Produktion von Dreamliner und A380

Hallo Experten,

sowohl Boing als auch Airbus lassen ihre Flugzeuge an verschiedenen Orten fertigen und setzen diese dann nach aufwändigem Transport zusammen.

Während ich das bei dem europäischen Konzern Airbus noch irgendwie verstehen kann, leuchtet es mir bei Boing nicht ein, warum z.B. die Heckflosse des Dreamliners in Italien gefertigt werden muss.

Warum baut man nicht ein Werk pro Flugzeugtyp in dem alles gefertigt wird?

Warum nimmt man die Kosten des teuren Transports, des Risikos von Transportschäden oder der Gefahr mangelhafter Absprache zwischen den einzelnen Herstellungsorten auf sich(man denke nur an die NASA-Sonde Mars Climate Orbiter, die aufgrund von der mangelhaften Abstimmung zwischen US-amerikanischen und europäischen Maßeinheiten abstürzte)?

Die Herstellungskosten können in Italien doch nicht so viel niedriger sein als in den USA, oder?

Also liebe Experten, wo liegt der Vorteil der Herstellung in unterschiedlichen Werken?

Gruß,
Sax

Verschiedene Produktionsstätten weisen auf Zulieferer hin, die mittelbar und unmittelbar im Kostenvergleich billiger sind als andere Lösungen. Für diesen Vergleich zählen auch die Beherrschung verschiedener Hochtechnologien. Ein Flugzeug wird heute mit den modernsten Komponenten und Fertigungsverfahren konstruiert und gebaut. Möglicherweise sind diese irgendwo in der Welt vorhanden, so daß man sie nicht mit hohen Kosten und Zeitverlusten selbst entwickeln muß.

Das Beispiel Heckflosse deutet möglicherweise auf eine Technologie im Bereich Verbundwerkstoffe hin, welche in den geforderten Dimensionen nicht überall verfügbar ist. Das kann z.B. an den erforderlichen Maßen der Autoklaven liegen, die für die Produktion Verwendung finden.

Das sind allgemeine Gedanken aus der Praxis; vielleicht finden sich weitergehende Antworten aus der Luftfahrtindustrie.

Grüße,
Chrizz

Servus,

danke, das ist ein guter Hinweis.

Dennoch finde ich erstaunlich, dass sich das rechnet. Vor allem wenn man bedenkt, dass allein vom Dreamliner schon 900 Maschinen verkauft wurden und ja sicherlich ein Bau des Flugzeugs für die nächsten Jahrzehnte geplant ist, somit sich also die Bereitstellung eines Werkes an einem Ort bzw. „Einkauf des Know-hows“ sicherlich lohnen würde.

Wenn man dann noch liest, welche Probleme Boing mit den Zulieferern hatte (geschätzte Mehrkosten von 15 Mrd. Dollar aufgrund falsch oder schlecht gefertigter Teile und der damit verbunden Zeitverzögerung stehen im Raum), fragt man sich doch, ob es eine gute Idee war, sich für die „Zulieferer-Lösung“ zu entscheiden…

Gruß,
Sax

Hi,

es heißt Boeing, nicht Boing.
http://www.boeing.com/

Gruß S

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Hallo,

ich weiß aus dem Autobau, dass hier mitunter zollrechtliche und politische Aspekte eine Rolle spielen.

Durch den Einkauf von Teilen aus z.B. Italien, Brasilien, Russland, etc. kann man diese Beträge oft mit der Einfuhr des fertigen Flugzeuges gegenrechnen. Beispiel: Hersteller kauft eine Million Hitzeschutzbleche aus Alu und darf deren Wert mit den 5.000 fertigen Autos verrechnen und zahlt keinen Zoll (es gibt Länder die erheben auf Autos bis zu 100% Zoll).

Ferner steckt da auch Politik dahinter, da ja vor allem große Airlines staatsnah sind (oder zumindest Politiker im Aufsichtsrat haben). Da können sich dann die Mehraufwände für Abstimmung und Transport schon rechnen.

