Erneut verdanke ich einem Korrespondenzpartner Stichworte, auf die ich selbst nicht gekommen bin, um das Geschehen von seinen strategischen Zielen her auszuleuchten. Deswegen hier wieder ein almost-FAQ.
Man sollte aber bedenken, dass die Hzbollah einen
Verteidigungsürtel aufgebaut hat. Die Raketen-
werfer hingegen taugen nur als Provokations- und
Schreckenswerkzeug, der militärtaktische Wert liegt
ziemlich genau bei Null, da keine entsprechende
Einsatzlogistik gegen Truppen vorhanden ist.
Keine entsprechende Einsatzlogistik gegen Truppen … Tja, da sind wir beim Kern der Sache. Nur etwas Provokation; selbst schuld, wer da einen Schreck bekommt bei solchen militärisch sinnlosen Instrumenten.
„Schrecken“ heißt bekanntlich auf Bildungsdeutsch „Terror“; und Terror heißt bei Halbstarken „Provokation“. Die „Einsatzlogistik“ des Terrors und seiner „Schreckensinstrumente“ zielt auf die Zivilbevölkerung. Und wozu? Nun, es geht um Vertreibung; es geht um eine „zeitgemäße“ Form, die Juden loszuwerden. Nicht mehr so primitiv imaginiert als ein „ins Meer treiben“ mit arabischen Panzern von allen Seiten. Das hat sich erübrigt. Es geht um eine Erzwingung von "Rück"migration. Alle Juden, die nicht so provokationsresistent sind, wie manche der hier versammelten Militärexperten, sollen vergrault werden. Anstatt sich mit archäologischer Akribie für die technischen Einzelheiten der Raketentrümmer zu interessieren, sind diese „jüdischen Zivilisten“ an ihrem (vermutlich „geschäftigen“) Zivilleben interessiert. Mit anderen Worten: anstatt mal so eine Provokation einfach Provokation sein zu lassen und sich in langmütiger Größe den Staub abzuklopfen, so wie ein linker Diskursprofessor, sich die Tomate vom Anzug wischen würde, rasten die Israelis gleich voll autoritär aus.
Doch dafür ist Vorsorge getragen. Die provokativen Raketenwerfer befinden sich nicht nur inmitten eines Zivils, dass zwischen Sympathie und Drangsal zu einer „Schicksalsgemeinschaft“, einer historisch nicht ganz unbekannten Art zusammengeschmolzen wird, sondern auch hinter einem Verteidigungsgürtel, in dem man sich dann zur Erbauung von Militärvoyeuren aller Art (ich will mich selbst da gar nicht ausnehmen) kloppen kann, als ginge es um den ultimativen Weltmeistertitel im Militärathletentum. Zu Gast bei wahren Kerls; ein dritter-Halbzeit- Service für mediale Schlachtenbummler und alle Freunde eines wahren Soldatentums, das für taffe Makkabäer auch mal das eine oder andere anerkennende Wort findet, um über die Terrorisierung der Zivilbevölkerung umso verächtlicher hinwegsehen zu können.
In einem Wettlauf von Todesbegeisterung rechnen sich die frommen Erben der Arafats, Habaschs und Dschibrils mehr Chancen aus, als mit unpopulären Flugzeugentführungen und Angriffskriegen, die kein arabischer Staat mehr führen möchte.
Imho hatten die Israelis „irgendwas“ beobachtet,
aber offensichtlich (nach dem Kampfverlauf zu urteilen)
nicht die richtigen Schlüsse gezogen. Und das kostete etliche
Verwundete und Tote, ausgerechnet von Golani und Sayeret
Golani.
Das „irgendwas“ war natürlich die Raketenrüstung, die dieser speziellen Vorgartenpflege erst ihren Sinn gab.
Nasrallah hat den Libanesen versprochen, nach der „Befreiung“
Südlibanons auch noch Sheba Farms und (wie war der Name?)
ebenfalls zu „befreien“. Und das bekommt er nun (von den USA).
Wozu allerdings Syrien sein Einverständnis geben müsste. Wie schön ist das doch alles arrangiert! Syrien macht klandstin front gegen Israel via die Hezbollah. Deswegen bekommt es den Golan und diese Farmen nicht zurück. Diese Farmen aber werden von Nazrallah als Nationallibanesischer Bestand reklamiert, weswegen der Libanon sein Treiben gegen Israel quasi als ein Patriotenwerk hinzunehmen hat. Hauptsache die Katjuschas fliegen und man kann sich in der arabischen Welt als großer Zampano aufspielen. Bzw. sich als Schiitischer Zampano gegenüber den Sunniten mit ihren leidlich populären Scheichs, Terroristen und Baathisten profilieren. Und das Minderheitenregime in Damaskus hat ganz eigene Gründe, dem Finsterling in Teheran beim großen Spiel („Wer wäre der tollste Kalif, wenns wieder einen gäbe?!“) zu assistieren.
