Hallo Jürgen,
Doch!
Warum bitte gibt es scheinbar(?) nahezu keine
deutschsprachigen muslimischen Prediger, wobei in meinen Augen
bereits die zweite spätestens aber die dritte Generation der
Zuwanderer zum Gut-Teil die muttersprachlichen Fähigkeiten
verliert?
Ja und? Die Religion an sich muss ja irgendwie übersetzt werden. Es reicht nicht, Leute zu haben, die der deutschen Sprache mächtig sind, diese sollten auch vom Islam selbst was verstehen.
Denn die Muslime streben nach Anerkennung, die sie nicht
bekommen.
Definiere mir Anerkennung… Was wollen die Muslime in D?
Freie Religionsausübung? Ich denke, dies ist hier
(selbstverständlich im Rahmen des GG(!)) möglich.
Warum gibt es dann so lange Debatten über Islamunterricht an Schulen? Bis heute ist das noch keine Selbstverständlichkeit. Und das lag sicherlich nicht an den Muslimen. Es lag m.E. vor allem daran, dass Muslime nich als Körperschaft öffentlichen Rechts anerkannt wurden. Das zu den Formalien, der wirklich Grund dahinter ist doch, dass Deutschland nie versucht hat, auf Muslime einzugehen. Das passiert bis heute nicht genügend. Warum sonst wird im Bundestag eine Anhörung zum Islam veranstalten, zu der aber keine einzige islamische Organisation eingeladen wird?
Dann hört man ständig, dass es keinen Ansprechpartner gebe. Als ob die Politiker händeringend wen suchen und nicht finden. Ich denke der älteste grosse Verein ist die DITIB, mit der wurde nicht kooperiert, weil sie ja von der Türkei abhängig ist. Das stimmt zu einem gewissen Grad. Dann kommt die Milli Görüc, die wurden aber mittels negativen Schlagzeilen in den Boden (bzw. in den Untergrund) vertrieben. Dann gab es den Islamrat und der wurde schlichtweg ignoriert. Nun gibt es den Zentralrat der Muslime und ihm wird immer wieder vorgeworfen, er repräsentiere nicht die Mehrheit der Muslime, da ihm nur so wenige Vereine angehören (23 glaube ich). Dabei vergisst man schnell, dass die meisten Muslime (ausser Türken) nicht ans Vereinsleben gewöhnt sind! Davon abgesehen können sich die grösseren Organisationen in den meisten Bereichen einigen, wenn denn nur ein Anstoss käme von der Politik, aber auf den Anstoss können Muslime lange warten.
Unter diesen Voraussetzung ist zwar theoretisch die Religionsfreiheit gegeben, aber an der praktischen Umsetzung hapert es noch gewaltig. Jüngste Beispiele (Kopftuchverbot (vor allem in Hessen)) beweisen das wieder einmal. Sogar in den Punkten, in denen die Legislative den Muslimen entgegenzukommen scheint, wird sich in Kürze nichts gewaltiges ändern: In Niedersachsen wird (oder wurde, bin mir nicht sicher) ein neues Bestattungsgesetz verabschiedet, das die Verantwortung in die Hände von Religionsgemeinschaften bringt. Die Religionsgemeinschaften müssen aber laut Gesetz Körperschaften des öffentlichen Rechts sein - was den Muslimen nicht zugebilligt wird…
Zudem wurde lange Zeit von beiden Seiten
(muslimische Zuwanderer und deutscher Staat) nicht eingesehen,
dass diese Zuwanderung langfristig ist. Ausserdem waren die
ersten Zuwanderer aus der Arbeiterschicht, man kann wohl kaum
von ihnen verlangen eine theologische Ausbildungsstätte zu
errichten!
40 Jahre, das sind fast 2 Generationen…
Ja, 40 Jahre der oben beschriebenen obstacles!
Aber bis jetzt wird den muslimischen Organisation keine
wirkliche Zusammenarbeit angeboten: für die neue Ausbildung
der muslimischen Lehrer in Münster wurden nicht einmal
muslimische Organisationen als Berater herangezogen.
Könnte aber auch daran liegen, dass es bis heute keine
Organistation meines Wissens gibt, die aussagefähig für
zumindest einen Großteil der Muslime hier wäre. Das ist aber
nicht ein deutsches Problem, andere Religionsgruppen sind hier
einfach schlagkräftiger, weil sie sich selber nicht in
Grabenkämpfen verlieren…
Wie oben beschrieben gibt es zwar verschiedene islamische Organisationen, aber Grabenkämpfe zwischen Muslimen in Deutschland, davon habe ich wenig gehört. Am Sonntag veranstalten die DITIB eine Demo gegen Gewalt. Der Zentralrat hat - sobald er davon erfuhr - die Veranstaltung unterstützt. Auch vom Islamrat ist zu erwarten, dass sie die Demo unterstützen. Wie bereits gesagt sind sich diese Organisationen in den meisten Angelegenheiten einig. Das sollte nicht das Problem sein.
Es ist für Deutschland sehr anstrengend, dass jedes
muslimische Land (übertrieben:wink:) hier mitbestimmen will,
obwohl es bereits einen rel. großen Anteil deutscher(!)
Muslime gibt. Was will hier bitte die Türkei oder
Saudi-Arabien mitbestimmen, wie diese zu beten haben? Hier
sollten die deutschen bzw. in Deutschland lebenden Muslime
eine eigene Position beziehen und sich nicht fernsteuern
lassen!
Wer genau ist ferngesteuert? Ich hatte schon angeführt, dass die DITIB von der Türkei abhängig ist (dazu stehen sie aber auch), wem das nicht gefällt hat noch genügend andere Möglichkeiten.
Bis jetzt
wissen die meisten muslimischen Organisationen nicht, was
eigentlich gelehrt werden wird. Man kann nicht gleichzeitig
jemanden derartig unter Druck setzen und ausgrenzen und dann
von ihm verlangen eigene Strukturen aufzubauen (um Prediger
auszubilden).
Na ja, ich bin da noch immer der Meinung, dass derjenige, der
das Problem hat, zu ziehen hat. Aber ich glaube, dass die
Muslime hier in D ganz massive, eigene Probleme haben, die sie
erst einmal untereinander lösen müssten. Und diese Probleme
treten jetzt durch die Forderungen der deutschen
Öffentlichkeit massiv zu Tage.
Dass Muslime Probleme (auch untereinander) haben ist vielleicht der Fall. Auf der anderen Seite stellen sie nicht das Haupthindernis dar. M.E. ist das grösste Problem, dass die deutschen Organisationen und Politiker in den muslimischen Organisationen nicht die Chancen sehen, die sie darstellen. Wenn ständig Islamexperten zu rate gezogen werden, die nun wirklich wenig über Muslime wissen und der Kontakt nicht gesucht wird, dann kann es nichts werden. Muslime müssen natürlich auch verstärkt sich den Politikern aufdrücken; die Vorstellung, dass die deutsche Gesellschaft bereit ist und nur noch auf einen Ansprechpartner wartet ist sicherlich irreführend.
Gruss, Omar Abo-Namous