Polnischer Einfluß im Ruhrgebiet

Hallo.

Mir ist am Beispiel des Wortes Schalke aufgefallen, daß das l in der im Ruhrgebiet üblichen Aussprache offensichtlich nahe an ein u heranrückt. Das ist manchmal auch in slawischen Sprachen der Fall. Geht das vielelicht auf die aus Polen zugereisten Industrie- und Bergarbeiter zurück?

Hallo.

Dass es solche Einflüsse der polnischen Gastarbeiter, die im 19. Jhdt ins Ruhrgebiet kamen, gegeben hat, ist sicher.

Redewendungen wie „vor Ort“ oder „unter Tage“ sind solche Polonismen. Auch der abundante Gebrauch von „auf“ in „auf Arbeit gehen“, „auf Schalke“ etc. gehen vermutlich auf diesen Einfluss zurück.

Ob sich dieser auch auf die Phonetik erstreckt, wage ich

  • Ich höre Ruhrpottdeutsch nicht zu oft und ob die wenigen, die ich höre, meist Kabarettisten, das Idiom korrekt und realistisch verbreiten …?, der gute alte Tegtmeier z. B.
    Wenn es so ist, wie mit dem Schwäbisch der „Vorzeigschwaben“, so habe ich da meine Zweifel.
    Auch die Bayern im TV sprechen ja inzwischen ein „City-Bayrische“, wie Uschi es nannte.

  • aus der Ferne nicht zu entscheiden. Von der Hand zu weisen, ist der Verdacht aber nicht.

Gruß Fritz

Hallo,
ich kann oben stehende Frage nur unter Hinweis darauf beantworten, daß mir ein Slawist der Uni Bochum mal erklärt habe, diese „typische Aussprache“ käme aus dem Polnischen.
Als echte Ruhrpottpatriotin Dir, lieber Fritz, einen allerherzlichsten Dank für Dein Mißtrauen gegen VorzeigeRuhris:
Jedenfalls habe ich nie irgendjemanden so sprechen hören wie Tegtmeier, Tana Schanzara oder auch die Helden aus diversen Manta-Filmen.
Für die rheinische Ruhrgebietssprache empfehle ich die Missfits. Für westfälische Ruhrgebeitssprache alte Aufnahmen von Herbert Grönemeyer… Herbert Knebel kommt der Realität (rheinische Seite) auch sehr nah.
Ach, und wo wir gerade dabei sind:
Es heißt „Schicht am Schacht“, denn am Schacht war Schicht, nicht im Schacht…
Grüße von einer ExilRuhrgebietlerin,
Taju

Hallo, Taja,

beantworten, daß mir ein Slawist der Uni Bochum mal erklärt
habe, diese „typische Aussprache“ käme aus dem Polnischen.

Könntest du den Slawisten mal fragen, ob er Belegstellen hat oder kennt, wo die Ausdrücke „unter Tage“ und „vor Ort“ zum ersten Mal in einem deutschen Text erscheinen?

In einem Arbeits- oder Unfallbericht. In einem Brief. In einem Jahresbericht. In einer Zeitung, die über die Arbeit der Kumpel berichtet oder was auch immer.

Das wäre mir eine große Freude.

Gruß Fritz

Hallo, Taja,

beantworten, daß mir ein Slawist der Uni Bochum mal erklärt
habe, diese „typische Aussprache“ käme aus dem Polnischen.

Könntest du den Slawisten mal fragen, ob er Belegstellen hat
oder kennt, wo die Ausdrücke „unter Tage“ und „vor Ort“ zum
ersten Mal in einem deutschen Text erscheinen?

In einem Arbeits- oder Unfallbericht. In einem Brief. In einem
Jahresbericht. In einer Zeitung, die über die Arbeit der
Kumpel berichtet oder was auch immer.

Das wäre mir eine große Freude.

Lieber Fritz
‚Vor Ort‘ ist mit Sicherheit kein Polonismus, wie Du annimmst.
‚Seigerung‘ oder ‚Ortung‘ sind alte Markscheidebegriffe, wie man im ‚Lehrbuch der Markscheide Kunde‘ von P.Uhlich nachlesen kann. Daraus leiten sich dann die Begriffe wie ‚vor Ort‘ oder ‚Ortsbrust‘ ab. Und die Bezeichnungen ‚Tagebau‘ sowie ‚Untertagebau‘ sind auch älter als die polnische Bergarbeiter-Zuwanderung.
Quellen müßte ich aber erst suchen.
Gruß Alexander.

