Pläne Macron´s - ist jemand überrascht?

Guten Abend,
wie unerwartet - kaum ist die Wahl in D vorüber fordert Frankreich einen gemeinsamen EU-Haushalt (was man mit „Deutschland soll zahlen“ übersetzen kann). Merkel findet es natürlich gut…

Wer hätte das gedacht?

Gruß
Desperado

Hallo!

Herr Macron ist keineswegs Urheber der präsentierten Ideen. Die sind nämlich schon ziemlich betagt, aber dennoch vernünftig. Z. B. Militär. Wozu brauchen (fast) alle EU-Staaten eigenes Militär? Das kann man gemeinsam, kostengünstiger und effizienter haben. Zwar wird stets betont, es handele sich nicht um Konkurrenz zur oder womöglich um einen Ersatz der Nato, aber längerfristig könnte es darauf hinaus laufen. Europa hat nun mal eigene und nicht zwangsläufig mit den USA identische Interessen. Das sollten wir seit Bush jun., spätestens seit Trump begriffen haben. Aber auch schon vorher. Immerhin bombardiert US-Militär weitgehend nach Gutdünken vor der Haustür Europas herum und ist für einen Teil des Zuwanderungsdrucks auf Europa mindestens mitverantwortlich. Dabei liegt die von Herrn Trump angepeilte Obergrenze der von den USA aus allen Erdteilen zusammen aufzunehmenden Flüchtlingen bei 45.000 per anno - ungefähr so viele wie in Spitzenzeiten allein in D binnen 2 Wochen aufschlugen. Die Herrschaften in Washington lassen ihren Machtinteressen freien Lauf, fördern saudische Fundamentalisten und Europa kümmert sich um die Folgen. Passt irgendwie nicht.

Um dem Blödsinn seit einem halben Jahrhundert gewohnter Antiamerikanismus-Vorwürfe vorzubeugen: Ich habe (in Grenzen) Verständnis für amerikanische Machtinteressen, wenngleich sie zuweilen jenseits der Ratio liegen. Wir müssen zur Kenntnis nehmen, dass die USA aus ihrer Sicht legitime Politik und Machtpolitik betreiben. Das stelle ich ohne jeden Vorwurf fest. Wer aber glaubt, dass US-Interessen in jedem Fall deckungsgleich mit europäischen Interessen sind, ist ein weltfremder Narr. Die Interessen sind schon qua geographischer Lage - der Unterschied lässt sich nicht wegdiskutieren - verschieden.
Von daher ist die Zeit (über-) reif, dass sich Europäer aus der Situation befreien, die sie einst zum Spielball und zum Puffer zwischen zwei Machtblöcken machte. America first - ist ok. Aber dann bitte auch mir san mir.

Wirtschaft: Etliche Staaten der EU haben eine gemeinsame Währung und eine gemeinsame Zentralbank. Aber ein gemeinsames Wirtschaftsministerium gibt es nicht. Wie geht das denn? Passt gar nicht.

Kein vernünftiger Mensch wird je versuchen, den Kölner Karneval in Hamburg zur Pflicht zu machen, die Wiesn in Schleswig-Holstein stattfinden zu lassen, das Dirndl in Mecklenburg einzuführen und die Schaffermahlzeit von Bremen nach Stuttgart zu verlegen. Wir haben alle unsere regionalen Eigenheiten, wie auch Menschen in den Niederlanden anders gestrickt sind als EU-Bürger aus Lappland oder Malta. Es geht beim Zusammenrücken nicht um die Aufgabe regionaler oder nationaler Identitäten. Andererseits geht aber auch ein bisschen schwanger nicht. Gemeinsame Regeln bei Produktion und Handel von Waren, gemeinsame Währung, aber keine gemeinsame Wirtschaftspolitik ist wie Kopulation ohne Geschlechtsverkehr, funktioniert nicht so richtig.

Zu kurz und daneben gesprungen.

Gruß
Wolfgang

Ähhh … ich.

