Aw: Prof. ??? Dr. ??? Was denn nun???
Grüße!
Vergiß niemals: Du, der kleine Student, sprichst und schreibst mit fremden Leuten, die einen bestimmten akademischen Werdegang vorweisen können und relativ zu Dir bereits sehr viel mehr im Leben erreicht haben.
Die deutsche Sprache kennt prinzipiell drei verschiedene Stufen, Distanz zwischen sich und einen fremden Menschen zu bringen, um auf diese Weise höflich und achtunggebietend zu sein.
Von diesen drei Stufen sind im gegenwärtigen Sprachgebrauch noch zwei erhalten: das Du und das Sie.
Deine Hochschullehrer solltest Du immer Siezen.
Das mag im ersten Moment komisch klingen, aber dieser elementare Anstand ist anscheinend unter den Studenten keine Selbstverständlichkeit mehr, wenn ich manche E-Mail lese.
Zu den Titeln:
Das ist relativ schwierig.
Diplom und Doktor sind in der BRD keine Titel, sondern es handelt sich um sogenannte „akademische Grade“, das heißt, höchstwertige Abschlüsse, die ausschließlich in Hochschulen erworben werden können.
In der BRD bilden solche Abschlüsse keinen Teil des Namens und Deine Hochschullehrer haben deswegen kein Recht, daß Du ihre akademischen Abschlüsse entsprechend würdigst.
Aber selbstverständlich tust Du das, und zwar sowohl schriftlich wie auch mündlich. Das ist eine Sache der Höflichkeit.
Es gilt immer der höchste „Titel“, sprich Professor, wenn es ein Professor ist, Doktor, wenn es ein Doktor ist. Das Diplom hat keinen Wert.
Üblichweise ist es der „Herr Professor“ oder der „Professor Schlagmichtot“, je nachdem, ob Du den Namen verwendest oder nicht.
Der Verbindung „Herr Professor Schlagmichtot“ ist bereits sehr förmlich.
E-Mails solltest Du mit „Sehr geehrter Herr Prof. Schlagmichtot“ einleiten und unten mit ordentlichen Grüßen abschließen.
Ich weiß nicht, wo Du studierst. Doch solltest Du im Osten studieren, achte u n b e d i n g t auf die obigen Umgangsformen. Das hat mit der Bildungstradition der DDR zu tun. In der DDR gehörten die akademischen Grade
- Diplom (Hochschulstudium)
- Doktor (Promotion A)
- Doktor sc. (Promotion B)
zum Namen. Das bedeutete, die akademischen Grade Diplom, Doktor, Doktor scientiae waren zugleich Titel, die es zu nennen galt.
Für uns Studenten hieß das, daß wir einen Herrn Schlagmichtot wie folgt zu adressieren hatten:
- „Herr Diplom-Ingenieur Schlagmichtot“, wenn es ein Dipl.-Ing. Schlagmichtot war
- „Herr Doktor Schlagmichtot“, wenn es ein Dr.-Ing. Schlagmichtot war
- „Herr Doktor Schlagmichtot“, wenn es ein Dr. sc. techn. Schlagmichtotwar
- „Herr Professor Schlagmichtot“, wenn es ein Prof. Dr. sc. techn. Schlagmichtot war
Die Grade/Titel wurden in amtliche Dokumente eingetragen, das heißt in den Ausweis und in den Reisepaß. Im öffentlichen Leben wurden die gebührenden Anreden insbesondere bei bürokratischen Angelegenheiten und bei Behörden verwendet.
Beispiel:
Wenn ich mit meinem Wartburg auf der Straße herumzuckelte und mich der Vopo zur Alkoholkontrolle anhielt, war ich grundsätzlich nach der Durchsicht der Papiere der „Herr Diplom-Ingenieur“ für den Vopo.
Auf dem Amt für Arbeit und Berufsberatung (so hieß die ARGE in der DDR) war ich im Gespräch grundsätzlich der „Herr Diplom-Ingenieur“ für die Angestellten.
Ich konnte rein rechtlich darauf bestehen, mit dem akademischen Titel angesprochen zu werden.
Mit der Wiedervereinigung entfiel das alles, doch man spürt deutlich, daß die alten Herrschaften es nicht leiden können, wenn die Studenten das höfliche Grüßen verweigern oder als Anrede der „Herr Müller“ kommt, obschon der „Herr Doktor Müller“ oder der „Herr Professor Müller“ angebracht wäre.
Wie eng das allerdings die Herrschaften in den westlichen Regionen Deutschlands sehen, weiß ich leider nicht.
Doch sicher ist sicher! Und sicher ist eines: Beachtest Du die Höflichkeitsformen und sprichst und schreibst den höchsten „Titel“, umschiffst Du alle unangenehmen Klippen. Sollte sich Dein Professor als antiautoritärer Spinner entpuppen, der entgegen der Norm am liebsten mit dem Vornamen oder mit Du angesprochen werden möchte, kannst Du das später immer noch tun.
Tschüß
reinerlein