Die ersten Steinchen für die Zwickmühle wurden schon zu Zeiten der Kanzlerschaft von H. Schmidt gelegt. Die von Schmidt angestrebten und als Nato-Doppelbeschluss verkauften amerikanischen Nuklearwaffen auf deutschem Boden stießen in breiten Teilen der Sozialdemokratie auf massive Ablehnung. Es folgte die schier endlose Kohl-Kanzlerschaft und die dt. Wiedervereinigung - der alte Groll verflog, die Prioritäten änderten sich. Dann kam Schröder als neuer Hoffnungsträger ins Kanzleramt. Der ließ im Frühjahr '99 Bundeswehrbomber über dem zerfallenen Jugoslawien ihre Last ausklinken und Fischer von den Grünen machte mit. Mit der Beteiligung am Krieg in Afghanistan und der Agenda 2010 war das Maß für viele SPD-Wähler endgültig voll. Auch die Grünen - aus Umwelt- und Friedensbewegungen hervorgegangen - die Anfang der 80er in den Bundestag einzogen und eine attraktive Alternative für etliche SPD-Wähler darstellten, verloren damals Glaubwürdigkeit. Die typische Odyssee für viele Wähler seit Willy Brandt ging von der SPD zu den Grünen und endete (vorerst) bei den Linken. Schließlich präsentierten die Sozialdemokraten M. Schulz, der so nett über seine Nachbarn und seine Vorliebe für Fußball plauderte, von Gerechtigkeit erzählte und erkennbar versuchte, sich ohne die Spur eines politischen Plans einzuschleimen. Damit platzte vielen SPD-Wählern endgültig der Kragen.
Sollte die SPD ohne programmatische Neuausrichtung, mit leeren Floskeln und mit Herrn Schulz antreten, um in einer Groko erneut den Juniorpartner abzugeben oder bei Neuwahlen anzutreten, hätte sie sich selbst erledigt. Eine glaubwürdige programmatische Neuausrichtung und der Aufbau einer bundesweit bekannten, unverbrauchten und von alten Fehlern unbelasteten Riege ist für eine Partei eine Mammutaufgabe, die sich nicht übers Knie brechen lässt. Baldige Neuwahlen kämen deshalb ungeachtet gegenteiliger Aussagen von Martin Schulz für die SPD zum ungünstigsten Zeitpunkt. Ob die Ausgangslage bei zeitnaher Neuwahl für die C-Parteien so sehr viel besser aussieht, ist mindestens fraglich.
Die Parteien der Groko wurden bei der letzten BT-Wahl empfindlich abgestraft. Was nach der Wahl publiziert wurde und von der geplatzten Sondierung nach außen sickerte, vermittelte nicht den Eindruck, dass die Abgestraften irgend einen Gedanken an die Ursachen der Unzufriedenheit verschwendeten. Wer glaubt, mit Gerede von Obergrenze und Familiennachzug sei es getan, beschäftigt sich mit Feinheiten der Sitzpolsterung und nimmt die umfangreichen Schäden an Motor, Getriebe, Fahrgestell und Karosserie nicht zur Kenntnis. Aber der TÜV - hier der Wähler - wird’s merken und die marode Karre so nicht weiterfahren lassen.
Es gab Wahlen und ein Wahlergebnis. Ob es ihnen nun passt oder nicht, die Gewählten müssen damit gefälligst zurecht kommen. Wählen lassen, bis das Wahlergebnis passend erscheint, ist keine akzeptable Methode.
Gruß
Wolfgang
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