Politische Lage in Venezuela

Hallo alle zusammen,

ich weiß, dass es im www-Archiv bereits Einträge zu diesem Thema gibt, allerdings sind diese (zumindest was ich beim Überfliegen entdeckt habe) von 2005 und ich kenne auch die Wikipedia-Einträge zu Venezuela und Chavez, allerdings sollte man da ja auch nicht alles einfach hinnehmen.
Mein eigentliches Problem ist nun Folgendes:
In der Schule, genauer dem Gemeindschaftskunde/ Rechtserziehung und Wirtschaft-Unterricht geht es derzeit um politische Systeme und der entsprechende Lehrer ist leider nicht immer auf dem allerbesten Informationsstand und lässt - was nicht unbedingt für Kompetenz spricht - kein kritisches Hinterfragen seiner Aussagen zu… Jedenfalls äußerte dieser Lehrer heute, als es um Diktaturen ging, dass es ja noch heute Diktaturen gibt und auch solche, die demokratisch getarnt sind, Beispiel: Venezuela. Dort gäbe es einen Hugo Chavez, der noch heute diktatorisch regiert.

Jetzt habe ich viele Fragezeichen im Kopf; wie ist es in Venezuela wirklich? Wie ist Hugo Chavez an die Macht gekommen und wie regiert er? Welchen Quellen zu solchen politischen Fragen kann man sicher vertrauen? etc…

Ich würde mich sehr freuen, wenn eventuell jemand, der sich mit speziell diesem Thema sehr gut auskennt, mir weiterhelfen könnte.

Ich bedanke mich schon jetzt bei allen, die sich Zeit genommen haben, meine Anfrage durchzulesen und natürlich denen, die mir weiterhelfen wollen! :smile:

Nun, wie Chávez an die Macht gekommen ist, haben Sie sicherlich dem Wikipedia-Artikel entnehmen können. Die venezolanischen Wahlen dieser Jahre sind zwar nicht gerade nach westlichen Maßstäben frei, aber doch überwiegend. Die autoritäre Regierung nimmt zwar gewissen Einfluss - bspw. gibt es entsprechende Einschränkungen der Pressefreiheit und hohe Hürden bei der Bildung politischer Vereinigungen -, dieser ist gleichsam nicht so hoch zu bewerten, dass man von „unfreien“ Wahlen sprechen könnte. Noch immer genießt Chávez signifikante Unterstützung in der Bevölkerung. Ein Teil davon ist sicherlich darauf zurückzuführen, dass die Exekutivorgane Venezuelas die Quasi-Kontrolle über die venezolanischen Ölreserven innehaben (der Ölminister ist zugleich Inhaber der staatlichen Ölförderungsfirma) und insofern eine gewisse Abhängigkeit zwischen den vielen in der Ölverarbeitung tätigen Arbeitern und der Exekutive besteht, andererseits kommt aber auch Chávez’ anti-amerikanische und anti-imperialistische Rhetorik seinen Beliebtheitswerten zu gute.

All dies sind Machtfaktoren der Chávez-Regierung; hinzu kommt freilich die Gestaltung des politischen Systems des Landes. Es besteht ein großer Spielraum, originär legislative Prozesse auf die Exekutivebene des Staates zu übertragen. Da Chávez überdies den Zentralisierungsgrad des politischen Systems in seiner Amtszeit erheblich erhöht hat, ist das Resultat all dessen freilich eine noch größere Machtfülle seines Apparats. Nun muss zudem noch bedacht werden, dass auch das Militär in den vergangenen Jahren immer dominanter wurde und so ansonsten grundsätzlich auf regional-lokaler Ebene bestimmten Exekutivorganen entgegengesetzt wurde. Der Militärapparat wiederum ist in weiten Teilen von Chávez abhängig.

Nun zur Frage, ob es sich hier um eine Diktatur handelt. Das ist natürlich nicht so einfach zu beantworten, aber ich wäre mit diesem Begriff hier eher vorsichtig. Man darf nicht vergessen, dass es noch immer - bindende - Referenden im Land gibt. Besonders interessant ist hierbei - Chávez versuchte die Autorität der Regierung zu stärken, was ihm die Bevölkerung aber versagte. Derlei Beispiele gibt es einige.