Und sowas soll Israel sich gefallen lassen? Für solche „Friedensspiele ohne Grenzen“ soll Israel großzügig über seine Opfer hinwegsehen, nach dem Motto: „Das steckt ihr doch weg, wir haben doch schon ganz andere Sachen durchgemacht, nicht wahr?“. So „jeck“ hätte der deutsche Militärmichel seinen ausgewanderten „Goldstein“ von nebenan wohl gern. Aber so „jeck“ sind selbst die „Yekkes“ nicht. Sich seine Laute vergraulen lassen, bloss damit die arabischen Massen endlich einen „Helden“ haben, der es auch mal „den Juden gezeigt hat“? Vergesst es!
Israel kann dies aber nur (moralisch) verkraften, wenn es
im Gegenzug der Hzbollah einen ‚decisive blow‘ verpassen
kann - ansonsten geht aus diesem Konflikt Israel automatisch
als Verlierer hervor.
Materiell auch, weil das Moralische in Israel etwas schneller materiell wird, als anderswo. Aus Gründen, in denen strategisches und ehnisches einfach total provokationsalergisch zusammengewachsen sind. Freie Menschen sind nun mal etwas empfindlicher gegen Terror, als aggressive Kollektive. Früher sagte man in Deutschland dazu „feiger“. Ich sage: Wartet 's ab!
Wenn Nasrallah das überlebt - und Sheba Farms bekommt, ist er der
strahlende Sieger und gewinnt enorme Sympathien für die Hzbollah.
So siehts aus bei dem Pöbel für dessen Erbauung da Regie geführt wird.
Das erklärt auch, warum die Israelis sofort die vermuteten
Kommandozentralen in Beirut mit mehreren GBU-28 angriffen, das
hätte den möglichen Sieg Nasrallahs von vorneherein verhindert.
==> ‚mission failed‘
… in first attempt…
Ein weiteres Erfordernis war die klare taktische Überlegenheit
der IDF auf dem Gefechtsfeld, um möglichst in der ersten Woche
einen Sicherheitsstreifen zu erkämpfen und damit die grenznahen
Raketenabschüsse abzustellen und eine ‚territoriale
Verhandlungsbasis‘ vorweisen zu können.
Das halte ich für einen Gesichtspunkt, der von den zweifelsohne anspruchsvollsten Teilen der internationalen militärischen Fachöffentlichkeit ins Spiel gebracht wurde. Nur, liebe Freunde, es geht dabei nicht nur nicht um Euer Überleben, sondern auch nicht um Eure Erbauung! Es geht halt um das Überleben Israels und um die Erbauung von Teilen der Arabischen Öffentlichkeit.
==> ‚mission failed‘
Nicht verzagen Freunde, die Show geht weiter. (Dies ist eine Botschaft speziell für diejenigen, die außer einem k.o. in der ersten Runde nichts
gelten lassen wollen. Wer das jetzt zynisch findet, für den war diese Botschaft halt nicht gedacht; ebenso wenig wie die Katjuschas halt.) Man muss den Israelis eben wohl mehr als einen Anlauf zur Raketenabwehr gönnen, auch wenn die TV-Sehgewohnheiten noch so sehr auf eine rasche Entscheidung in der ersten Runde drängen.
Verschiedene Poster hatten um konkretere Fragestellungen gebeten:
Was ist denn „angemessen“ als Reaktion, wenn auf eine Zivilbevölkerung in dem Sinne „eingewirkt“ werden soll, dass sie dazu gebracht werden soll, die Entscheidung über ihren Wohnort unter Raketenbeschuss zu überdenken? Ist da derjenige im Unrecht, dessen Zivilbevölkerung mangels binnenterroristisch geschmiedeten Zusammenhalts leichter zu vertreiben wäre? Ist eine Demokratie selbst schuld, wenn sie so reagieren muss, weil ihr sonst die Leute wegziehen könnten? Sollten nicht zur Wahrung der Voraussetzungen „militärischer Angemessenheit“, am besten überall Regimes von klerikalfaschistischen „Nehmerqualitäten“ errichtet weren? Ist also nicht einfach Freiheit das Problem, welches eine Gesellschaft so provokatiosallergisch macht, dass sie sich auf keinen fairen Opferproporz einlassen mag?
Darf stark und lebensberechtigt nur sein, wer auch „hart“ ist?
Ich glaube das ist DIE Frage, mit der hier an den Registern der Empathie herumgezerrt wird!
Was meint Ihr?