Hallo wiederum,
zunächst nur nebenbei: „Märchen“ ist für die gemeinte Genesis-Episode nicht die richtige Textkategorie. „Sage“ ist treffender. Aber das muß hier nicht diskutiert werden.
mir fehlen leider die Quellen der phantasiereichen Erzählungen über den Turmbau zu Babel, z.B. jener im ‚Buch der Jubiläen‘, in dem Geschichtswerk ‚Jüdische Altertümer‘ und in der Sammlung ‚Sibyllinische Orakel‘.
Es ist ja lobenswert, daß du die übersetzten Stellen aus den drei ältesten bekannten Quellen, die ich im Artikel unten erwähnte, herausgesucht hast. Aber wie ich ebenfalls dazu erklärte, sind das die ältesten schriftlichen Zeugnisse dieser kommentierenden Nacherzählungen der Genesis-Episode. Eine Frage nach deren Quellen wiederum ist also müßig: Es sind keine gefunden worden. Sie werden also eher auf mündlichen Traditionslinien unbekannter Art aufgebaut sein.
Als Problem kommt hinzu, daß das apokryphe Jubiläenbuch primär in einem äthiopischen Dialekt (nämlich in Ge’ez) überliefert ist, bei dem nicht sicher ist, ob es eine hebräische Vorlage gab, und die Orakelbücher sind griechisch verfaßt und selbst bei deren ältesten Teilen ist eine christliche Kontamination nicht auszuschließen.
Auch der ‚Samaritanus‘ und die ‚Septuaginta‘ scheinen sich in Genesis 11,8 mit ihrer vom dortigen Text des ‚Masoreticus‘ abweichenden Lesart auf etwas zu stützen, was mir unbekannt ist.
Was ist dir denn daran „unbekannt“?
Ok, die LXX hat „.… die Stadt und den Turm“
τὴν πόλιν καὶ τὸν πύργον
und Masoreticus bzw. Leningradensis hat nur „… die Stadt“
הָעִיר
Die Frage wäre also, warum im später niedergeschriebenen hebr. Text der Turm in diesem Satz wegfiel. In 11.5 aber steht in beiden Texten "… die Stadt und den Turm"
τὴν πόλιν καὶ τὸν πύργον
אֶת־הָעִיר וְאֶת־הַמִּגְדָּל
Schon in den frühen historisch-kritischen Textanalysen des 19. Jhdts wurde argumentiert (aber auch bestritten), daß in der Episode Reste einer damals bereits weitgehend vergessenen Stadtsage einerseits und einer ebensolchen, aber davon unabhängigen Turmsage andererseits kompiliert wurden. Es sind ja sogar noch Andeutungen eines polytheistischen Hintergrundes darin. Dieser ist im Jubiläenbuch, das die Geschichte nacherzählt, in einem seltsamen „… und (er) sprach zu uns“ deformiert. Mehr ist nicht bekannt.
Gruß
Metapher