazu, einen Menschen heiliger zu machen.“

Hmmm. Muss man ein „heiliger Mann“ sein, um auf eine Wallfahrt zu gehen? Und soll man auf dieser Reise nicht zu einer anderen Weltsicht und Erleuchtung finden, aber „heilig“ …?

Vielleicht kann mir hier jemand kurz und für den Laien verständlich eine Erläuterung dazu geben.

(Die Frage steht im Zusammenhang mit einer Übersetzung, deshalb genügt mir auch eine „oberflächliche“ Auskunft. Ich will aber vermeiden, etwas grundsätzlich Falsches zu schreiben.)

Gruß,
Eva

Noch mehr Fragen:
Wirklich, ich habe gegoogelt, über thailändische Tempel, Leben und Tagesablauf der Mönche, aber es sind noch Fragen offen:
Sind thailändische buddhistische Klöster Orte politischer und weltanschaulicher Diskussionen?
Gibt es regelrechte Debattierkreise unter den Mönchen?
Ich dachte, es ginge in den Wats eher um innere Einkehr?

Gruß,
Eva

Ich nehme an, dass es um eine Übersetzung aus einer Fremdsprache ins Deutsche geht. Hilfreich für die Deutung des vom Autor Gemeinten wäre also ein Zitat des Originaltextes.

Zur Frage:

Natürlich muss ein buddhistischer Pilger nicht „heilig“ sein, um ein Recht auf Pilgerschaft zu haben. Voraussetzung ist vielmehr, dass er oder sie den Weg mit der angemessenen inneren Einstellung geht. Diese besteht, nach buddhistischer Auffassung, im ´Glauben´ (saddha) an die sog. „Drei Juwelen“ Buddha, Dhamma (buddhistische Lehre) und Sangha (Gemeinschaft der Buddhisten).

Zu verstehen ist das nicht als blinder Glaube (insofern ist die dt. Übersetzung irreführend), sondern als ein auf Überzeugung beruhendes Vertrauen. Ein Effekt dieser Einstellung ist nach buddhistischer Auffassung die Reinigung des Geistes von un-moralisch/ethischen Neigungen.

Mit „Heiligkeit“ hat das aber, wie gesagt, nichts zu tun.

Chan

Hallo, Chan!
Vielen Dank! Ich habe Dir privat geantwortet, mit etwas mehr Kontext.
Gruß,
Eva

Folgende Interpretation des Originaltextes erscheint mir ohne Kenntnis des weiteren Zusammenhangs am wahrscheinlichsten: Die Frau spürt, dass der Mann seine erste Antwort nicht ernst meint, und stellt sein Verständnis auf die Probe. Seine Antwort bestätigt ihren Verdacht, dass sein Wissen nur oberflächlich ist. Die „andere Bedeutung“, über die sie ihn dann belehrt, soll ihm den wahren Sinn der Pilgerschaft erschließen. Sie entspricht genau dem, was ich oben etwas umständlicher als die Frau so formulierte:

Mit „heilig“ ist im Kontext buddhistischer Pilgerschaft, sofern ein Sanskritausdruck dafür verwendet wird (es gibt mehrere), entweder „Vollkommenheit“ gemeint oder, nicht ganz so anspruchsvoll, ein Leben nach den Prinzipien des Achtfachen Pfades zu führen, also ein „heilsames“ Leben.

In der englischen Übersetzung von Dhammapada 20 ist an einer Stelle von einem „Heiligen Leben“ die Rede. Diese Stelle wird in der deutschen Version mit „in unserem Orden“ übersetzt. Beides kombiniert weist auf die Heilsamkeit des Lebens in der buddhistischen Gemeinschaft hin (auf der Grundlage des Achtfachen Pfades). Welche Übersetzungsversion näher am Original ist, kann ich aufgrund mangelnder Sanskritkenntnisse nicht beurteilen, ich vermute aber, es ist die englische. Die Sanskritversion habe ich auch zitiert.

