Politiker und ihre verfassungswidrigen Einkommen

Die verfassungswidrigen Schatteneinkommen unserer Politiker - bedauerlicherweise hört man darüber nur sehr wenig bis gar nichts. Warum die Medien dieses Thema so schnell abhakten, obwohl hier ein tatsächlicher Verfassungsbruch begangen wurde, erscheint besonders merkwürdig, denkt man an die umfassende Berichterstattung zu diesem „Schmierentheater“ kürzlich im Bundesrat, als von einem möglichen Verfassungsbruch gesprochen wurde.

Im Bundestag und den 16 Landtagen besitzen ungefähr die Hälfte aller Politiker neben einem Regierungs- auch ein Abgeordnetenmandat. Obwohl sie eigentlich nur einem Mandat nachgehen können, kassieren für beide Bezüge. Das ist verfassungswidrig, doch statt nun auf das Geld zu verzichten, sollte das illegale Einkommen durch eine Reform legalisiert werden (s. http://www.spiegel.de/politik/deutschland/0,1518,929…). Übrigens ist dies ein Vorgang, der schon des öfteren in Landtagen beobachtet werden musste, wenn Politiker auf ihre ungesetzliche Einkommen verzichten sollten; stattdessen wollte man die entsprechende Landesverfassung ändern. (Hier zeigt sich, dass sich die Übermacht der beiden „Volksparteien“ geradezu diktatorisch auswirken kann, besitzen sie doch zusammen meist eine Zwei-Drittel-Mehrheit, mit der sie eine Verfassung ändern können. Und wenn es um das Geld - um ihr Geld - geht, halten sie trotz sonstiger Schlammschlachten zusammen.)

Prof. Hans Herbert v. Arnim hatte schliesslich in „Politik Macht Geld“ (2001, Droemer, ISBN: 3426775573 Buch anschauen) diesen Missstand über die Schatteneinkommen publik gemacht.
   Sehr empfehlenswert ist auch ein neues Buch von ihm: „Das System - Die Machenschaften der Macht“ (2001, Droemer, ISBN: 3426272229 Buch anschauen), in dem es um die allmähliche Beseitigung der Demokratie durch die politische Klasse geht.

Schade, dass die meisten Medien solche Kritik unter den Tisch fallen lassen und lieber unverbindliche Wahlversprechen, blendendes Lächeln und Händeschütteln als politische Information verkaufen.

Marco

Hallo Marco,

der SPIEGEL-Artikel, auf den Du verweist, stammt vom 12. September 2000. Er ist leider nicht sehr tiefgehend…

Am 14. September desselben Jahres hat die „Expertenkommission zur Neuordnung der Bezüge von Mitgliedern der Landesregierungen in Bayern und Nordrhein-Westfalen“, die im Übrigen von den Regierungschefs der beiden Länder selbst eingesetzt worden ist, bereits ihren Ergebnisbericht veröffentlicht, der vorschlägt, dass konsequent Privilegien bei Besoldung und Versorgung von Ministerpräsidenten und Ministern abgeschafft werden sollen. Die Kommission sieht diese Möglichkeit vor allem in der Loslösung der Aktivbezüge der Regierungsmitglieder aus der Beamtenbesoldung und ihre Angleichung an Unternehmensbezüge.

Die verfassungswidrigen Schatteneinkommen unserer Politiker -
bedauerlicherweise hört man darüber nur sehr wenig bis gar
nichts.

Die Einkommen beispielsweise der Abgeordneten im Bundestag müssen diese offenlegen. Wie sich diese zusammensetzen dürfen, kannst Du auf der Homepage des Bundestages nachlesen.

Warum die Medien dieses Thema so schnell abhakten,
obwohl hier ein tatsächlicher Verfassungsbruch begangen
wurde, erscheint besonders merkwürdig, denkt man an die
umfassende Berichterstattung zu diesem „Schmierentheater“
kürzlich im Bundesrat, als von einem möglichen
Verfassungsbruch gesprochen wurde.

Da gibt es sicherlich mehrere Möglichkeiten, warum subjektiv gesehen Medien weniger hierüber berichten. Einerseits gibt es vielleicht nicht allzu Spektakuläres darüber zu berichten, andererseits verlangt derlei Thema genau und tiefgründige Recherche. Mit Schlagzeilen à la BILD kommt man da nicht unbedingt weit. Aber ich würde nicht alle „Medien“ in einen Topf werfen…

Über das „Schmierentheater“ im Bundesrat und den von Dir suggerierten Verfassungsbruch sind sich noch nicht einmal Verfassungsschützer einig; denn es gibt keinen Präzedenzfall dazu. Aber bald ganz sicher, wenn sich das BVerfGericht damit befasst hat.