Macrons Termin war lange Zeit geplant. Es geht das Gerücht um, dass er eine Koalition der CDU mit der FDP bereits vor der Wahl befürchtete, weil er mit seinen Plänen dann sicher nicht durchkäme.

Wobei der Anteil „europäische“ Staatsanwaltschaft (etwa wie Generalbundesanwaltschaft) durchaus sehr viel Sinn macht. Die paar Millionen kann man locker machen und sie wären sehr gut investiertes Geld.

Es geht weniger darum, ob sie die Eigenständigkeit benötigen, sondern warum sie sie nicht abgeben können oder wollen.

Dabei spielen tls. wirtschaftl. Gründe eine Rolle als auch rein verfassungsrechtliche. Es ist nicht vorstellbar, dass bspw. Linke oder Grüne (aber auch andere) das Recht auf den Einsatz abgeben. Dieses Recht steht nur dem Parlament zu. Eine Verfassungsänderung wäre nötig.

Oder sollen etwa erst einmal Parlamente von xy EU-Staaten, bei denen der Parlamentsvorbehalt ebenfalls besteht, zustimmen müssen, bevor dann das EU-Parlament, der EU-Rat oder gar die Kommission die Letztzustimmung gibt?

IMHO sind daher solche Versuchsballons wie die dt.-fr. oder dt.-niederl. Brigaden auch nicht über Einzelfälle hinausgegangen. Ausserdem würde es Jahrzehnte dauern, die nationalen Kommandostrukturen zu vereinheitlichen. Die NATO hat bereits mit ihrer Vielfältigkeit in diesen Belangen zu ringen.

Bei Großprojekten wie bspw. dem Eurofighter gibt es ja schon eine Zusammenarbeit. Aber eine ineffiziente, weil jeder seinen nationalen Investitionsanteil in Form von Arbeitsplätzen zurückhaben will. Daher werden einzelne Bauteile quer durch Europa transportiert, was alles andere als wirklich effizient ist. Der Teufel steckt im Detail.

Wobei ich sehr für eine Effizienzsteigerung gerade in der Rüstungsbeschaffung wäre. Die geht aber auch mit einer projektbezogenen Konzentration der Fertigung einher. Panzer in A, Schiffe in B, Flugzeuge in … usw. usf.

Du hast Obama vergessen, der abgesehen von viel warmen Worten ebenfalls US-Politik machte und wenig Rücksicht auf Europas Interessen nahm. Oder eben Nichtpolitik („rote Linie“ Chemiewaffeneinsatz in SYR, gänzliche Untätigkeit gegenüber Nordkorea).

Unsinn. Die haben mitgeholfen weite Gebiete in SYR und Irak wieder zu befreien. Damit haben sie auch mitgeholfen, dass ein ganz erheblicher Teil der Flüchtlinge zumindest wieder in die Staatsgebiete zurückkehren konnte, wenn auch u.U. noch nicht an den ehemaligen Wohnort.

Wobei die USA nach wie vor ein quotengesteuertes Einwanderungsland sind und Zuwanderung (auch von qualifizierten Flüchtlingen) bereits über diese Schiene möglich ist.

Wo bleibt Deine Kritik an der Flüchtlingspolitik von Frankreich?

Da stimme ich absolut mit Dir überein.

Hier ebenso. Bis auf die Einschränkung auf Bayern. :smirk:

Die Wirtschaftspolitik wird bereits über die gemeinsamen Regeln des EU-Vertrags und der Richtlinien gemacht. Ein eigenes Ministerium ist daher völlig obsolet. Was sollte es überhaupt regeln?

Nee, natürlich ist von Macron der Zugriff auf die Steuergelder anderer Staaten gemeint. Ebenso die Abkehr von den Maastricht-Kriterien, die Frankreich seit vielen Jahren nicht einhält. Und auch auf absehbare Zeit nicht wird einhalten können, weil die Franzosen nichts von ihren fast schon staatssozialistischen (Über)rechten aus den 70ern beschneiden wollen. Weil Macron diesen Widerstand wahrscheinlich nicht wird brechen können, tritt er mit viel Pathos und Geschwurbel auf grosser Bühne die Flucht nach vorne an.