Viele Grüße

Lumpi

Eine kurze Recherche ergab, daß die Probleme wohl im Bereich der Montage zu finden waren, nicht also beim Hersteller der Baugruppe.

http://www.flugrevue.de/de/zivilluftfahrt/fluggeraet…

Grüße,
Chrizz

Hallo,

Warum baut man nicht ein Werk pro Flugzeugtyp in dem alles
gefertigt wird?

Aus dem gleichen Grund, warum auch nicht Autos, Fernseher, Kühlschränke oder Computer vollständig in einem Werk gebaut werden, sondern aus Einzelteilen gefertig werden, die in aller Regel von verschiedenen Zulieferern stammen: Die Zulieferer haben das Know-How, entsprechend ausgebildete Leute und dafür konstruierte Maschinen, um genau diese Teile zu bauen. All das müsste Boeing erst aufwändig selbst entwickeln, was ungleich teurer wäre.

Außerdem produzieren Zulieferer meist in größeren Stückzahlen und können damit Material günstiger einkaufen, Maschinen und Personal besser auslasten und damit schlicht eine höhere Produktivität erreichen, als wenn das Boeing selbst oder gar nur für ein Flugzeug machen würde. Alenia (die besagte italienische Firma) fertig ja nicht nur für Boeing, sondern ist auch größter externen Zulieferer für Airbus und auch Zulieferer für eine ganze Reihe anderer Firmen wie z.B. Bombardier, EADS, Lockheed Martin, Dassault usw usf…

Und im großen und ganzen klappt das ja auch sehr gut. Alenia wäre ja nicht bei so vielen Firmen als Zulieferer tätig, wenn sie ihr Handwerk nicht verstünden. Und Alenia ist und war ja auch bei einer ganzen Reihe anderer Flugzeuge von Boeing Zuliefer, so dass Boeing ja wusste, was die können und ob man mit deren Arbeit zufrieden war.

Die Verzögerungen beim Dreamliner sind sicherlich nicht primär darauf zurück zu führen, dass man viele Teile von Zulieferern erhält, denn das ist Gang und Gäbe bei allen Flugzeugen und das klappt dort ja schließlich auch. Die Verzögerungen resultieren IMO einfach daraus, dass man das Flugzeug zum einen fast komplett neu entwickelt hat (und nicht größtenteils auf bereits erprobte Konstruktionen früherer Flugzeugtypen zurückgegriffen hat) und dass man zu einem großen Teil völlig neue Werkstoffe (wie Carbon-Verbundstoffe etc) einsetzte, mit denen man ebenfalls noch nicht viele Erfahrungen hatte. Man hat wohl einfach systematisch die möglicherweise auftretenden Schwierigkeiten unterschätzt, die ein aus o.g. Gründen viel komplexerer Konstruktionsprozess mit sich bringt.

vg,
d.

Hallo,

Wenn man dann noch liest, welche Probleme Boing mit den
Zulieferern hatte

Und du glaubst, wenn man das selbst macht, gibt es keine Anlaufschwierigkeiten (wobei es da bisher ja um die Prototypen ging, die genau dazu da sind alle denkbaren Probleme aufzudecken)?
Im Vergleich zu einem Flugzeug ist ein Auto ja noch recht simpel gestrickt. Der Start einer neuen Modellreihe (heute schon fast typisch in einer komplett neuen oder mindestens vorher total entkernten Fabrik) bis zur normalen Produktion dauert auch viele Wochen und da passen schon alle Teile zusammen.

Cu Rene

Moin,

zusätzlich zu dem bereits gesagten fielen mir noch zwei Aspekte ein die vielleicht eine Rolle spielen könnten:

Natürlich kann man Spezialmaschinen zur Teilefertigung für die es vielleicht nur einen/wenige Hersteller gibt überall auf der Welt aufbauen lassen. Diese Kosten kann man ja noch abschätzen, aber im Falle einer kurzfristig benötigten Wartung müssten die Monteure dann quer über den Erdball geflogen werden was Zeit kostet und u.U. Visa benötigt. Sowas ist nicht so gut wenn man sich zB. einen maximal 10stündigen Ausfall erlauben will. Da ist es besser, wenn die Maschine „in der Nähe“ des Herstellers steht. Zumindest im selben Land bzw Kontinent.

