Privatinsolvenz?

Hallo, folgendes Problem:

Person A hat im Laufe der Jahre immer mehr Schulden angehäuft und kann jetzt mit seinem Azubigehalt nicht mehr die Raten zahlen. Laufend kommen neue Mahnungen etc. Die Gesamtsumme beläuft sich jetzt auf Rund 8000 Euro. Gibt es eine Möglichkeit, in die Privatinsolvenz zu gehen? Wo kann ich dazu informationen erhalten? Welche Vor- und Nachteile hat eine Privatinsolvenz?

Liebe Grüße und Danke im Voraus!

Auch hallo.

Eine kleine Suche unter jurablogs.com @ privatinsolvenz führt uns zu http://www.lawblog.de/index.php/archives/2005/06/26/…
Die downloadbare Lektüre enthält alles Interessante :smile:

HTH
mfg M.L.

Hallo Marcel!

Person A hat im Laufe der Jahre immer mehr Schulden angehäuft
und kann jetzt mit seinem Azubigehalt nicht mehr die Raten
zahlen. Laufend kommen neue Mahnungen etc. Die Gesamtsumme
beläuft sich jetzt auf Rund 8000 Euro. Gibt es eine
Möglichkeit, in die Privatinsolvenz zu gehen? Wo kann ich dazu
informationen erhalten? Welche Vor- und Nachteile hat eine
Privatinsolvenz?

Das Verfahren der Privatinsolvenz dauert einschließlich der Wohlverhaltensphase bis zur Restschuldbefreiung 6 Jahre. Vorher ist noch mit etwa einem halben Jahr bis zur Eröffnung des Verfahrens zu rechnen. Ganz am Anfang steht der Versuch, mit den Gläubigern zu einer für den Schuldner tragbaren Zahlungsvereinbarung zu kommen.

Ein Azubi wird alles daran setzen, nach Abschluß seiner Ausbildung zu einer Anstellung in seinem Beruf zu kommen. Dabei wird ihm während laufender Wohlverhaltensphase von seinem Einkommen kaum mehr als der Sozialhilfesatz bleiben, weil der ganze Rest an den Insolvenzverwalter fließt, der davon zunächst die Verfahrenskosten einschließlich seines eigenen Honorars deckt und was übrig bleibt, an die Gläubiger verteilt. Der Weg ist für den Schuldner nicht nur lang und mit massiven materiellen Einschränkungen verbunden, der Schuldner zahlt auch mehr zurück als ohne Insolvenzverfahren.

8.000 € überfordern einen Azubi, aber der Betrag ist zu niedrig, um dafür den langen, teuren Weg einer Insolvenz zu gehen. Nehmen wir an, der Azubi ist heute um die 20 Jahre alt. Dann wird er 30 sein, bis er das Wort Kreditwürdigkeit wenigstens buchstabieren darf. Ein Insolvenzverfahren kann sinnvoll sein, es kann eine Befreiung aus endgültig nicht mehr tragbarer Situation sein, aber für bezahlbare Beträge ist ein Insolvenzverfahren keine geeignete Methode.

Der betroffene Azubi muß in jedem Fall seine Konsumgewohnheiten gründlich verändern. Außerdem wird ein Überblick über alle Verbindlichkeiten gebraucht. Dann muß überlegt werden, welche Ausgaben entbehrlich sind und von welchen regelmäßigen Verpflichtungen sich der Azubi trennen kann. Dabei geht es absolut nicht darum, an welchen Sachen das Herz hängt, sondern nur darum, was machbar ist. Handyvertrag? > Braucht er nicht. Auto? > Braucht er nicht. Lebensversicherung? > Braucht er nicht. Also rigoros weg mit allen Lasten, damit von der Ausbildungsvergütung ein paar Euro übrig bleiben. Diese paar Euro kann man Gläubigern anbieten. Dafür braucht man die schon erwähnte Aufstellung aller Schulden. Jeder Gläubiger bekommt auch zu hören, daß er nur einer von vielen ist, daß alle Gläubiger genau gleich behandelt werden müssen und man im Falle des Scheiterns von Einigungsversuchen Insolvenz anmelden müsse. Zunächst wird man immer versuchen, einen Forderungsverzicht der Gläubiger zu erreichen, wenigstens Verzicht auf Teile der Forderung, Verzicht auf weitere Vollstreckungsmaßnahmen, Verzicht auf Verfahrenskosten, Stoppen der Zinsuhr.

