Hallo!
Warum baut man nicht ein Werk pro Flugzeugtyp in dem alles gefertigt wird?
So funktionierte früher Produktion: Rohstoffe und Halbzeuge hinein und fertiges Produkt heraus. Vor Jahrzehnten erlebte ich das Ende solcher Produktionsmethoden. Zum Werk, das militärische Sachen produzierte, gehörte eine Lackiererei, eine Galvanik, eine Leiterplattenfertigung, ganze Hallen mit Dreh- und Fräsmaschinen, eine Halle mit Spritzgussmaschinen - was das Herz begehrt, es gab einfach alles. Aber restlos alles stieß langsam an seine Grenzen.
Die Lackiererei konnte mit Tauchlackierung und Einbrennlack noch etwas anfangen, aber dann kamen Wünsche nach Pulverbeschichtung auf und Know-how nebst Ausstattung reichten nicht mehr.
Die Leiterplattenfertigung kam mit einseitig, später mit beidseitig beschichtetem Material noch zurecht. Aber bald wurden galvanische Durchkontaktierungen, mehrlagige Leiterplatten, flexible Leiterplatten, feinste Strukturen und keramische Trägermaterialien erforderlich und die eigene Fertigung konnte beim besten Willen nicht mehr mithalten.
Von der Dreherei mit Dutzenden altgedienten Mechanikern wurden plötzlich Bohrdurchmesser gefordert, die kleiner waren als die Rundlaufgenauigkeit mancher Drehmaschine, mit Bohrern, die nicht mehr in Zehntelmillimetern, sondern in Mikrometern abgestuft waren. Das ganze mit Genauigkeiten, die sich nur noch mit optischen Verfahren in klimatisierter Kammer überprüfen ließen.
So erging es auch allen anderen Abteilungen. Die Wir-machen-alles-Mentalität funktionierte bei vergleichsweise einfachen Fertigungsmethoden. Aber jede einzelne Fertigungsmethode erfuhr im Laufe der Zeit eine Weiterentwicklung mit Spezialisierungen und Verfeinerungen, so dass daraus jeweils eigene Branchen mit speziellem Know-how wurden. Wer sein eigenes Kerngeschäft nicht aus dem Blick verlieren wollte, konnte die entstandene Vielfalt nicht mehr beherrschen. Auch die größten Branchenriesen sind dazu nicht mehr in der Lage, sind vielmehr auf Gedeih und Verderb auf spezialisierte Zulieferer und deren Know-how angewiesen. Die Zulieferer sind schon beim Konzept für ein neues Produkt mindestens beteiligt und übernehmen an zuvor festgelegten Schnittstellen bereits die Konstruktion ihres Parts.
Wenn Du ein beliebiges, komplexes Industrieprodukt kaufst, stammt – wenn überhaupt – nur ein kleiner Teil der Komponenten von dem Unternehmen, dessen Logo das Fertigprodukt ziert. Soweit irgend vermeidbar, strebt heute niemand mehr besonders hohe Fertigungstiefe an. Man würde die Schritte nicht in der erforderlichen Perfektion wie ein Spezialist beherrschen und müsste für jeden Fertigungsschritt einen Haufen Geld für spezielle Anlagen und Fachleute ausgeben. Statt sich so zu verzetteln, beschränken sich Hersteller auf das Konzept für das Produkt, Teile der Konstruktion, Endmontage und Vertrieb. In aller Regel entfällt auf Zulieferer der weitaus größte Anteil am Endprodukt. Wenn Du von einem Auto alles abbaust, was von Zulieferern konstruiert und produziert wurde, bleibt nicht mehr viel übrig. Bei Flugzeugen ist die arbeitsteilige Produktion eher noch ausgeprägter.
Gruß
Wolfgang