21.09.2001 17:09
1977
„Wir wussten, dass wir der RAF Herr werden“
Wie Mitglieder des damaligen Krisenstabes der Bundesregierung auf die neue Bedrohung durch den internationalen Terror reagieren.
Von Cathrin Kahlweit
(SZ vom 22.9.2001) - Die Gefühle ähneln sich, wie sie sich letztlich immer ähneln, wenn Menschen ermordet werden: „Ohnmacht, Trauer, Schlaflosigkeit“, trieben ihn heute, nach den Attentaten in den USA, um, wie sie ihn einst 1977 im deutschen Herbst umgetrieben hatten, sagt der einstige Bundesfinanzminister Hans Apel. „Und das Ringen um Festigkeit, ohne zu wissen, ob man das Richtige tut.“
Was ist das Richtige, was das Nötige, wenn Wahnsinnige losziehen, um Menschen zu töten und eine Gesellschaft zu destabilisieren?
Vor 24 Jahren, am 5. September 1977, entführte die RAF Hanns-Martin Schleyer, und Deutschland stand unter Schock.
43 Tage lang bangte eine ganze Nation um einen Mann, der sterben musste, weil der Staat, zu Recht, nicht erpressbar sein wollte. Schuldgefühle mischten sich mit Trauer und einer gewissen Genugtuung darüber, dass zumindest der zweite Anschlag der Terroristen, die Entführung der Lufthansa-Maschine Landshut nach Mogadischu, abgewehrt werden konnte – und dass die Bundesrepublik die Herausforderung im Kampf gegen den Terrorismus bestanden hatte.
Der Sozialdemokrat Apel war damals Mitglied des Krisenstabes, in dem die Kabinettsmitglieder, die Fraktionschefs im Bundestag und die Ministerpräsidenten jener Länder saßen, in denen RAF-Mitglieder inhaftiert waren. Gemeinsam mit Gerhart Baum, Friedrich Zimmermann, Andreas von Schoeler und Hans-Jürgen Wischnewski, die hier ebenfalls zu Wort kommen, beriet er damals, wie auf den Terror zu reagieren sei.
„Kühler Kopf trotz des Zorns“
Einerseits forderte Bundeskanzler Helmut Schmidt 1977 einen „kühlen Kopf trotz unseres Zorns“. Den fordert er heute wieder, wenn er sagt, es gelte „kühle, abwägende Vernunft“ zu bewahren. Andererseits wurde 1977 diskutiert, ob der Kampf gegen den Terrorismus auch rechtsstaatsfremde Mittel erlaube (man denke nur an die Überlegungen von Franz Josef Strauß, die Gefangenen im Stammheim zu erschießen).
Heute denkt Innenminister Otto Schily das Undenkbare, in dem er es thematisiert und gleich darauf negiert: „Ich bin auch nicht für die Wiedereinführung der Todesstrafe“, so Schily, ebenfalls in der Zeit.
Was hat Deutschland aus den Zeiten des RAF-Terrors und der RAF-Bekämpfung für die Bewältigung der aktuellen Krise gelernt? Ist es, kraft seiner Erfahrungen aus den 70er Jahren, gerüstet für die aktuelle Debatte?
Natürlich gibt es Parallelen. So ähneln die Befürchtungen von heute jenen von einst, wie sich Befürchtungen immer ähneln, wenn Terrorakte der Gegenwart die Erinnerung an Terrorakte der Vergangenheit überlagern.
Gerhart Baum war für die FDP damals Parlamentarischer Staatssekretär im Innenministerium, 1978 wurde er Innenminister: „Wir dürfen nicht in eine Stimmung verfallen, in der nach dem Äußersten gerufen wird und rechtsstaatliche Überlegungen im Angesicht der Krise in den Hintergrund treten“, sagt er.
„Mir stecken die Erfahrungen der 70er Jahre noch in den Knochen. Das darf sich nicht wiederholen.“
Selbst die Irrtümer gleichen sich, weil immer unvorstellbar ist, dass noch Schlimmeres kommen kann nach dem, was schon so unvorstellbar war: „Der Terror der RAF war damals in seiner Dimension neu; damals glaubten wir, so etwas sei die ultimativ letzte Ausformung des Terrorismus“, sagt der damalige FDP-Staatssekretär im Innenministerium, Andreas von Schoeler.
„Heute glauben wir, die Attentate in den USA seien nicht zu toppen. Und vor welchen Schrecken werden wir in zehn Jahren fassungslos stehen?“
Jahrelang hatte die Baader-Meinhof-Bande, die später zur RAF mutierte, in einem Nervenkrieg den deutschen Staat – aber auch die amerikanischen Verbündeten – zunehmend herausgefordert. Banküberfälle, Bombenattentate, eine Botschaftsbesetzung, immer wieder Tote und Schwerverletzte, schließlich mehrere zielgerichtete Ermordungen.
Sogar Massenmorde wurden angedroht – so kündigte die Baader-Meinhof-Bande 1972 an, in der Stuttgarter Fußgängerzone 30 Tonnen Sprengstoff zur Explosion zu bringen, was dann aber nicht ausgeführt wurde.
Jahrelang nagte der Terror am Selbstverständnis des Rechtsstaates, aber erst nach der Entführung von Hanns-Martin Schleyer und der Landshut reagierte der Staat mit aller Macht: Kontaktsperregesetz, Verteidigerausschluss, Kronzeugenregelung, Schleppnetz- und Rasterfahndung. „Das war die Wende“, sagt heute der damalige Kanzleramtsminister Wischnewski.
