Hallo!
ich versuche gerade den Begriff „Projektive Identifikation“ zu
verstehen. Habe mich durch diverse Nachschlagewerke
durchgelesen, kann mir aber einfach kein Beispiel dazu bilden.
Wie z. B. kann eine projektive identifikation zum Therapeuten
aussehen?
Oder zur Mutter/Vater?
Man muss unterscheiden zwischen 1. der PI als Konzept eines Abwehrmechanismus wie von Melanie Klein eingeführt, und 2. der PI als Ausgangspunkt einer Reihe unterschiedlicher Konzepte der sog. Übertragungs-Gegenübertragungs-Dynamik zwischen Patient und Analytiker.
Zu 1.: „Projektion“ meint innen->außen, Abspaltung von Selbstanteilen und (phantasiehafte) Übertragung auf ein Objekt.
„Identifizierung“ meint umgekehrt außen->innen, Einverleibung von Objektanteilen ins Selbst.
Die PI ist also eine Doppelbewegung. Zum Beispiel kann das Kleinkind destruktive Regungen, die gegen die Mutter gerichtet sind, nicht in seine Selbstrepräsentanz integrieren, darum spaltet es diese destruktiven Anteil ab und projiziert sie auf die dann als destruktiv erlebte Mutter.
Zugleich aber nimmt das Kind diese abgespaltenen und projizierten Regungen dadurch wieder auf, dass es sich (wie unweigerlich im Kleinkindalter) mit der Mutter identifiziert, also auch mit der eigenen auf die Mutter projizierten Destruktivität, die dann aber schon etwas besser integrierbar ist, weil von außen kommend, und so fort.
Zu 2: Hieran haben viele Theoretiker unterschiedlich angeschlossen um das Übertragungs-Gegenübertragungs-Geschehen in der Analyse zu charakterisieren.
Gemeinsam ist all diesen Ansätzen die skizziert Doppelbewegung, also die wesentliche Verbindung von Projektion und Identifizierung.
Zum Beispiel Winfried Bion hat die PI mit seinem Modell des Containing verbunden, und gezeigt, wie der Patient unbewusste Regungen, die er in der Analyse gegenüber seinem Analytiker nicht verbal darstellen kann, auf seinen Analytiker projiziert, der dann in der Reflexion seiner eigenen Gefühlswelt diese Regung erfassen und verstehbar machen kann, und diese dann über den Weg der Identifizierung an den Patienten „zurückgeben“ kann- und zwar in so „entgifteter“ Form, dass der Patient nun diese ehemals verdrängte unbewusste Regung bewusst in sich erkennen und integrieren kann.
Beispiel dazu: Der Patient litt als Kind daran, dass ihn seine Mutter immer mit tagelangem Schweigen bestraft hatte. Dessen ist er sich aber nicht bewusst genug, dass er das in der Analyse verbal benennen könnte. Stattdessen reagiert er aber auf bestimmte Deutungen des Analytikers selbst mit hartnäckigem Schweigen, und erzeugt so beim Analytiker das gleiche unangenehme Gefühl der Kommunikationslosigkeit, das er als Kind bei seiner Mutter ertragen musste.
Anders als der Patient kann der Analytiker dieses Gefühl dann aber bewusst wahrnehmen und kann damit umgehen, verarbeiten und beherrschen. Der Patient erkennt dann nach und nach -und mit Hilfe der Deutungen des Analytikers-, dass das sein eigenes projiziertes Gefühl ist, und er kann durch die Identifizierung mit dem Analytiker nach und nach lernen, damit klarzukommen, so wie der Analytiker nach und nach damit klargekommen ist.
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