Auch findet man nicht überall auf der Welt gleich oder gleich gut ausgebildete Mitarbeiter. Will man nun alles KnowHow welches man für ein ganzes Flugzeug benötigt an einem einzigen Platz konzentrieren wird das nicht ohne Widerstand/Kosten in der Belegschaft geben.

Nur so als Idee…

VG
J~

Hallo,

Will man nun alles KnowHow welches man für ein ganzes Flugzeug benötigt an einem einzigen Platz konzentrieren wird das nicht ohne Widerstand/Kosten in der Belegschaft geben.

Bei diesem Satz kommt bei mir noch ein Gedanke hoch: Die Gewerkschaften. Hört sich lächerlich an, ist aber z.B. bei den Erfahrungen die GM gemacht hat ein schwerwiegender Punkt.

Konzentriert man zu viele Fachkräfte an einem Ort, so werden die Gewerkschaften stark und schlimmstenfalls übermächtig.

Deswegen werden z.B. alle neuen Autowerke in den USA weeeeiit weg von Detroit gebaut.

Ein weiterer Punkt sind Währungsschwankungen die einen nicht so hart treffen wenn man die Produktion auf Dollar, Euro, Yuan und Yen verteilt.

Viele Grüße

Lumpi

Hallo!

Warum baut man nicht ein Werk pro Flugzeugtyp in dem alles gefertigt wird?

So funktionierte früher Produktion: Rohstoffe und Halbzeuge hinein und fertiges Produkt heraus. Vor Jahrzehnten erlebte ich das Ende solcher Produktionsmethoden. Zum Werk, das militärische Sachen produzierte, gehörte eine Lackiererei, eine Galvanik, eine Leiterplattenfertigung, ganze Hallen mit Dreh- und Fräsmaschinen, eine Halle mit Spritzgussmaschinen - was das Herz begehrt, es gab einfach alles. Aber restlos alles stieß langsam an seine Grenzen.

Die Lackiererei konnte mit Tauchlackierung und Einbrennlack noch etwas anfangen, aber dann kamen Wünsche nach Pulverbeschichtung auf und Know-how nebst Ausstattung reichten nicht mehr.

Die Leiterplattenfertigung kam mit einseitig, später mit beidseitig beschichtetem Material noch zurecht. Aber bald wurden galvanische Durchkontaktierungen, mehrlagige Leiterplatten, flexible Leiterplatten, feinste Strukturen und keramische Trägermaterialien erforderlich und die eigene Fertigung konnte beim besten Willen nicht mehr mithalten.

Von der Dreherei mit Dutzenden altgedienten Mechanikern wurden plötzlich Bohrdurchmesser gefordert, die kleiner waren als die Rundlaufgenauigkeit mancher Drehmaschine, mit Bohrern, die nicht mehr in Zehntelmillimetern, sondern in Mikrometern abgestuft waren. Das ganze mit Genauigkeiten, die sich nur noch mit optischen Verfahren in klimatisierter Kammer überprüfen ließen.

So erging es auch allen anderen Abteilungen. Die Wir-machen-alles-Mentalität funktionierte bei vergleichsweise einfachen Fertigungsmethoden. Aber jede einzelne Fertigungsmethode erfuhr im Laufe der Zeit eine Weiterentwicklung mit Spezialisierungen und Verfeinerungen, so dass daraus jeweils eigene Branchen mit speziellem Know-how wurden. Wer sein eigenes Kerngeschäft nicht aus dem Blick verlieren wollte, konnte die entstandene Vielfalt nicht mehr beherrschen. Auch die größten Branchenriesen sind dazu nicht mehr in der Lage, sind vielmehr auf Gedeih und Verderb auf spezialisierte Zulieferer und deren Know-how angewiesen. Die Zulieferer sind schon beim Konzept für ein neues Produkt mindestens beteiligt und übernehmen an zuvor festgelegten Schnittstellen bereits die Konstruktion ihres Parts.

