Quo vadis, alte Tante?

Hallo,

welche Regierungsoption will die SPD bei etwaigen Neuwahlen dem Wähler eigentlich anbieten? Werden sie etwa „Wir machen ausschliesslich Opposition“ plakatieren? Und mit welchem Programmkonzentragt wollen sie werben? Etwa „Mehr Schulz, mehr Gerechtigkeit“?

Steckt die SPD in einer selbst verursachten Zwickmühle und könnte sie sich überhaupt noch daraus befreien, solange sie an MS als Kanzlerkandidat festhalten würde?

Gruß
vdmaster

Die Zwickmühle wurde nicht von der SPD sondern von den Wählern verursacht, was man überall nachlesen kann.

Die Antwort kannst du aus deinem eigenen Link entnehmen:
„Noch einmal als Juniorpartner unter Merkel, noch dazu als Umfaller – da hätte bei der nächsten Wahl ein Ergebnis von unter 20 Prozent gewunken.“ (zitiert nach Martin Reeh).

Die ersten Steinchen für die Zwickmühle wurden schon zu Zeiten der Kanzlerschaft von H. Schmidt gelegt. Die von Schmidt angestrebten und als Nato-Doppelbeschluss verkauften amerikanischen Nuklearwaffen auf deutschem Boden stießen in breiten Teilen der Sozialdemokratie auf massive Ablehnung. Es folgte die schier endlose Kohl-Kanzlerschaft und die dt. Wiedervereinigung - der alte Groll verflog, die Prioritäten änderten sich. Dann kam Schröder als neuer Hoffnungsträger ins Kanzleramt. Der ließ im Frühjahr '99 Bundeswehrbomber über dem zerfallenen Jugoslawien ihre Last ausklinken und Fischer von den Grünen machte mit. Mit der Beteiligung am Krieg in Afghanistan und der Agenda 2010 war das Maß für viele SPD-Wähler endgültig voll. Auch die Grünen - aus Umwelt- und Friedensbewegungen hervorgegangen - die Anfang der 80er in den Bundestag einzogen und eine attraktive Alternative für etliche SPD-Wähler darstellten, verloren damals Glaubwürdigkeit. Die typische Odyssee für viele Wähler seit Willy Brandt ging von der SPD zu den Grünen und endete (vorerst) bei den Linken. Schließlich präsentierten die Sozialdemokraten M. Schulz, der so nett über seine Nachbarn und seine Vorliebe für Fußball plauderte, von Gerechtigkeit erzählte und erkennbar versuchte, sich ohne die Spur eines politischen Plans einzuschleimen. Damit platzte vielen SPD-Wählern endgültig der Kragen.

Sollte die SPD ohne programmatische Neuausrichtung, mit leeren Floskeln und mit Herrn Schulz antreten, um in einer Groko erneut den Juniorpartner abzugeben oder bei Neuwahlen anzutreten, hätte sie sich selbst erledigt. Eine glaubwürdige programmatische Neuausrichtung und der Aufbau einer bundesweit bekannten, unverbrauchten und von alten Fehlern unbelasteten Riege ist für eine Partei eine Mammutaufgabe, die sich nicht übers Knie brechen lässt. Baldige Neuwahlen kämen deshalb ungeachtet gegenteiliger Aussagen von Martin Schulz für die SPD zum ungünstigsten Zeitpunkt. Ob die Ausgangslage bei zeitnaher Neuwahl für die C-Parteien so sehr viel besser aussieht, ist mindestens fraglich.

Die Parteien der Groko wurden bei der letzten BT-Wahl empfindlich abgestraft. Was nach der Wahl publiziert wurde und von der geplatzten Sondierung nach außen sickerte, vermittelte nicht den Eindruck, dass die Abgestraften irgend einen Gedanken an die Ursachen der Unzufriedenheit verschwendeten. Wer glaubt, mit Gerede von Obergrenze und Familiennachzug sei es getan, beschäftigt sich mit Feinheiten der Sitzpolsterung und nimmt die umfangreichen Schäden an Motor, Getriebe, Fahrgestell und Karosserie nicht zur Kenntnis. Aber der TÜV - hier der Wähler - wird’s merken und die marode Karre so nicht weiterfahren lassen.