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Dat is vielleicht ein Dingen …
Hallo Taju, du schreibst zu den

VorzeigeRuhris:
Jedenfalls habe ich nie irgendjemanden so sprechen hören wie
Tegtmeier

Kein Wunder, der wurde mit Moselwasser getauft und verlebte seine Kindheit in Koblenz.

Bernhard

Danke, für den Hinweis, bester Alexander!

‚Vor Ort‘ ist mit Sicherheit kein Polonismus, wie Du annimmst.
‚Seigerung‘ oder ‚Ortung‘ sind alte Markscheidebegriffe, wie
man im ‚Lehrbuch der Markscheide Kunde‘ von P.Uhlich nachlesen
kann. Daraus leiten sich dann die Begriffe wie ‚vor Ort‘ oder
‚Ortsbrust‘ ab. Und die Bezeichnungen ‚Tagebau‘ sowie
‚Untertagebau‘ sind auch älter als die polnische
Bergarbeiter-Zuwanderung.

So wird mir auch dieser Star gestochen! ;-(

Quellen müßte ich aber erst suchen.

Oh, tus! Bitte!

Gruß Fritz

Heureka!
Lieber Fritz, Schau was ich bei Adelung gefunden habe:

Figürlich gebrauchen die Bergleute dieses Wort häufig von der Oberfläche der Erde, im Gegensatze der Grube. Erz am Tage antreffen, auf oder nahe unter der Oberfläche. Etwas zu Tage ausfördern, es aus der Grube auf die Oberfläche schaffen. Das Wasser fließt zu Tage aus. Hundert Lachter unter Tage, unter der Oberfläche der Erde. Eine Ortung zu Tage bringen, bey den Markscheidern, einen in der Grube angenommenen Punct in einer seigern oder senkrechten Linie am Tage, d. i. auf der Oberfläche angeben. Und so in tausend Fällen mehr. S. auch einige den folgenden Zusammensetzungen

Gruß Alexander

Lieber Alexander,

das, was du da gefunden hast, ist mir doppelt unangenehm.

Nicht bloß, dass meine nette Idee zerbröselt!

Schlimmer ist, dass ich nicht selber in den Adelung schaute.
Inzwischen habe ich neun Seiten Belege für die Richtigkeit deiner Ansicht gesammelt. Zu „Tag“ und zu „Ort“.

Ich ziehe mich jetzt zu Bußübungen zurück.

Zerknirscht und geknickt!
Fritz

Nää, abba …

Es heißt „Schicht am Schacht“, denn am Schacht war Schicht,
nicht im Schacht…

… solang ich mich erinner ha’m wir abba trotzdem imma „Schicht IM Schacht“ gesacht! :smile:

Wiederruhrgebietlerische Grüße der gebürtigen Essenerin,
Christiane

Heiho,
ich glaube, daß beides gesagt wird; richtig in der ursprünglichen BEdeutung (Arbeitsende) ist Schicht am Schacht, das haben mir die alten Bergleute immer gern zu verstehen gegeben, daß man im Schacht höchstens hing, aber eben leider schon Schicht hatte…

Wiederruhrgebietlerische Grüße der gebürtigen Essenerin,

Heimwehvolle wienerische Grüße,
Taju

Hallo Fritz

Könntest du den Slawisten mal fragen, ob er Belegstellen hat
oder kennt, wo die Ausdrücke „unter Tage“ und „vor Ort“ zum
ersten Mal in einem deutschen Text erscheinen?

Zu unter Tage und vor Ort steht hier ja schon was.
Ich erinnere mich, daß es besagter Slawist vor allem auf die typische SChalker Aussprache bezogen hatte (die ja Dank des FC geradezu kultiviert wird), und Schalke war in der Hochzeit des dortigen Fußballs in den 30er Jahren ein Polenviertel. Auf dieses Gesproch kamen wir beim zuhören des typischen „SChalke“-Rufs der Fans:wink:
Werde aber nach weiteren brauchbaren Informationen fragen, soweit ich weiß, gibt es ja mittlerweile so etwas wie eine Erforschung der Ruhrgebietssprache, weiß aber nicht, ob das sich nicht nur auf Ausdrücke bezieht…
Grüße,
Taju