Wenn Du ein beliebiges, komplexes Industrieprodukt kaufst, stammt – wenn überhaupt – nur ein kleiner Teil der Komponenten von dem Unternehmen, dessen Logo das Fertigprodukt ziert. Soweit irgend vermeidbar, strebt heute niemand mehr besonders hohe Fertigungstiefe an. Man würde die Schritte nicht in der erforderlichen Perfektion wie ein Spezialist beherrschen und müsste für jeden Fertigungsschritt einen Haufen Geld für spezielle Anlagen und Fachleute ausgeben. Statt sich so zu verzetteln, beschränken sich Hersteller auf das Konzept für das Produkt, Teile der Konstruktion, Endmontage und Vertrieb. In aller Regel entfällt auf Zulieferer der weitaus größte Anteil am Endprodukt. Wenn Du von einem Auto alles abbaust, was von Zulieferern konstruiert und produziert wurde, bleibt nicht mehr viel übrig. Bei Flugzeugen ist die arbeitsteilige Produktion eher noch ausgeprägter.

Gruß
Wolfgang

Moin,

Wenn Du von einem Auto alles abbaust,
was von Zulieferern konstruiert und produziert wurde, bleibt
nicht mehr viel übrig.

das wäre dann der Markenname, das Gesamt-Design, die (Blech-)Karosserie, der Motorblock, evtl noch Teil des Fahrwerks, oder?

J~

Hallo!

…bleibt nicht mehr viel übrig.

das wäre dann der Markenname, das Gesamt-Design, die
(Blech-)Karosserie, der Motorblock…

Sämtliche Anbauteile und Aggregate kommen ohnehin von Zulieferern und selbst der Motor als solcher besteht zum beträchtlichen Teil aus Komponenten von Zulieferern, die nicht nur austauschbare Lohnfertiger, sondern Träger des Know-hows sind. Für Kurbelwellen, Zahnräder, Kolben, Ventile, Steuerketten, Dichtungen aller Art, eigentlich alles bis zur letzten Schraube, gibts Spezialisten, die es besser und wirtschaftlicher können, als sonst irgend wer.

Egal an welche Stelle man guckt, ist es überwiegend das Werk von Zulieferern, etwa Kupplung, Getriebe, Bremsen, das gesamte elektrische System, Tank und Kraftstoffleitung, Bremsleitungen, sämtliche Filter, Gummiteile, Schäuche, Sensoren, Kugellager, Gelenke, Felgen und Reifen, Armaturen und Instrumente … es bleibt nicht viel übrig. Wenn man sich diese Vielfalt sowie den Sachverhalt vor Augen führt, dass in jedem Teil ein Haufen Entwicklung und Fertigungs-Know-how steckt, kann niemand mehr auf die Idee kommen, alles selbst entwickeln und produzieren zu wollen. Auch Ideen, wenigstens alles im eigenen Land produzieren zu lassen, scheitern angesichts der zu bewältigenden Vielfalt. Außerdem würde man sich von wertvollem Know-how abschneiden.

Ähnliches gilt inzwischen für die meisten Produkte. Wenn Du Dir eine Zigarette von Reemtsma ansteckst, kommt der Filter vom Spezialisten, das Papier von einem ganz anderen Spezialisten und das wesentliche Know-how der Herstellung liegt beim Lieferanten der Zigarettenmaschine. Dann fehlt neben dem Tabak und seiner Mischung aus verschiedenen Sorten noch die Verpackung und das sind wiederum andere Spezialisten. In vielen Fällen stellt das als Hersteller auftretende Unternehmen gar nichts mehr selbst her.

Gruß
Wolfgang

1 Like

Hallo,

Wenn Du von einem Auto alles abbaust,
was von Zulieferern konstruiert und produziert wurde, bleibt
nicht mehr viel übrig.

das wäre dann der Markenname, das Gesamt-Design, die
(Blech-)Karosserie, der Motorblock, evtl noch Teil des
Fahrwerks, oder?

motorblock:
das dazu notwendige aluminium wird von zulieferern im flüssigen zustand im taktbetrieb aus grossen entfernungen herangekarrt.

karosserie:
so gut wie jedes blechteil wird fertig herangekarrt. fahrwerk: dito.