Rätselhafter Satz in Wikipedia

In der Einleitung zum Kapitel „Religion“ auf de.wikipedia.org steht:

„Alltagssprachlich werden die Ausdrücke ‚Religion’, ‚Religiosität’ und religiöser „Glaube“ oft gleichbedeutend verwendet. Insbesondere seit Karl Barth wird jedoch auch Religion im Sinn einer natürlichen menschlichen Anlage dem Glauben an dazu oft querliegende Inhalte überlieferter Offenbarung entgegengesetzt.“

Der erste Satz ist kein Problem, der zweite ist mir aber auch nach mehreren Versuchen noch immer komplett unverständlich. Worauf bezieht sich zum Beispiel das „dazu“? Warum und vor was liegen da „Inhalte überlieferter Offenbarung“ quer?
Ist dort vielleicht ein Einschub der nicht mit Kommas eingefasst wurde?:
„Insbesondere seit Karl Barth wird jedoch auch Religion, im Sinn einer natürlichen menschlichen Anlage, dem Glauben an dazu oft querliegende Inhalte überlieferter Offenbarung entgegengesetzt.“
Allerdings - das hilft mir bis jetzt auch nicht weiter.

Schöne Grüße, Turmfalke

Hallo,

Insbesondere seit Karl Barth wird jedoch auch Religion im Sinn einer natürlichen menschlichen Anlage dem Glauben an dazu oft querliegende Inhalte überlieferter Offenbarung entgegengesetzt."

Hübscher Satzbau. Ich versuch’s mal:

Insbesondere seit Karl Barth sieht man jedoch auch einen Gegensatz zwischen Religion und Glaube. Religion versteht er als eine natürliche Anlage des Menschen, der einen Weg zu Gott sucht. Glaube dagegen ist der Glaube an eine überlieferte Offenbarung, deren Inhalte querliegen zum Menschlichen.

D.h.: Gott ist nicht mit menschlichen Sinnen zu erfassen. Das, woran Christen glauben, steht quer zur menschlichen Erfahrung. Glaube kann nur entstehen, weil Gott sich „senkrecht von oben“ offenbart, er kann nur von Gott her kommen.

Schau mal weiter unten im selben Artikel, unter der Überschrift „Religion und Glaube“. Da steht:

„Besonders in der christlich-protestantischen Theologie wird nach Karl Barth oft Glaube gegen Religion abgegrenzt. Barth sah Religion als eigenmächtigen Weg des Menschen zu Gott an und betonte, eine Erkenntnis des Willens Gottes gebe es nur im Glauben an Jesus Christus. Das Hören auf das Evangelium sprenge alle menschlichen Begriffe von Gott, alle ethischen Irrwege.“

Hier im Karl-Barth-Artikel steht noch Näheres über seine Theologie:
http://de.wikipedia.org/wiki/Karl_Barth#Dialektische…

Wird es ein bisschen klarer?

Viele Grüße,

Jule

Insbesondere seit Karl Barth wird jedoch auch
Religion im Sinn einer natürlichen menschlichen Anlage dem
Glauben an dazu oft querliegende Inhalte überlieferter
Offenbarung entgegengesetzt."

Das ist eher ein Problem schlechten Stils als der Religion. :wink:

Insbesondere seit Karl Barth werden jedoch auch zwei Dinge gegenübergestellt: „Religion“ im Sinne einer menschlichen Anlage einerseits, und Inhalte überlieferter Offenbarung andererseits.

Querliegend würde ich ersatzlos streichen.

Grüße Bellawa.

Hallo auch,

Glaube dagegen ist der Glaube an eine überlieferte
Offenbarung, deren Inhalte querliegen zum Menschlichen.

Das steht dort nicht. Vom „Menschlichen“ ist nirgends die Rede, sondern von einer „menschlichen Anlage“, die Barth offenbar vermutet und der überlieferten Religion gegenüberstellt.

Grüße Bellawa.

