Origenes und Präexistenz der Erde
Hallo joejac,
In seinem Werk De Principiis schreibt der katholische Theologe Origenes (186-254) zu 1. Mose 1, Vers 2, die ursprüngliche Erde sei ‚hinabgeworfen‘ worden Ante-Nicene Fathers, Christian Literature Publishing Co., Buffalo, 1917, Seite 342). …"
wo das stehen soll kann ich beim besten Willen nicht identifizieren. Wobei die Bezeichnung „ursprüngliche Erde“ wohl kaum von Origenes verwendet worden sein kann, wie das Folgende hoffentlich deutlich macht.
Von Origenes ist tatsächlich eine Äußerung zu einer
„Präexistenz der Erde“ bekannt … von alleine wird er kaum
auf eine solche Idee gekommen sein:
Das ist Blödsinn - wovon sich jeder überzeugen kann, der Buch II von Origenes’ peri archon / de principiis liest. Das Zitat:
„Es ist noch übrig, zu untersuchen, ob vor der gegenwärtigen Welt eine andere gewesen sey: und wenn eine war, ob sie von gleicher Art, oder vorzüglicher oder geringer gewesen, als diese; oder ob überhaupt keine, …“
leitet übrigens das 3. Kapitel ein. Der Argumentationsgang in dem Buch ist vollkommen logisch, so wird im 1. Kapitel von der Untersuchung ausgegangen, ob die Welt geschaffen oder Ergebnis eines Zufalls ist (selbstverständlich nimmt Origenes einen kreationistischen Standpunkt ein); sodann ob die Materie, aus der Gott die Welt erschaffen hat, präexistent war (somit ungeschaffen ist) oder ebenfalls von Gott geschaffen. Wobei Origenes ausdrücklich darauf verweist, dass solche Auffassungen bestehen:
"… I cannot understand how so many distinguished men have been of opinion that this matter, which is so great, and possesses such properties as to enable it to be sufficient for all the bodies in the world which God willed to exist, and to be the attendant and slave of the Creator for whatever forms and species He wished in all things, receiving into itself whatever qualities He desired to bestow upon it, was uncreated, i.e., not formed by God Himself, who is the Creator of all things, but that its nature and power were the result of chance. And I am astonished that they should find fault with those who deny either God’s creative power or His providential administration of the world, and accuse them of impiety for thinking that so great a work as the world could exist without an architect or overseer; while they themselves incur a similar charge of impiety in saying that matter is uncreated, and co-eternal with the uncreated God." (de principiis II.1 - Übers. Frederick Crombie, Ante-Nicene Fathers Vol. 4, Buffalo 1885)
Es folgt in dem sehr kurzen 2. Kapitel die Untersuchung der Beziehung zwischen „rationaler Natur“ / Seele und Materie und insbesondere der Frage, ob erstere unabhängig von zweiter existieren kann. Origenes verneint dies (mit Ausnahme der Dreifaltigkeit) - woraus sich übrigens seine These der Präexistenz der Seele ableiten lässt.
Im 3. Kapitel folgt nun endlich die Untersuchung der Frage, ob die Schöpfung Vorläufer hatte und ob „nach dem Ende aller Dinge“ eine neue Schöpfung folgen könnte bzw. ob die jetzige Schöpfung aus einem solchen Zustand „nach dem Ende aller Dinge“ hervorgegangen ist. Unkomplizierter formuliert: ob die Schöpfung ein einmaliges oder ein zyklisches Ereignis ist. Etwas flapsiger: ob Gott die Materie recycled. Präexistent wäre in diesem Fall die Materie, nicht aber die Schöpfung bzw. die Welt oder die Erde.
Dazu braucht sich sich Origenes nicht auf irgendwelche älteren Überlegungen in dieser Hinsicht beziehen, diese Fragestellung ergibt sich vollkommen logisch aus dem Gang der Argumentation.
Der Punkt, um den es Origenes geht, wird deutlicher, wenn man das von Dir oben angeführte Zitat etwas weiter verfolgt:
„This point also, I think, must be investigated in a similar way, viz., whether after this world there will be any (system of) preservation and amendment, severe indeed, and attended with much pain to those who were unwilling to obey the word of God, but a process through which, by means of instruction and rational training, those may arrive at a fuller understanding of the truth who have devoted themselves in the present life to these pursuits, and who, after having had their minds purified, have advanced onwards so as to become capable of attaining divine wisdom; and after this the end of all things will immediately follow, and there will be again, for the correction and improvement of those who stand in need of it, another world, either resembling that which now exists, or better than it, or greatly inferior; and how long that world, whatever it be that is to come after this, shall continue; and if there will be a time when no world shall anywhere exist, or if there has been a time when there was no world at all; or if there have been, or will be several; or if it shall ever come to pass that there will be one resembling another, like it in every respect, and indistinguishable from it.“ (de pricipiis II.3, a.a.O.)
Origenes rekurriert bei seiner Untersuchung dieser Frage allerdings in keinster Weise auf die alttestamentarischen Schöpfungsberichte, sondern auf Paulus, speziell 1. Kor. 15:53-57. An ihn anknüpfend macht Origenes auch deutlich, dass ihm ‚zyklische‘ Thesen durchaus bekannt waren - jedoch nicht im Sinne einer Eschatologie sondern einer Wiederkunft des ewig Gleichen, was eher auf eine Herkunft aus dem indischen Raum verweist:
„And now I do not understand by what proofs they can maintain their position, who assert that worlds sometimes come into existence which are not dissimilar to each other, but in all respects equal.“
Origenes hingegen vertritt die Position
„that in that age which preceded this, Christ did not suffer, nor even in the age which preceded that again; and I know not that I am able to enumerate the number of anterior ages in which He did not suffer.“
- und beruft sich dabei auf Hebr. 9:26. Dem jetzigen Zeitalter werden weitere folgen
„Now that after this age, which is said to be formed for the consummation of other ages, there will be other ages again to follow“
- wofür sich Origenes auf Epheser 2:7 beruft und ausdrücklich darauf verweist, dass da von ‚Zeitaltern‘ in der Mehrzahl gesprochen wird.
Also - wenn wir die Frage der zweifelhaften Verfasserschaft der Briefe mal außer Acht lassen: Paulus, Paulus und nochmals Paulus. Wenn Origenes irgendwelche aus den Schöpfungsberichten ableitbare Argumentationen bekannt gewesen wären, hätte er sie zweifellos zur Stützung seiner Thesen angeführt. Dass er es nicht tut, zeigt deutlich, dass er hier völlig zu Unrecht als Zeuge in Anspruch genommen wird.
Freundliche Grüße,
Ralf