Es gab Wahlen und ein Wahlergebnis. Ob es ihnen nun passt oder nicht, die Gewählten müssen damit gefälligst zurecht kommen. Wählen lassen, bis das Wahlergebnis passend erscheint, ist keine akzeptable Methode.

Gruß
Wolfgang
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Hi,

die SPD könnte sich inhaltlich den „kleinen Leuten“ (Zeitarbeiter, kleine Angestellte, Arbeitslose, Leute mit schmalen Renten, Honorarkräfte und Kleinunternehmer) zuwenden, mit diesen allererst reden. Schulz kann sowas, ich habe ihn auf einer Wahlveranstaltung erlebt. Er braucht allerdings besseres Begleitpersonal als bei der letzten Wahl.

Die Optionen der SPD würde ich so formulieren:

Wir streben einen Politikwechsel zusammen mit der Linken an. Für eine Regierung unter Frau Dr. Merkel stehen wir definitiv nicht zur Verfügung.

Dann haben wir nach Neuwahlen eine neue Situation.

FG myrtillus

So etwas ohne Präsentation handfester Maßnahmen ist Dampfplauderei. Es reicht nicht, wenn Schulz erzählt, wie sich sein Nachbar, Arbeiter in einer Fabrik in Würselen, über die Runden quält. Von daher ist Schulz ein miserabler Verkäufer politischer Botschaften. Man baut Vertrauen auf, die Leute fühlen sich verstanden, nicken zustimmend - bis dahin Verkaufer-Einmaleins zum Verhökern von Heizdecken. Aber dann fängt der Job erst an, muss man das Produkt schmackhaft machen und schließlich zum Abschluss kommen. Dummerweise hat Herr Schulz mitsamt seiner SPD nichts, was er den Leuten schmackhaft machen könnte, z. B. politische Inhalte mit konkreten Maßnahmen, mit denen sich die Situation seiner Zuhörer spürbar verbessern ließe. Viele Bürger wollen keine nukleare Teilhabe der Bundeswehr und keinen Militäreinsatz in Afghanistan. Etliche Menschen haben die Nase voll von den Verfahrensweisen der Jobcenter, wollen eine auskömmliche Rente und/oder wollen Verbesserungen bei der Vernetzung von Behörden, so dass endlich klar wird, wer sich legal im Land aufhält und wer es sich mit verschiedenen Identitäten gut gehen lässt, Positionen zur Braunkohle und deren umweltverträglicher Substitution u.v.m. Maßnahme, Gesetzentwurf, Datum der Vorlage, Zeit bis zur praktischen Realisierung, eben Butter bei die Fische statt hohlem Gesülze. Da kommt aber nix.

Im derzeitigen Zustand ist die SPD wie ein Unternehmen, das Käufer sucht, aber kein Produkt anzubieten hat. Lange Tradition, Willy, Brandt, Gerechtigkeit, warme Worte - wenn das alles ist, sind sie nicht wettbewerbsfähig.

Gruß
Wolfgang

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nicht, wenn Schulz den Leuten allererst zuhört, bevor er plaudert. Ich glaube, dass er das kann. In der letzten BT-Wahl habe ich aus dem Willy-Brandt-Haus und aus seinem Wahlkampfteam wenig sinnvolle Unterstützung wahrgenommen.

Einziges Ziel der Herrschaften sind Parlamentssitze, aber bei politischen Zielen, geschweige denn Unterscheidungsmerkmalen, kommen Gemeinplätze und Nullnummern. Die Kiste mit den Unterstützungen fürs Zugpferd, in die Wahlkamphelfer greifen könnten, ist gähnend leer. Es fehlt die eigene politische Substanz. Es reicht nicht, wie die CDU zu sein, nur anders zu heißen. Die Genossen haben ihren eigenständigen politischen Kern schon seit vielen Jahren aufgegeben. Es gibt keinen Grund mehr, diese wachsweiche Truppe der Beliebigkeit zu wählen. Sie müssen endlich handeln wie jeder andere, der sich im Wettbewerb behaupten will. Zuerst müssen die Zielgruppen klar umrissen sein
Schröder war/ist Jurist, aber vom Kaufmännischen hatte er keine Ahnung. Sonst hätte er nämlich an seine Stammklientel und seine Zielgruppen gedacht und die Agenda 2010 nicht mal mit der Kneifzange angefasst.
Dann muss ein Programm mit Alleinstellungsmerkmalen her und sodann die geeigneten Köpfe, die das Programm glaubhaft vertreten. Die SPD muss sich neu erfinden.