Zumeist bekommen Schuldner die beschriebenen Schritte nicht selbst auf die Reihe. Deshalb muß der erste Weg zu einer Schuldnerberatungsstelle führen. Dort sitzen Leute, die helfen können. Das macht alles keinen Spaß, aber der Weg einer Insolvenz macht noch viel weniger Spaß. Eine Insolvenz ist ein Weg, wenn es um Beträge geht, die man aus Arbeit in irgend überschaubarer Zeit nicht bezahlen kann, wenn es also nicht um 8 T€, sondern z. B. um 800 T€ geht, wobei ein normaler Angestellten nicht einmal die laufenden Zinsen bezahlen könnte, so daß die Schulden trotz laufender Zahlung immer weiter anwachsen. Das ist dann eine aussichtlose Situation und ein Fall, in dem eine Insolvenz der geeignete Schritt zur Befreiung ist.

Gruß
Wolfgang

Hi

Gut geschrieben auf jedenfall. Dass die Insolvenz kein allzu guter Weg ist hast Du ja beschrieben.

Nur dazu ne Nachfrage:

Gibt der Azubi ne EV ab, kann er ja mit dem Gerichtsvollzieher auch geringere Raten ausmachen, oder?

@Marcel:

wurde vom Schuldner schonmal selbst eine Aufstellung gemacht der einzelnen Forderungen? Es gibt hier nen sog. Schuldenkreis - also zuerst Ämter & Behörden bedienen, dann nach der Wichtigkeit her die Schulden abtragen. Und mit jedem Schuldner Kontakt aufnehmen zur Info, eventl. Anfrage Stundung / Zinsaufschub durch die Ratenzahlung etc.

Viel Glück

[Bei dieser Antwort wurde das Vollzitat nachträglich automatisiert entfernt]

Hallo!

Dass die Insolvenz kein allzu guter Weg ist hast Du ja beschrieben.

Nur zur Klarstellung: Eine Insolvenz kann der einzig gangbare Weg sein, der Königsweg, die Rettung, ein Grund zum Feiern, alles ist möglich. Aber bei einem fast schon geringfügigen Betrag in der Größenordnung eines alten Gebrauchtautos ist die Insolvenz kein geeignetes Mittel für einen jungen Menschen.

Gibt der Azubi ne EV ab, kann er ja mit dem Gerichtsvollzieher
auch geringere Raten ausmachen, oder?

Auch die EV ist ein sehr schwer wiegender Schritt. Damit kann man sich vorübergehend Luft schaffen, aber um einen hohen Preis.
Sobald der Azubi mit der Ausbildung fertig ist und Geld verdient, hat er Kontenpfändungen am Hals, wenn er nicht vorher mit den Gläubigern zu tragfähigen Vereinbarungen gekommen ist. Außerdem laufen Zinsen lustig weiter. Deshalb ist ein Gerichtsvollzieher die falsche Adresse. Die Rückführung von Verbindlichkeiten bespricht man direkt mit den Gläubigern. Im übrigen erschöpfen sich die Möglichkeiten von Gerichtsvollziehern auf den Zeithorizont von höchstens einem halben Jahr. Darüber hinaus kann ein Gerichtsvollzieher nichts entscheiden, schon gar nichts in Richtung Forderungsverzicht und Vergleich.