Dafür gibt es Beifall und warme Worte von bspw. der Kanzlerin. Die aber nicht substanziell und nicht ernst gemeint sind. Tatkräftige (finanzielle) Unterstützung wird Macron eher nicht erhalten. Das kriegt auch Mutti derzeit nicht durch.

Gruß
vdmaster

Hallo!

Auf Anhieb sträubt sich in mir alles beim Gedanken daran, dem Bundestag bezüglich Einsatz der Streitkräfte irgendwas wegzunehmen.

Andererseits: Im Inneren wird die Bundeswehr außer gelegentlich zum Sandsäckefüllen und Schneeräumen nicht eingesetzt. Zur Landesverteidigung, zum Schutz vor Wikingern oder anderen einfallenden Horden wird die BW nicht gebraucht. Den ursprünglichen Zweck der Bundeswehr gibt es nicht mehr. Militärische Einsätze finden nur noch außerhalb Deutschlands statt und das auch nur zusammen mit Streitkräften anderer Staaten. Eigene Feldlager sehe ich nicht als isolierten Einsatz deutscher Streitkräfte.

Dabei ist aus Kostengründen schwer einsehbar, wozu die Streitkräfte der EU-Staaten jede für sich ein eigenes breites Arsenal militärischer Fähigkeiten brauchen und parallel unterhalten. Gegen Arbeits- und Aufgabenteilung sprechen nur Sperren in den Köpfen. Wenn man aber zur Arbeitsteilung kommt, ist man damit gegenseitig aufeinander angewiesen und Einsatzentscheidungen eines einzelnen Parlaments in einem EU-Staat werden sinnlos. Man kann nur gemeinsam entscheiden. Ist wohl noch ein weiter Weg und in absehbarer Zeit nicht mit allen EU-Staaten zu realisieren.

Gruß
Wolfgang

Eine europäische Zusammenarbeit auf verschiedenen Ebenen finde ich sinnvoll, z.B. beim Grenzschutz und in gewissen Rahmen auch beim Militär - aber eine Umverteilung wie sie derzeit zwischen den deutschen Bundesländern stattfindet auf EU-Ebene einzuführen ist nicht gerade im Interesse der Bürger Deutschlands.

Wir werden ja sehen ob Deutschland in ein paar Jahren netto mehr oder weniger an die anderen EU-Staaten zahlen muss - wobei ich es für sehr unwahrscheinlich halte dass sich dieser Betrag nicht erheblich erhöhen wird.

Mir ist auch klar dass eine gemeinsame Währung ohne Umverteilung keinen Sinn ergibt - deshalb war ich auch schon lange vor der Einführung gegen den Euro weil es eben nicht funktioniert wirtschaftlich heterogene Länder eine Währung über zu stülpen ohne dass es wirtschaftliche Probleme (oder eben Umverteilung) gibt.

Die Gemeinschaftswährung war die Voraussetzung für die französische Zustimmung zur dt. Wiedervereinigung. Es gab - geschichtlich verständlich - Vorbehalte gegen einen nicht sehr fest in Europa eingebundenen Machtblock.

Gruß
Wolfgang

Ein schöner Kommentar zu Macrons Plänen

Eine Umverteilung findet doch schon lange über den gemeinsamen EU-Haushalt statt (Nettozahler/-empfänger). Und ebenso („verdeckt“) über die Geldpolitik der EZB. Nur will Macron das Ausmaß der Umverteilung mit dem Faktor X multiplizieren und auch die Möglichkeite einführen, dass ein europäisches Finanzministerium eigene Steuern eintreiben kann.

[Ausnahmesweise gekennzeichnet: ironie an]
Man darf davon ausgehen, dass es im europ. Parlament eine sehr große Mehrheit für den Vorschlag gäbe, den Besitz von Deutschlandfahnen massiv zu besteuern.
[ironie aus]