Chan

20
Even if he does not quote appropriate texts much, if he follows the
principles of the Teaching by getting rid of greed, hatred and delusion,
deep of insight and with a mind free from attachment, not clinging to
anything in this world or the next–that man is a partner in the Holy Life.

19
Wer, ohne fromm zu sein, viel fromme Verse spricht,
Ist einem Hirten gleich, der fremdes Vieh verhandelt;
Er ist kein rechter Mönch, zu uns gehört er nicht.
20
Wer wenig Verse weiß, doch nach der Lehre wandelt,
Von Gier und Haß und Wahn in Weisheit frei geworden,
Nicht hier, nicht dort mehr hangt, gehört in unsern Orden.

Sanskritfassung (ohne Gewähr):

Yamakaappam pi ce sahitaṁ bhāsamāno,
dhammassa hoti anudhammacārī,
rāgañ ca dosañ ca pahāya mohaṁ,
sammappajāno suvimuttacitto,
anupādiyāno idha vā huraṁ vā,sa bhāgavā sāmaññassa hoti.

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Nachtrag:

Ich habe die Stelle gerade im größeren Zusammenhang gelesen. Die auf den Dialog folgenden Passagen zeigen, dass der Prota null Verständnis des Sinns einer Pilgerschaft hat, da er sie mit materialistischen Zielen verbindet.

Unverständlich ist mir nun doch der erste Teil des letzten von dir gemailten Dialogsatzes (im Original vor einem Gedankenstrich). Inwiefern das eine vom anderen „weggewischt“ werden kann, erschließt sich mir nicht. Vielleicht ein Tippfehler?

Chan

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Siehe

http://www.oxfordbibliographies.com/view/document/obo-9780195393521/obo-9780195393521-0024.xml

Chan

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Ich habe beim Recherchieren im Netz irgendwo gelesen, dass es in einer Spielart des Buddhismus die Auffassung gibt, die Absicht macht die Tat. Wenn ich mich recht entsinne, ist eine Tat als gut oder schlecht zu bewerten, nach dem Gedanken, der dahinter steht. Mag sein, dass ich das falsch verstanden habe, aber es ähnelt dieser Aussage „sin from evil“. Sie wäre dann im Sinne von „Läuterung“ zu verstehen. Berichtige mich, wenn ich Unsinn rede :wink:

Dass die Frau eine belehrende Funktion hat, erscheint mir unwahrscheinlich, nach meiner Auffassung müsste der Dialog dann anders aussehen. Aber das ist nur my humble opinion und hat in der Übersetzung nichts zu suchen.
Danke für Deine Hilfe. Besonders der Link zur Tradition des Debattierens war sehr nützlich.

Gruß,
Eva

In meiner Fassung ist kein Gedankenstrich …

Hallo,

wenn nach einem „heiligen Mann“ gefragt wird, so ist im buddhistischen Kontext in aller Regel (solche Regeln werden von Übersetzern allerdings auch schon einmal ignoriert) damit ein ariya (Pāli) bzw. ārya (Skt.) gemeint - was mit „Weiser“, „Würdiger“ oder „Edler“ mE deutlich besser übersetzt ist, da dies falsche (christliche) Konnotationen vermeidet. Gemeint ist jemand, der im Theravada-Kontext zumindest die unterste Stufe des Erwachens / der Erleuchtung, den sog. Stromeintritt sotāpatti, erfahren hat. Die klassische Definition des sotāpanna (Stromeingetretenen) findet sich im Palikanon in SN 55.30. Im Mahayana-Kontext handelt es sich um einen Bodhisattva mit vergleichbarer „Qualifikation“.