Ums mal ganz leicht zu machen: Wikipedia ist in vielen Sachen einfach scheiße. Egal was der Satz auch immer meinen mag, ist kein so extrem historischer Bruch im Verständnis der Religion mit Karl Bart entstanden, meines Wissens nach eine falsche Gewichtung, die als Wikifehler interpretiert werden sollte, und bei der defenition des Begriffes „Religion“, soweit er eine anthrophologisch-empirische Konnotation bekommen soll, übersehen werden kann. Andere Lexika sind tatsächlich zu empfehlen
grüße

Hallo auch,

Ja das mag sein, mich interessiert der Inhalt nur am Rande, ich habe nur dieses Satzungetüm aufgelöst, sodaß man nicht zweimal lesen muß. Du kannst ja Wikipedia selbst editieren.

Grüße Bellawa.

Hallo,

ja, schon als ich’s heute nacht schrieb, dachte ich: das ist jetzt sehr grob. Was auch für den Wikipedia-Artikel gelten mag, in Geisteswissenschaften finde ich sie oft nicht überzeugend.
Ich habe mal nach meiner Erinnerung an Barths Religionsbegriff (die, zugegeben, auch nur grob ist) versucht zu erläutern und zu ergänzen. Und Du hast recht, statt „querliegen zum Menschlichen“ müsste es vielleicht heißen „querliegen zur menschlichen Erkenntnis“ oder so.

Ich habe eben mal in der RGG (leider nur die 3. Aufl., was anderes hab ich nicht da) nachgesehen:

Art. „Religion: IV. Begriff und Wesen der Religion: B. Theologisch“, dort der Absatz h) zu Karl Barth und Paul Althaus (Band- und Spaltenangaben spar ich mir jetzt). Der beginnt:

„Die dialektische Theologie K. Barths hat in dieser ganzen Frage neu angesetzt, indem sie die Religionen und das Christentum in ausschließendem Gegensatz verstand. „Gottes Offenbarung als Aufhebung der Religion“, das ist der Leitgedanke des Ganzen. Von der Offenbarung, d.h. von der Selbstdarbietung Gottes aus ist Religion Unglaube. Das meint Barth nicht als hochmütiges Verdikt, denn das gilt von der Offenbarung aus auch über die christliche Religion. … Die wahre Religion verdankt der „Gnade“ bzw. der „Offenbarung“ Gottes in Christus allein ihr Dasein. … Die Religion ist ja in ihrem Gegensatz zur Offenbarung als der große qualitative Abstand von Mensch und Gott ausgeprägt. … Das ganze Schema, nach dem diese Gedanken angeordnet sind, ist von der Bestimmung der Religion als eines menschlichen Tuns her verständlich.“

(Die Christologie und die daraus abgeleitete besondere Stellung des Christentums hab ich jetzt rausgekürzt - was eigentlich natürlich auch nicht geht!)

Vielleicht hilft das dem UP, zu verstehen, warum dieser Satz im Wikipedia-Artikel steht.

Viele Grüße,

Jule

war keine Kritik an dir :smile:
grüße sober

Ich habe ganz dunkel erahnt, dass der Satz sotwas bedeuten soll. Aber auch diese dunkle Ahnung beruhte nur darauf, dass mir Grundzüge der Theologie von Karl Barth bekannt waren.
Kann man zusammenfassend sagen, dass der Satz nicht nur unverständlich ist, sondern im Detail den Sachverhalt auch tatsächlich falsch darstellt (nicht im Sinne einer Wertung, sondern in Bezug auf die behandelte theologische Position)?

Schöne Grüße, Turmfalke

Kann man zusammenfassend sagen, dass der Satz nicht nur
unverständlich ist

Unverständlichkeit liegt im Auge des Lesers. Ich habe diesen Satz sofort verstanden, obwohl ich Karl Barth nicht kenne (hab mich nicht intensiv mit Religionswissenschaft auseinandergesetzt). Allerdings stimme ich Dir insofern zu, als solch ein „Satzungetüm“ nichts in einem Lexikonartikel zu suchen hat, sondern eher in einer wissenschaftlichen Arbeit oder einem Roman.

Liebe Grüße
Immo