Die Lückentheorie ist absolut nutzlos und widerspricht dem gesamten Text in seiner literarischen Struktur und seinem Platz in der Schrift insgesamt. Sie fällt theologisch in tiefste Zeiten zurück, da der 1. Schöpfungsbericht damit zu einem realen Geschehen deklariert würde - es ist aber ein Mythos und steht schließlich gleichwertig mit dem 2. Schöpfungsbericht nicht umsonst am Anfang der Bibel. Der Leser ist selbst gefordert, die Deutungsangebote beider Berichte zu prüfen und in seine Lebenswelt zu übertragen. Eine wörtliche Auslegung befördert Christen auf jene fundamentalistische Stufe der amerikanischen Kreationisten zurück, die den Glauben zu einer Posse machen.
Man kann mit historisch-kritischer Exegese sicher sehr viele Details der Schriften näher untersuchen - aber eine „Lücke“ zwischen dem ERSTEN und ZWEITEN Vers der Bibel auszumachen, ist nicht nur unlogisch, sondern hieße zugleich Leser und Schreiber für dumm erklären. Es wird in Vers 2 schließlich nur die im 1. Vers geschaffene Erde BESCHRIEBEN!
Die Lückentheorie kommt nur zustande, wenn man den 2. Vers als einen völlig neuen Abschnitt verstünde. Die Frage von „hajtah“ als ‚war‘ oder ‚wurde‘ ist letztlich nur den Tempusgebrauch modernen Sprachen wie dem Deutschen oder Englischen geschuldet.
Vergleiche einmal die Übersetzung jüdische Übersetzung von Rosenzweig/Buber:
- Im Anfang Schu G*** den Himmel und die Erde
- Die Erde aber war/wurde Irrsal und Wirrsal …
Selbst wenn hier nun ‚wurde‘ übersetzt würde, so verstieße man völlig gegen das im gesamten Kapitel vorherrschende Thema der Strukturierung durch die 6/7-Tage. Selbst ‚wurde‘ erklärt nur, wie die frisch geschaffene Erde war - und dann schließlich mit Leben gefüllt wird.
Schöpfungstexte des AT sind meines Erachtens Mythen. Sie dürfen und wollen keinesfalls wörtlich verstanden und als reale Geschehnisse angesehen werden. Sie sind Texte die zum Nachdenken über unser Hier und Jetzt, über unsere Rolle in dieser Welt Auskunft geben wollen und Deutungsangebote darstellen. Es geht in keinem der Texte darum eine physikalisch korrekte Entstehung der Welt zu beschreiben, sondern will Auskunft über das WARUM der Menschheit geben. Nicht WIE wurden Welt, Tiere und Menschen geschaffen, sondern WARUM gibt es Welt, Tiere und Menschen!
Erst wenn dieser Gedankenschritt vollzogen werden kann, ist man in der Lage aus der Bibel all die geistige Tiefe herauszuholen, die sie seit Jahrtausenden erfolgreich macht und zu „Gottes Wort“ macht.