Gruß
Wolfgang

Hi

Ich kann’s nur aus eigener Erfahrung schreiben:

Zum Zeitpunkt meiner Altschulden war ich zwischen 18 Jahren und 22 Jahren und Azubi zum Anfang. Beestellungen, Auto, Handy - alles auf einmal, die Bank gab nen großen Dispo.

Von heute auf morgen kein Dispo mehr, Zahlungen eingestellt etc von mir. Daraufhin kamen die Mahnungen und Mahnbescheide.

Als ich dann noch private Probleme hatte, wurd mir das alles zuviel. Hab mich hingesetzt und alles aufgerechnet was bekannt war - kam auch 23.ooo Euro damals.

2 Tage später stand zuerst das Finanzamt da - Auto abgestempelt. Den Gerichtsvollzieher kannte ich zu dem Zeitpunkt schon via Vornamen und war per Du aufgrund der Schulden. Er half mir, gab eine hilfreiche Tipps.

Zur „Glanzstunde“ (im negativen Sinne!!) hatte ich 3 Eidesstattliche Versicherungen.

Mit den Gläubigern hab ich offene Karten gespielt - ein Schreiben aufgesetzt, jeden angeschrieben und gesagt wo ich welche Schulden hab, Konto genannt etc und auf Stundung / Aufschub sowie geringe Raten gebeten.

Nicht jeder hat sich hierauf eingelassen. Die Raten waren in der Regel zwischen 10-40 Euro je nach Fall. Oft hab ich mit den Gläubigern ausgehandelt, dass wenn ich Ratenzahlung hab keine Zinsen aufkommen - jeder war einverstanden.

Als die Forderungen recht gut getilgt waren, hab ich bei den Firmen / Anwälten /Inkassobüros jeweils nen Vergleich eingefordert mit der Frist von 4 Wochen - hierdurch hatte ich gute Chancen, dass alles schnell weg geht. Zum Vergleich:

KFz-Versicherung: Wert 350 Euro damals, mit Anwalt und Inkasso ca. 700 Euro gewesen. Nach mehrfacher Abzahlung war ich auf 580 Euro runter und hab dann nen Vergleich auf 250 Euro angestrebt - der wurde genehmigt.

EV’s sind 3 Jahre gültig - durch die eiserne Zahlung hab ich alle 3 vor den 3 Jahren löschen können.

Heute lebe ich aktuell ohne Schulden. Ich hab nen Auto, Handyvertrag, Internet und ne nette Frau die mir bei allem geholfen hat. Meine Eltern wussten von den ganzen Sachen nichts.

Ich hoff für den Treaderöffner, dass er auch jemanden hat der ihm ein wenig Tritt und nen Mut hat auch mal kleine Brötchen zu backen. Ich hab es geschafft, viele andere schaffen es auch ohne Privatinsolvenz.

Bei ner Insolvenz hast Du jahrelang die Hosen unten - kriegst nichts!

Reden mit den Firmen hilft mehr wie verstecken, wegschmeißen etc - nur Du musst es wollen.

Viel Glück

Blue

2 Like

Hallo,
Wolfgang hat m.E. alles vollkommen korrekt beleuchtet! Ein Hinweis noch: Der Betreffende sollte möglichst rasch handeln und KOntakt mit den Gläubigern aufnehmen und nicht immer auf den Gerichtsvollzieher warten. Es ist zu bedenken, dass mit jedem einzelnen Schritt (jeder Mahnung, jeder Gerichtsvollzieher-Kontakt …) weitere Kosten hinzukommen und natürlich auch die Zinsen weiterlaufen. Also handeln und verhandeln über Schuldsumme und Zinsen. Zeit ist wirklich Geld!
Gruss, Eva

Hi,

hier einige Links:
http://www.akademie.de/private-finanzen/ueberschuldu…
http://www.schuldnerberatung-euregio.com/zwangsvolls…
http://www.forum-schuldnerberatung.de/service_ratgeb…

bye

Hallo

Es gibt ein nützliches Buch von den Verbraucherzentralen:

http://www.verbraucherzentrale-bremen.de/infothek/sc…

darin steht alles wissenswerte.
Außerdem empfehle ich noch folgende Lektüre:

Insolvenzordnung 10 Auflage 2006, erschienen im DTV, Kostenpunkt 8 Euro.ISBN 3-423-05583-9 Buch anschauen

Ich kann mir vorstellen das DTV Buch bekommt man auch in öffentlichen Büchereien.

