Rabbi Eleazar über Adam und die Tiere

Hallo.

Hmm :smile: Die frz. Übersetzung entstammt der renommiertesten
französischen Ausgabe des Talmud. Wenn man der nicht trauen
darf…

Mh, der Soncino Talmud ist in Englisch, wie man daraus nun in französisch zitieren will, bleibt wohl nicht nur mir ein Rätsel, es sei denn jemand anders hat diese Quelle wiederum übersetzt. Oder es wurde einfach nur behauptet, dass dieses die Quelle sei. So findet man auch unzählige Zitate im Internet zu diversen Talmud Quellen, welche sich dort so überhaupt nicht finden lassen.

Das alles sollte aber jedem recht schnell bekannt sein, welcher ernsthaft mit dem Talmud beginnt zu arbeiten.

Und da wird der Verkehr definitv als „rapport sexuel“
bezeichnet.

Und? Nur weil du irgend eine Quelle findest, in welcher man über mehrfache(!) Übersetzung zu einer solchen Interpretation kommt, ist dem so? Auch wenn alle anderen Quellen dieses so überhaupt nicht sehen?

Wie dem auch sei, ich bleibe dabei, dass du mehr als unsauber und unangemessen hier vorgegangen bist, um deine Interpretation bestätigt zu finden.

Gruss,
Eli

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Hallo Eli,
nachdem ich Chan gestern vor’s Schienbein getreten habe, ist es mir vielleicht erlaubt, ein Stück weit auch eine Lanze für ihn zu brechen. Mangels Hebräischkenntnissen bin auch ich auf Epsteins Soncino angewiesen, und da steht in der Tat ‚intercourse‘ - was nicht notwendig sexuellen Verkehr bedeutet, aber ein solches Verständnis zumindest nahelegt. Die französische Übersetzung Epsteins wiederum beseitigt diese ‚Uneindeutigkeit‘ - wohl, weil es im Französischen nicht möglich ist, die Bedeutung hier in der Schwebe zu lassen. Ich vermute mal, dass auch der Originaltext ‚zweideutig‘ ist, wenn nicht mehrdeutig.

Nun bin auch ich ein blutiger Laie, was Talmudstudien angeht und deswegen auch sehr zögerlich, meine persönlichen Interpretationen öffentlich zum Besten zu geben - ich weiss nur zu gut, was Amateure gelegentlich mit klassischen Zen-Texten veranstalten. Ich habe es gestern trotzdem bei einigen böswillig und in diffamierender Absicht aus dem Zusammenhang gerissenen Zitaten getan (das Posting wurde zusammen mit dem vorangegangenen gelöscht), die - wie ich finde - vergleichsweise einfach richtig zu deuten sind.

Was nun das hier in Frage stehende Zitat angeht, so ist es für mich zumindest offensichtlich, dass von einem Verkehr in sexueller Hinsicht allenfalls metaphorisch die Rede sein kann. Abgesehen davon, dass die Vorstellung eines Menschen, der ganz konkret sämtliche Tiere von der Spitzmaus bis zum Elefanten begattet, völlig absurd ist, so stellt sich neben der Frage, was Eleazar eigentlich unter ‚Verkehr‘ verstanden hat auch die Frage, was dieser Adam vor der Erschaffung Evas eigentlich war. Wird doch derselbe Eleazar wenige Zeilen zuvor mit dem Spruch zitiert: „Any man who has no wife is no proper man; for it is said, Male and female created He them and called their[sic!] name Adam“. Was nun die Beziehung dieses „nicht wirklichen Menschen“ (Reinhold Mayer, den ich gelegentlich zur Hand nehme, übersetzt hier jedenfalls ‚Mensch‘ und nicht ‚Mann‘) zur Schöpfung angeht, so heisst es in Shabbath 30b: „What is meant by, ‚for this is the whole of man‘? — Said R. Eleazar, The entire world was created only for the sake of this [type of] man. Simeon b. 'Azzai-others state, Simeon b. Zoma-said: The entire world was created only to be a companion[sic!] to this man.“
[BTW - die Stelle scheint im Soncino etwas verkürzt zu sein, Mayer gibt außerdem noch ein Zitat von Rabbi Abba, Kahanas Sohn]

Ich denke, es wird deutlich, dass ich für meinen Teil diese Stelle nicht nur metaphorisch, sondern mystisch deute. Eine solch innige Beziehung wie in Shabbath 30b ausgedrückt rechtfertigt, so denke ich, durchaus auch eine sexuelle Metapher. Aber das sind nur die möglicherweise abwegigen Gedanken eines Goi beim Lesen einer Talmud-Übersetzung …

Freundliche Grüße,
Ralf

nicht metaphorisch
Hallo Ralf,

Ich vermute mal, dass auch der Originaltext ‚zweideutig‘ ist, wenn nicht mehrdeutig.

Das Zitat
זאת הפעם עצם מעצמי ובשר מבשרי מלמד שבא אדם על כל בהמה וחיה ולא נתקררה דעתו עד שבא על חוה ואמר ר’ אלעזר מאי דכתיב
ist sehr wohl eindeutig.

Und wie ich in meinem kurzen Referat oben schon schrieb: In der mittelalterlichen Diskussion innerhalb jüdischer Kommentatoren-Traditionen, die sich an Raschis Zitat des Eleazar Midrasch anschloss, wurde zwar unter anderm auch hier und da gemutmaßt, es könne metaphorisch gemeint sein. Aber das konnte sich nicht durchsetzen. Auch in lateinischen Versionen wurde es als „copulam habere“ wiedergegeben. Eine Deutung des ebenfalls nicht ganz eindeutigen zo’t hapa’am („diese diesmal“) war z.B. die, daß dieses neue Wesen nun eines sei, mit der Adam auch sexuell ein Paar bilden könne, da das mit den Tieren nicht möglich war. Aber genau das gibt eben der Eleazar-Satz nicht her.

Und Raschi wiederum kommentierte nichts weiter dazu. Und DAS war das Problem.

Man diskutierte hauptsächlich darum, wie Eleazar den Kontext „es ist nicht gut, daß der Mensch allein sei“ und das Vorführen der Tiere („um zu sehen, wie er ein jedes nennen/rufen werde“) verstanden haben könnte, so, daß er sich zu dieser Interpretation veranlaßt haben könnte. Und natürlich darum, was wiederum Rashi veranlaßt haben könnte, dieses mutmaßliche Eleazar-Zitat zu reproduzieren, da es doch ganz offensichtlich der rabbinischen Konzeption von Sexualität und Sexualmoral komplett zuwider war. Und das seit eh und je.

Allein der Respekt vor diesen beiden Gelehrten erforderte die Mühe, irgendeinen Sinn darin zu finden.

Gruß
Metapher

addendum

Das Zitat
זאת הפעם עצם מעצמי ובשר מבשרי מלמד שבא אדם על כל בהמה וחיה ולא

נתקררה דעתו עד שבא על חוה ואמר ר’ אלעזר מאי דכתיב

ist sehr wohl eindeutig.

Ich muß ergänzen: Wie es die Übersetzung von Slotki in der Edition des R’ Epstein heißt „Eleazar further stated …“ entspricht dem nicht ganz. Ich würde lieber übersetzen: " … sagte R’Eleazar, wie es heißt" oder „… wie man sagt“.