Im Bundestag und den 16 Landtagen besitzen ungefähr die Hälfte
aller Politiker neben einem Regierungs- auch ein
Abgeordnetenmandat.

Woher hast Du diese Zahl? Und welche Abgeordneten wären das.

Obwohl sie eigentlich nur einem Mandat
nachgehen können, kassieren für beide Bezüge.

Das ist nicht gestattet.

Das ist
verfassungswidrig,

Nicht ganz, aber gesetzwidrig.

doch statt nun auf das Geld zu verzichten,
sollte das illegale Einkommen durch eine Reform legalisiert
werden (s.
http://www.spiegel.de/politik/deutschland/0,1518,929…).

Die Dienstrechtsreform ist meines Wissens längst durch, ich glaube, letztes Jahr war das.

Übrigens ist dies ein Vorgang, der schon des öfteren in
Landtagen beobachtet werden musste, wenn Politiker auf ihre
ungesetzliche Einkommen verzichten sollten; stattdessen wollte
man die entsprechende Landesverfassung ändern. (Hier zeigt
sich, dass sich die Übermacht der beiden „Volksparteien“
geradezu diktatorisch auswirken kann, besitzen sie doch
zusammen meist eine Zwei-Drittel-Mehrheit, mit der sie eine
Verfassung ändern können. Und wenn es um das Geld - um ihr
Geld - geht, halten sie trotz sonstiger Schlammschlachten
zusammen.)

Ein mutiger Schluss, der praktisch auf die gesamte Gesellschaft, also auch auf Dich und mich zutreffen dürfte.

Schade, dass die meisten Medien solche Kritik unter den Tisch
fallen lassen und lieber unverbindliche Wahlversprechen,
blendendes Lächeln und Händeschütteln als politische
Information verkaufen.

Die Medien veröffentlichen vor allem das, was der Leser/Hörer vermeintlich auch lesen/hören will…

Viele Grüße
Jana

Hallo Jana!

der SPIEGEL-Artikel, auf den Du verweist,
stammt vom 12. September 2000. Er ist leider
nicht sehr tiefgehend…

Stimmt. Ich finde es bedauerlich, diesen Artikel nicht schon früher entdeckt zu haben - denn diese Kommission und Hans Herbert v. Arnims Protestaustritt daraus waren mir entgangen -, und ich muss mal schauen, ob sich weitergehende Artikel finden. Hm, ob der „Focus“ kritisch darüber berichtet hatte, da doch deren Chefredakteur - warum auch immer - ebenfalls in dieser Kommission war? ;o)

Die Einkommen beispielsweise der Abgeordneten im
Bundestag müssen diese offenlegen. Wie sich diese
zusammensetzen dürfen, kannst Du auf der Homepage
des Bundestages nachlesen.

„Wie sie sich zusammensetzen dürfen…“ - so, wie sie es gehandhabt hatten, durften sich die Einkommen aber nicht zusammensetzen.
   Ich weiss nicht recht, wie ich es in Worte greifbar machen kann, ausser dass ich wiederum sage, dass es einen Unterschied gibt zwischen dem, was auf Papier steht, und was in der Praxis geschieht. So ist eigentlich untersagt, dass Parlamentarier einen kleinen Teil ihrer Diäten an die Partei zahlen („Parteiensteuer“), und somit zur Parteienfinanzierung beitragen. Offiziell geschieht das natürlich nicht, weil es ja nicht erlaubt ist, aber inoffiziell passiert es eben doch. Die Parteien haben dafür ein einfaches Druckmittel: entweder du zahlst in die Parteikasse ein, oder du wirst das nächste Mal nicht mehr in der Wahlliste aufgestellt. (Nachzulesen in einem der Bücher von H.H. v. Arnim, aber frag’ mich jetzt nicht, welches. Wahrscheinlich „Die Partei, der Abgeordnete und das Geld“, 1996, Droemer.)

andererseits verlangt derlei Thema genau und
tiefgründige Recherche. Mit Schlagzeilen à la BILD
kommt man da nicht unbedingt weit. Aber ich würde
nicht alle „Medien“ in einen Topf werfen…