„Denn die Schleyer-Entführung war die Kraftprobe zwischen denen und uns; sie war der Test, ob wir erpressbar sind.“
Was Wunder, wenn heute, erschüttert durch die Anschläge von New York und Washington, auch in Deutschland wieder alte Bilder beschworen werden, alte Ängste in die Köpfe kriechen, alte Rezepte hervorgekramt werden – zumal sich einige der mutmaßlichen Täter offenbar lange Jahre in Deutschland aufgehalten haben.
Allein: Tatsächlich ist wenig bis nichts von
dem, was heute bewältigt werden muss, vergleichbar mit der bleiernen Zeit im deutschen Herbst 1977. Was sich auch in der kollektiven Stimmungslage ausdrückt: Wo die Deutschen im Herbst 2001 umgetrieben werden von einer diffusen Angst um das eigene Leben, da fürchteten sie sich im Herbst 1977 vor allem vor dem Sieg der Terroristen über den eigenen Staat.
Auch sonst sind die Szenarien grundverschieden: Die Täter zumal der ersten RAF-Generation hatten ein Gesicht; überall in der Studentenszene der Republik fanden sich Zeugen, die mit Gudrun Ensslin studiert, mit Andreas Baader demonstriert, mit Ulrike Meinhof diskutiert hatten.
Die Bande hinterließ Bekennerschreiben, sie hatte vage, aber definierte Ziele. Es gab keine Kamikaze-Aktionen, die Opfer wurden nach strategischen und ideologischen Gesichtspunkten ausgewählt. Groß angelegte Aktionen wie jene in den USA wurden diskutiert, aber nie ausgeführt, wie der Ex-Terrorist Peter-Jürgen Boock in der Schweizer Zeitung Die Weltwoche berichtet.
„Es gab viele Dinge, die wir angerichtet haben. Aber so etwas überhaupt in Erwägung zu ziehen, lag völlig außerhalb unserer politischen Koordinaten.“
„Wir wussten damals über unsere Terroristen besser Bescheid“, bestätigt Hans-Jürgen Wischnewski, 1977 als Staatsminister im Kanzleramt und Troubleshooter für Helmut Schmidt federführend am Krisenmanagement beteiligt. „Selbst in der schlimmen, in der letzten Phase hatten wir über einen Schweizer Anwalt immerhin indirekt Kontakt zu den Terroristen; man konnte reden, um Zeit zu gewinnen für die Suche nach Hanns-Martin Schleyer.“
Der gläserne Araber
Die Täter waren Deutsche (auch wenn sie von der internationalen Terrorszene, besonders von Palästinensern, unterstützt wurden). Die Opfer waren vorwiegend Deutsche. Die Atmosphäre trug einen Anstrich von Panik, und die sehr deutsche Angst griff um sich, womöglich nicht mit schärferen Gesetzen, mit Ratio und Coolness einer Bedrohung beizukommen, die sich vor allem an das Herz richtete: Darf man einen Menschen für die Staatsräson opfern?
Und darf man ein Sicherheitsszenario entwerfen, dass „eine Gesellschaft von Unschuldigen unter Generalverdacht stellt?“, wie Gerhart Baum fragt? Fragen, die heute ganz andere treffen: Wo einst jeder Deutsche ins Visier der Fahnder geriet, zielt ein Teil der verschärften Gesetze heute auf Ausländer, auf potentielle (islamische) Terroristen, und so formuliert Baum seine Sorge um: „Soll es jetzt den gläsernen Araber geben?“
Apel, Wischnewski und auch der einstige Chef der CSU-Landesgruppe im Bundestag, Friedrich Zimmermann, der als späterer Innenminister Vater der Kronzeugenregelung für Terroristen war, sind im Rückblick mit sich im Reinen: „Unsere Mittel waren erfolgreich. Auch die Rasterfahndung wäre erfolgreich gewesen, wenn es nicht einen fatalen Übermittlungsfehler im Falle Schleyer gegeben hätte“, so Zimmermann.
„Ich war mir immer sicher, dass wir der Sache Herr werden“, bestätigt Wischnewksi. „Allerdings dachte ich als Parlamentarier damals, und denke das auch heute, dass man eigentlich dafür Sorge tragen muss, die nötigen Gesetze zur Terrorbekämpfung in der Schublade zu haben.“ So etwas dürfe nicht über Nacht aus dem Hut gezaubert werden.
„Wie das allerdings gehen soll angesichts einer Form von Terrorismus, mit der niemand gerechnet hat, das weiß ich auch nicht.“
„Wie bekämpft man unbekannte Gegner, die ihr eigenes Leben riskieren?“ fragt Hans Apel. „Dafür hat uns der deutsche Herbst nicht gerüstet.“
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Wirklich nicht ?
Nur gut dass die Amis , Russen ua. wissen WAS nun zutun ist:
Die Herausforderung des Terrors annehmen…und alles in der Macht stehende tun…diese tatsaechlich zu vernichten.
Vor allem den groessten DROGEN - PRODUZENTEN DER WELT:
DIE TALIBAN …DIE VOM PROFIT AUCH NOCH IHRE MOSCHEEN BAUEN !!!
Bye bye
dizar