Qabalah als Teil jüdischer Mystik

Hallo,
ich brauche mal wieder einen Literaturhinweis.

Die jüdischen Mystik kann nach Peter Schäfer in die Merkaba-Mystik (Ezechiel-Prophezeiung, Apokalypsen, Hekhalot-Literatur) und die Kabbala unterteilt werden. Schäfer schließt in seinen „Ursprünge(n) der jüdischen Mystik“ explizit das Thema Kabbala aus.
Neben Adolphe Franck und Ernst Müller haben Gershom Scholem und Moshe Idel das Thema aufgearbeitet, allerdings wohl nicht in ihrer möglichen Breite, Tiefe und Schärfe, wie Schäfer es getan hat.
Gibt es also eine/n zeitgenössische/n Autor/in, die theoretische und praktische Kabbala (letztere ist der Einstieg in die jüdische Magie) unterscheidet und bei den Theoretikern die theosophische, ekstatische und prophetische Richtung inhaltlich beschreibt, ohne bei den Lebensdaten ihrer Exponenten zu verbleiben? Eine Arbeit also, in der ein Gerüst beschrieben wird, um das herum das Thema aufbereitet werden kann. Gibt es das?

In einer Dissertation zum Thema „Die Kabbala-Rezeption im Werk Gershom Scholems“ (siehe docserver der Uni Düsseldorf) wird sogar gesagt, dass die Schechina (Schekhina) eine Ausprägung  des weiblichen Gotteselementes (S. 104) ist. Da frage ich mich doch, was das mit der Wohnstatt zu tun hat, die der Begriff eigentlich zum Ausdruck bringen will und woher dieser sich ausbreitende Unsinn(?) eigentlich stammt.

Wer außer Metapher kann mir helfen? :wink:

Danke für eure Antworten
Castiglio

Die Schechina in rabbinischer Literatur & Kabbala
Hallo,

ich brauche mal wieder einen Literaturhinweis.

ok, ich bin dann mal „außer mir“ und versuchs mal :wink:

Schäfer schließt in seinen „Ursprünge(n) der jüdischen Mystik“ explizit das Thema Kabbala aus.

Jo, aber nicht methodisch, sondern thematisch. Es geht um die Epochen vor der Kabbala, und die Abhandlung ist damit ein Desiderat der jüdischen Ideengeschichte gewesen, wobei dadurch erst bewußt wurde, daß es ein solches war. Er kann zeigen, daß die Kabbala nicht plötzlich auf eine tabula rasa aus dem Himmel gefallen ist.

Literatur über die Kabbala, Detailiertes und Generelles, füllt wörtlich Bibliotheken. Da ist Recherchieren angesgat, bis du das findest was du suchst. Am besten startet man immer in den Literaturhinweisen in dem, was du schon hast. In Scholems „Hauptströmungen“ zum Beispiel. Da hast du ja soetwas wie ein Gerüst - und größere Kompetenzen dürften schwer zu finden sein. Sofern ich ahne, worauf du hinauswillst: Es läge vielleicht an, dich auf Literatur über und nach Isaak Luria zu konzentrieren …

In einer Dissertation zum Thema „Die Kabbala-Rezeption im Werk Gershom Scholems“ … wird sogar gesagt, dass die Schechina …eine Ausprägung des weiblichen Gotteselementes ist.

Ist das dort als wörtliches Zitat von Scholem angegeben? Das würde mich sehr wundern. Weder „Ausprägung“ noch „Element“ treffen auf diesen Begriff zu, der nicht biblisch ist, sondern erst in der rabbinischen Literatur Karriere machte. Die (sic!) שכינה (ŝeḵinah) ist neben כבד (kabod, später als → griech doxa, lat. gloria vom Ursprung entfremdet) und מקום (maqowm, Raum, Ort) der wesentliche Begriff für die Präsenz Gottes in der Menschenwelt und -Geschichte. Problem der Interpretation der Midrasch- und Talmud-Literatur, und später besonders in der Kabbala (vor allem im Sefer haBahir) ist dann, ob diese personal und weiblich gedachte Präsenz identisch mit dem Gott ist oder soetwas wie ein Avatar oder ein anderes (jedenfalls auch in der rabbinischen Literatur bereits) jedenfalls personales Wesen sogar in einem noch engeren Verhältnis als Tochter, Schwester, Gemahlin, oder Mutter (sic!).

Da frage ich mich doch, was das mit der Wohnstatt zu tun hat, die der Begriff eigentlich zum Ausdruck bringen will

Nein, der Begriff (wie gerade schon gesagt) nicht, das Wort aber schon, denn es leitet sich ebenso wie משכנ (miŝkan, das „Bundeszelt“ in der Torah) von שכנ (ŝkn) „zelten, wohnen“ ab.

und woher dieser sich ausbreitende Unsinn(?) eigentlich stammt.

Damit sollte deutlich sein, daß es sich dabei - sozusagen - im Himmel willen nicht um Unsinn handelt, sondern es handelt sich bei ihr um einen Zentralbegriff der rabbinischen und dann kabbalistischen Philosophie. Sehr detailliert handelt darüber, und über die historische Entwicklung dieser Begriffbildung

  1. Peter Schäfer: Weibliche Gottesbilder im Judentum und Christentum ISBN 3458710132 Buch anschauen
    sowie
  2. Raphael Patai. The Hebrew Goddess ASIN: B00M0EDHB8 [Artikel anschauen]

Wenn dich die Schechinah, diese höchst spannende Erscheinung der jüdsichen Geistesgeschichte (und in diesem engen Zusammenhang, wie Schäfer beweis, auch der christlichen Mariologie des 12./13. Jhdts) also interessiert, sind das die Literaturempfehlungen ersten Ranges.

Gruß
Metapher

Hallo Metapher,
es ist immer wieder erstaunlich, wie wenig man weiß, wenn man ein Thema nicht studiert hat…

Zum weiblichen Gotteselement: Die Autorin schreibt: „E. Müller schreibt in seiner Einleitung zu Der Sohar: „Die Kabbala des Sohar bringt das weibliche Gotteselement der Schechina, …,besonders stark zur Betonung, die Einseitigkeit des männlichen Elements in der Tendenz des Mosaismus dadurch paralysierend.“ Da ist evtl. etwas falsch herübergekommen.

Für eine (auf journalistischem Niveau beruhende) Darstellung der Qabalah, wie sie von Akademikern gesehen wird (und gerade nicht die esoterische/hermetische Kabbala) und die in ihrem Umfang beschränkt ist, ist der Aufwand der Literaturrecherche, wie beschrieben, einfach zu groß. Mir schwebte ein Pendant zu Schäfers Buch vor, das mir einen Überblick zum Thema gibt. Aber das ist aber wohl noch zu schreiben.

Trotzdem herzlichen Dank für die immer wieder von mir gern gelesenen Bereicherungen meines geringen Fachwissens.

Herzlichst
Castiglio