Im Gegenteil (auch, wenn beide Übersetzungen nicht allzuviel taugen). „sa bhāgavā sāmaññassa hoti“ heisst in etwa wörtlich: „er teilt die Wohltaten des Lebens als samaṇa“. Von „holy“ steht da nichts. Ein samaṇa ist ein Asket, hier sicherlich in der Bedeutung buddhistischer Asket gemeint. Das „teilen“ deutet an, dass er als Asket kein Einzelkämpfer, sondern Angehöriger der buddhistischen Gemeinschaft (saṅgha) ist - was nicht notwendig „Mönch“ (bhikku) und „Orden“ bedeutet. Zwar ist jeder bhikku ein samaṇa, aber nicht jeder samaṇa ein bhikku. Hier liegt also auch der deutsche Übersetzer falsch. Wobei der Begriff samaṇa auch für nichtbuddhistische Asketen Verwendung findet, dann zumeist mit kennzeichnenden Hinzusetzungen (z.B. samaṇabrāhmaṇā bei einem Anhänger des Brahmanismus).

Die von Dir zitierte „Sanskritfassung“ ist übrigens keine, sondern es handelt sich vielmehr um Pāli. Das erste Wort in dem Zitat muss außerdem „appam“ (nicht „Yamakaappam“) lauten, Yamaka („Paare“) ist nur der Titel des 1. Abschnitts des Dhammapada (śloka 1-20). Der letzte Vers des zu śloka 20 gehörenden śloka 19 (damit es auch tatsächlich ein Paar gibt) ist übrigens lediglich die Verneinung desselben Verses: na bhāgavā sāmaññassa hoti.

Beide Übersetzungen sind recht frei und nur sinngemäß - wobei die zitierte englische Übersetzung von John Richards sich mit „Holy Life“ eine besondere Freiheit herausnimmt. Die mE derzeit beste englische Übersetzung (weil nahe am Originaltext), die ich kenne, ist die von Thanissaro Bhikku. Er übersetzt „he has his share in the contemplative life“ (śloka 20) bzw. „he has no share in the contemplative life“ (śloka 19).

Freundliche Grüße,
Ralf

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Hallo Eva,

nein. Wenn man auf einer Pilgerfahrt ist, dann ist man ein „heiliger Mann“. Immer vorausgesetzt, es handelt sich um eine echte Pilgerfahrt. Ist man kein „heiliger Mann“, dann ist die Pilgerfahrt auch keine wahre …

Ich kenne den Kontext Deines Buches nicht - aber es ist vielleicht sinnvoll (und speziell für Dich interessant), sich etwas über das Ur- und Vorbild buddhistischer Pilger in China kundig zu machen, Xuanzang. Dessen „Pilgern“ diente nicht touristischer Neugier und nicht einmal persönlichem spirituellen Fortkommen (allenfalls als „Abfallprodukt“) , sondern der Vermittlung tieferer Kenntnisse der buddhistischen Lehre nach China. D.h. er brachte etliche hundert Lehrtexte von seiner Reise mit und machte sich dann an deren Übersetzung. Seine Fertigkeiten auf diesem Gebiet waren so bahnbrechend, dass man chinesische Übersetzungen buddhistischer Texte grob in zwei Gruppen einteilen kann: vor und nach Xuanzang. Vor allem in China ist daher das Verständnis von buddhistischer „Pilgerschaft“ untrennbar mit Xuanzang als „role model“ verbunden.

Zu dem Begriff „heilig“ verweise ich auf meine Replik an Chan.

Freundliche Grüße,
Ralf

Weite Kreise des buddhistischen Mönchsordens sind durchaus an politischen Fragen interessiert - in Sri Lanka und Myanmar noch mehr als in Thailand. Insbesondere der höhere Klerus (bei Christen würde man von Prälaten sprechen) scheut sich nicht, auch massiv politischen Einfluss zu nehmen. Meistens ist das nicht sonderlich heilsam oder gar „heilig“ - also nicht viel anders als bei uns.

Natürlich setzt das auch einen politischen Diskurs unter den Mönchen (zumindest unter denen, die meinen, sie müssten etwas zu sagen haben) voraus.

Freundliche Grüße,
Ralf

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