Weiter so, geht nicht. Sonst laufen die Genossen bald mit Schuhen wie einst Westerwelle herum, mit 18 % auf der Sohle als irreales Traumziel, während man mit Schnappatmung und letzter Kraft gerade so die 5 %-Hürde schafft …- oder auch verfehlt. So weit muss es wohl erst kommen, bis die Parteigranden irgendwas kapieren.

Gruß
Wolfgang

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Waren aber militärstrategisch absolut sinnvoll und führten im Endeffekt auch dazu, dass die Sowjets den Versuch aufgaben, Westeuropa durch eine neue Bedrohungsoffensive Dominanz ausüben zu können. Der zweite Teil des Beschlusses (also das „Doppel“) war nämlich das Angebot, Mittelstreckenraketen abzurüsten. Und genau das machten dann Gorbi und Reagan.

Das ist die Crux, die die SPD wohl jetzt nicht wird ein zweites Mal aufbrühen wollen. Falls sie noch die ein oder andere funktionsfähige Tasse im Schränkchen haben.

Sehe ich ebenso. Allenfalls kann er zwei bis drei Prozent wieder gutmachen. Aber das wäre nur ein „hohler Sieg“.

Zustimmung.

IMHO ist die Obergrenze eine zentrale Thematik, die den Durchschnittsbürger derzeit am meisten umtreibt. Und der Familiennachzug für nur subsidiär Schutzberechtigte ist hiervon ein zentraler Bestandteil.

Müssen sie eben nicht bis zum Erbrechen, falls es zu keiner tragfähigen Regierung kommt. Jedenfalls würde eine minderheitlose Regierung über ein Interim nicht hinauskommen und wäre binnen Jahresfrist (oder weniger Monate) am Ende.

Gruß
vdmaster

Man kann das Märchen nachlesen, das Herr Schulz unters Volk streute. Er selbst hätte mit dem Angebot des eigenen Rücktritts als Vorsitzender bei gleichzeitigem Rückzug Merkels den Weg für eine reformfähige GroKo ebnen können. Sicher keine Liebeshochzeit. Aber sich einfach zum neuen Bollwerk gegen die böse AfD zu erklären und sich in die Schmollecke selbst erwählter Opposition zu begeben war m. E. nicht staatstragend, sondern eine Fluchtreaktion; auch vor jeder Verantwortung.

Gruß
vdmaster

Dann soll er sich bitte ehrlich machen und R2G als Wunschkoalition nennen, bevor es zur Neuwahl kommt. IMHO wäre R2G auf Bundesebene eine ähnliche Totgeburt wie Jamaika. Gerade weil der konservativere Teil der SPD ebensowenig mit den Fundis der Linken kann wie es die CSU nicht bei den Grünen kann.

Eine Regierungsoption ergibt sich mit einem „Bleiberecht für alle“ jedenfalls nicht. Ich sehe da in der Wählerschaft keine Mehrheit.

Gruß
vdmaster

Ich glaube, dass die alte Tante noch keine letzte Ölung benötigt. :grin:

Das kann man nicht genug unterstreichen. Bin etwas zornig, was sich unsere „Volksvertreter“ gerade einfallen lassen. Alles auf den Lindner schieben ist nicht zielführend. Im Übrigen bin ich der Meinung, dass das der einzige logische Schritt war, um nicht die mühevolle Aufbauarbeit der letzten Jahre zunichte zu machen. Endlich ist die FDP wieder einigermaßen verlässlich.
Zum Thema SPD hast du ja schon eine wunderbare Zusammenfassung gegeben. Allerdings sehe ich die „Schuld“ tatsächlich mehr oder minder bei Schnitzelgerd. Der hat es geschafft, dem Kapital so in den Arsch zu kriechen, das hätte sich keine CDU oder FDP, denen ja die Kapitalnähe immer unterstellt wird, getraut. Das alles unter dem Deckmantel der Sozialdemokratie und mit Schützenhilfe der Grünen, die sich nicht zu schade waren, ein Misstrauensvotum mit dem Verrat ihrer ureigensten Grundsätze durchzuziehen. Das ist m. E. der Knackpunkt.
Keiner der Nachfolger von Schröder hat den Schneid gehabt, diese unselige Agenda 2010 oder die Entfesselung der Leiharbeit, nicht zurückzunehmen, nein, soviel verlange ich nicht, aber wenigstens mal zu verurteilen oder als Fehler einzugestehen.
Sollte es Neuwahlen geben, werde ich natürlich wieder als Wahlhelferin zur Verfügung stehen. Ob ich allerdings nochmal wählen gehe?
Solange wählen, bis den Politikerdarstellern das Ergebnis passt? Ohne mich!

Data

Minderheitsregierungen funktionieren in anderen Ländern, warum nicht auch hierzulande …
Dabei ist es der Normalfall, dass eine Minderheitsregierung nicht ständig russisches Roulette spielt, sondern sich über Vereinbarungen, die nahe an Koalitionsvereinbarungen reichen, aber keine Ministerämter beinhalten, dulden lässt. Dabei bleiben Unwägbarkeiten, bei denen vorher keiner das Abstimmungsverhalten vorhersagen kann, aber ein paar elementare Sachen, etwa die großen Positionen des Haushalts, wurden vereinbart, so dass der Haushalt insgesamt durchgeht. Solche Vereinbarung würde auch für die Wahl des Kanzlers getroffen. Schon funktioniert eine Minderheitsregierung, das auch noch demokratischer als beim üblichen Durchregieren, bei dem die Opposition nichts zu melden hat und nur der Bundesrat dazwischen funken kann, soweit ihm überhaupt ein Mitspracherecht zusteht.

Natürlich muss eine Minderheitsregierung immer auch die Interessen der Opposition berücksichtigen, aber daran kann ich nichts Schlechtes finden. Insgesamt wird das hohe Ross für die Regierenden etwas kleiner, aber nicht unbedingt instabil.

Ungewohntes wird erst einmal abgelehnt. Zur Rechtfertigung ist kein Argument zu blöde. So waren schon Meinungen zu hören, dass zuweilen womöglich AfD-Stimmen den Ausschlag geben könnten. Liebe Zeit, was ist das denn für ein seltsames parlamentarisches Verständnis?

Gruß
Wolfgang

Unfassbar. :joy:

Dann müssen „aufrechte“ Demokraten natürlich immer das Gegenteil von dem fordern, dem die AfD gerade zugestimmt hat. Allein schon, um „ein Zeichen zu setzen“. :scream:

zu diesem Thema besteht auch in der Linkspartei keineswegs Einigkeit. Allerdings müsste die Position zu dieser wichtigen Frage sowohl in der SPD als auch in der Linkspartei vor der nächsten Wahl geklärt werden. Dringlich zu beantworten scheint mir vor allem die Frage, wer rein darf.

Abschiebungen von Menschen, die sich seit Jahren, teilweise seit über zehn Jahren in Deutschland aufhalten, ob nun immer wieder vorübergehend geduldet oder illegal, ob nun ansatzweise, gut oder gar nicht integriert, sind problematisch und meiner Ansicht nach illusorisch. Eine rigoristische Anwendung von geltendem Recht kann sehr unbarmherzig sein. Vielleicht müssen wir hier (nach drei Jahren?) ein dauerhaftes Bleiberecht im Sinne einer Amnestie gewähren, auch um Resourcen bei Polizei und Justiz nicht weiter aufzureiben. Die können und müssen dann statt dessen bei den jetzt noch neu ankommenden genauer hinschauen.

Problematisch finde ich es allerdings auch, Flüchtlingen und Asylbewerbern, über deren Bleiberecht noch gar nicht abschließend entschieden wurde, berufliche Integrationshilfen anzubieten. Die kosten nämlich Geld und bleiben besser denjenigen vorbehalten, über deren Bleiberecht positiv entschieden wurde oder die ohnehin „von Natur aus“ hier leben.

FG myrtillus