Projektive Identifikation

Hallo,

ich versuche gerade den Begriff „Projektive Identifikation“ zu verstehen. Habe mich durch diverse Nachschlagewerke durchgelesen, kann mir aber einfach kein Beispiel dazu bilden.
Wie z. B. kann eine projektive identifikation zum Therapeuten aussehen?
Oder zur Mutter/Vater?

Hat Jemand Lust sich ein bildliches Beispiel auszudenken und s mir daran zu erklären?

Danke und viele Grüße
meta-ebene

Hallo meta-ebene,
diesen Text fand ich hilfreich:

„Andere Personen werden durch Manipulation dazu gebracht, sich so zu fühlen, wie man sich selbst fühlt (Definition von Michael Ermann in: Psychosomatische Medizin und Psychotherapie, Kohlhammer Stuttgart 2004: 64). Kleine Kinder kommunizieren manchmal so, wenn ihnen noch die Worte fehlen, um darzustellen, was sie bedrückt. Die Projektive Identifizierung ist eine sogenannte “primitive” Form der Abwehr.“

(Quelle: http://www.medizin-im-text.de/blog/?p=101)

Schöne Grüße, Jenna

Hallo Jenna,

ja jetzt wird es etwas klarer.
Beispiel wäre z.B. eine Jugendliche fühlt sich total ungerecht behandelt. Die projektive Identifikation wäre dann, wenn sie zu ihrer Mutter unmögliche Sachen sagt, und daraufhin fühlt sich die Mutter ungerecht behandelt.(?)

Grüße
meta-ebene

nach dem Lesen mehrerer Texte habe ich es etwas anders verstanden, wobei ich die Beschreibungen schon etwas schwer verständlich finde.
Ich würde mir das beispielsweise so vorstellen:
Zwei Personen sind im Gespräch, z.B. Patient und Therapeut. Der Patient reagiert verärgert und der Therapeut sieht sich tatsächlich als Auslöser des Ärgers (obwohl dieser es gar nicht war).

und dann passiert womöglich dies

„The second person is influenced by the projection and begins to behave as though he or she is in fact actually characterized by the projected thoughts or beliefs.“

Ist im englischen Wiki simpler erklärt als im deutschen

http://en.wikipedia.org/wiki/Projective_identification

nochmal anders
meine erste Antwort war falsch ausgedrückt:

Ich versuch es nochmal anders:

Person x der etwas von Person y zugeschrieben wird (also auf den etwas projiziert wird), z.B. dass er böse ist, verhält sich aufgrund dieser Zuschreibung von y unbewusst auch so. Dieses Verhalten liefert dann y die
Bestätigung der ersten Zuschreibung (nämlich, dass die Person böse ist). Das kann dann zum Teufelskreis werden und sich hochschaukeln. In einer Therapiesituation vermutlich nicht besonders hilfreich, wenn es nicht erkannt wird.

Hallo!

ich versuche gerade den Begriff „Projektive Identifikation“ zu
verstehen. Habe mich durch diverse Nachschlagewerke
durchgelesen, kann mir aber einfach kein Beispiel dazu bilden.
Wie z. B. kann eine projektive identifikation zum Therapeuten
aussehen?
Oder zur Mutter/Vater?

Man muss unterscheiden zwischen 1. der PI als Konzept eines Abwehrmechanismus wie von Melanie Klein eingeführt, und 2. der PI als Ausgangspunkt einer Reihe unterschiedlicher Konzepte der sog. Übertragungs-Gegenübertragungs-Dynamik zwischen Patient und Analytiker.

Zu 1.: „Projektion“ meint innen->außen, Abspaltung von Selbstanteilen und (phantasiehafte) Übertragung auf ein Objekt.
„Identifizierung“ meint umgekehrt außen->innen, Einverleibung von Objektanteilen ins Selbst.

Die PI ist also eine Doppelbewegung. Zum Beispiel kann das Kleinkind destruktive Regungen, die gegen die Mutter gerichtet sind, nicht in seine Selbstrepräsentanz integrieren, darum spaltet es diese destruktiven Anteil ab und projiziert sie auf die dann als destruktiv erlebte Mutter.
Zugleich aber nimmt das Kind diese abgespaltenen und projizierten Regungen dadurch wieder auf, dass es sich (wie unweigerlich im Kleinkindalter) mit der Mutter identifiziert, also auch mit der eigenen auf die Mutter projizierten Destruktivität, die dann aber schon etwas besser integrierbar ist, weil von außen kommend, und so fort.

Zu 2: Hieran haben viele Theoretiker unterschiedlich angeschlossen um das Übertragungs-Gegenübertragungs-Geschehen in der Analyse zu charakterisieren.
Gemeinsam ist all diesen Ansätzen die skizziert Doppelbewegung, also die wesentliche Verbindung von Projektion und Identifizierung.

Zum Beispiel Winfried Bion hat die PI mit seinem Modell des Containing verbunden, und gezeigt, wie der Patient unbewusste Regungen, die er in der Analyse gegenüber seinem Analytiker nicht verbal darstellen kann, auf seinen Analytiker projiziert, der dann in der Reflexion seiner eigenen Gefühlswelt diese Regung erfassen und verstehbar machen kann, und diese dann über den Weg der Identifizierung an den Patienten „zurückgeben“ kann- und zwar in so „entgifteter“ Form, dass der Patient nun diese ehemals verdrängte unbewusste Regung bewusst in sich erkennen und integrieren kann.

Beispiel dazu: Der Patient litt als Kind daran, dass ihn seine Mutter immer mit tagelangem Schweigen bestraft hatte. Dessen ist er sich aber nicht bewusst genug, dass er das in der Analyse verbal benennen könnte. Stattdessen reagiert er aber auf bestimmte Deutungen des Analytikers selbst mit hartnäckigem Schweigen, und erzeugt so beim Analytiker das gleiche unangenehme Gefühl der Kommunikationslosigkeit, das er als Kind bei seiner Mutter ertragen musste.
Anders als der Patient kann der Analytiker dieses Gefühl dann aber bewusst wahrnehmen und kann damit umgehen, verarbeiten und beherrschen. Der Patient erkennt dann nach und nach -und mit Hilfe der Deutungen des Analytikers-, dass das sein eigenes projiziertes Gefühl ist, und er kann durch die Identifizierung mit dem Analytiker nach und nach lernen, damit klarzukommen, so wie der Analytiker nach und nach damit klargekommen ist.

_ ℂ Λ ℕ Ð I Ð € _

hier ist ein schönes Video (leider auf Englisch oder wie man’s nimmt)

http://www.videojug.com/interview/projection-and-you…

ab Sekunde 37 geht die Erklärung los mit Beispiel! :smile:

LG, Jenna

Danke
jetzt ist es sehr klar :smile:
Das Beispiel mit dem Schweigenden Patienten fand ich sehr Verständlich, danke.

Grüße
meta-ebene