Alles Gute
Wolfgang

[Bei dieser Antwort wurde das Vollzitat nachträglich automatisiert entfernt]

Erstmal vielen Dank für die Vielen Antorten, das Hilft mir schonmal ungemein.
Also folgendes: Der Azubi hat kein Auto, keine Lebensversicherung. Er gibt schon alles, die Schulden zurückzuzahlen. Aber bei einem Inkassounternehmen kann er gar nicht so viel zurückzahlen, dass er die Zinsen in nächster Zeit aufholt. Ca. 4000 Euro wollen die noch, fast 45 euro monatlich an Zinsen. Bei einer Ratenhöhe von derzeit 50, ab Oktober 100 Euro. Da ist der Azubi nur am Zinsen zahlen.
Was kann er noch machen, ausser Ratenzahlung? Kann er den Inkassounternehmen mitteilen, dass er nicht mehr zur Zahlung fähig ist bzw. einen Teilerlass mit Hinweis auf eine evtl. folgende Privatinsolvenz erwünschen?

Danke für die Hilfe

[Bei dieser Antwort wurde das Vollzitat nachträglich automatisiert entfernt]

Hallo Marcel!

Kann er den Inkassounternehmen mitteilen, dass er nicht mehr zur
Zahlung fähig ist bzw. einen Teilerlass mit Hinweis auf eine evtl.
folgende Privatinsolvenz erwünschen?

Inkassounternehmen treiben nur ein, für Vergleichsverhandlungen sind sie nicht zuständig. Wenn jemand Hunde auf Dich hetzt, helfen Dir Gespräche mit den Hunden nichts, Du mußt Dich ans Herrchen wenden. Herrchen ist bei Schulden immer der Gläubiger (bei um 3 oder mehr Zehnerpotenzen höheren Schulden können die Verhältnisse entgegengesetzt liegen). Damit sich das Herrchen nicht zu sehr als Befehlsgeber aufspielt, müssen ihm die Grenzen seines Tuns klar werden. Er muß erkennen, daß der Schuldner im Rahmen seiner Möglichkeiten bezahlen wird, sobald der Bogen aber überspannt wird, gibt es vorhersehbar gar nichts mehr und er bleibt zusätzlich auf den Inkassokosten sitzen.

Der Schuldner sollte sich vor nicht einhaltbaren Zahlungszusagen hüten und auch davor, nur einen Gläubiger zu bedienen. Andernfalls ist ein Gläubiger halbwegs zufrieden und es eskaliert an allen möglichen anderen Stellen. Deshalb ist die Auflistung sämtlicher Gläubiger mit allen Schuldbeträgen wichtig. Mit allen Gläubigern muß geredet werden und jeder bekommt vom monatlich zur Verfügung stehenden Betrag eine Quote, die seinem Anteil an den gesamten Verbindlichkeiten des Schuldners entspricht. So ganz lupenrein ist das Verfahren nicht zu realisieren. Man wird z. B. eine Forderung von 10 € nicht in 60 Monatsraten begleichen. Außerdem wird man versuchen, nur über die Hauptforderungen zu reden, nicht über Zinsen, Mahnkosten usw… Man braucht dafür ein bißchen Fingerspitzengefühl. Es ist oft sinnvoll, wenn nicht der Schuldner selbst die Gespräche führt, sondern ein in solchen Dingen erfahrener Mensch. Der Gang zu einer Schuldnerberatungsstelle ist deshalb dringend zu empfehlen.

Gruß
Wolfgang

1 Like