Ich spreche vor allem von etablierten Medien, die durch Aufkäufe und Zusammenschlüsse in immer wenigeren Händen liegen und somit immer weniger Meinungen repräsentieren, obwohl es augenscheinlich viele unterschiedliche Blätter und Sender gibt. Wenn ich sehe, wieviel „Rabbatz“ um andere, ja geradezu nichtige Themen gemacht wird, oder wenn sich ein ums andere Mal eine Bevölkerungsgruppe „Schmarotzertum“ vorwerfen lassen muss, dann wundert es mich eben sehr, dass von den grossartigen „Schmarotzern“ so wenig die Rede ist und auch keinerlei Stimmung gegen sie erzeugt wird.
   Du erwähntest die BILD - sie brachte Schröders „Faulheits-Aussage“ in grossen Lettern auf der ersten Seite. Hingegen war nicht gleichfalls und BILD-typisch z.B. zu lesen: „Clement, Stoiber, Fischer & Co. - die Steuergeld-Abgreifer der Nation!“ Wenn die BILD schon Schlagzeilen erzeugen will, warum dann nicht mit gleicher Vehemenz in die andere Richtung!
   Du erwähntest gleichfalls die tiefgründige Recherche. Dazu muss der Wille eines Journalisten vorhanden sein, in ein Wespennest zu stechen - und wie viele werden dazu bereit sein? Nur hin und wieder ist einmal etwas über die Politikerprivilegien zu hören (s. http://www.ndrtv.de/panorama/archiv/20010628/witwenr…), aber es erzeugt selten einen nachhaltigen Aufschrei über die Ungerechtigkeit. Würde diese Thematik - leider auch mit BILD - in Schlagzeilen angesprochen werden, gerieten die Politiker unter einen öffentlichen Druck und in Erklärungsnot über die ungleiche Behandlung. Warum geschieht das nicht?

Über das „Schmierentheater“ im Bundesrat und den
von Dir suggerierten Verfassungsbruch sind sich noch
nicht einmal Verfassungsschützer einig; denn es gibt
keinen Präzedenzfall dazu. Aber bald ganz sicher, wenn
sich das BVerfGericht damit befasst hat.

Ich suggeriere keinen Verfassungsbruch; ich sprach nur das an, was die sich von Wowereits Schiedsspruch benachteiligt fühlenden Politiker äusserten.

Woher hast Du diese Zahl? Und welche Abgeordneten wären das.

Diese Zahl ist nachzulesen in v. Arnims „Politik Macht Geld“, das ich in meinem letzten Artikel bereits angesprochen hatte. Es sind nicht alle Abgeordneten aufgeführt, aber es liesse sich wohl dadurch feststellen - falls es sich jetzt noch feststellen liesse -, dass man recherchiert, welche Parlamentarier gleichzeitig ein Abgeordneten- und ein Regierungsmandat besassen. Von Arnim nannte vor allem Wolfgang Clement, Edmund Stoiber, Joschka Fischer und Jürgen Trittin.

Nicht ganz, aber gesetzwidrig.

Leider ist es doch verfassungswidrig, weil vom Bundesverfassungsgericht so festgestellt. (Lässt sich ebenfalls in besagtem Buch nachlesen.)

Ein mutiger Schluss, der praktisch auf die
gesamte Gesellschaft, also auch auf Dich und
mich zutreffen dürfte.

Im Gegensatz dazu sind wir nicht derart privilegiert, unser Einkommen selbst zu bestimmen und durch Steuermittel zu finanzieren. Zudem könnte gegen diese Bestimmung nicht einmal vor dem Verfassungsgericht geklagt werden, weil nur die Gruppe, die diese Entscheidung fällt, klagebefugt ist.

Die Medien veröffentlichen vor allem das, was der
Leser/Hörer vermeintlich auch lesen/hören will…

Vermeintlich. Ich kann mir allerdings nicht vorstellen, dass es ihn nicht interessiert, wie privilegiert die politische Klasse ist. Jedoch kann sich der Leser/Hörer dafür auch nicht interessieren bzw. sensibilisiert werden, wenn diese Nachrichten kaum einmal Erwähnung finden.

Siehe auch: Prof. Hans Herbert von Arnim, http://www.hfv-speyer.de/VONARNIM/

Marco