Hallo zusammen,
ich finde die aktiven Lageregelung wurde hier bisher ueberbetont. Raketen fliegen hauptsaechlich aufgrund aerodynamischer Kraefte geradeaus. Man kann super Raketen fliegen lassen, ohne jede aktive Regelung einzubauen. Wenn die dann einen klassischen Zickzackflug hinlegen und unterwegs fuenf Zuschauer durchloechern, hat man einen vermeidbaren Fehler gemacht.
Um den stabilen Flug einer Rakete zu verstehen, muss man sich die Lage des Schwerpunktes und des Druckpunktes der Rakete vergegenwaertigen. Der Druckpunkt ist der Punkt laengs der Achse der Rakete, um den die aerodynamischen Kraefte gerade kein Drehmoment ausueben, wenn die Rakete *seitich* durch die Luft rast.
Man kann sich die Lage des Druckpunktes ueberlegen, indem man den seitlichen Schattenriss der Rakete aus Pappe ausschneidet und den Schwerpunkt des Schattenrisses bestimmt. Dieser Punkt ist der Druckpunkt. Man stelle sich vor, man balancierst diesen Schattenriss im Druckpunkt auf einer Bleistiftspitze und blaest das Ganze gleichmaessig von oben mit einem Foen an -> wenn alles genau stimmt, kippt der Schattenriss dann gerade nicht, da sich die Drehmomente der aerodynamischen Kraefte auf die verschiedenen Teile des Schattenrisses gerade aufheben. Einfach ausgedrueckt kann man sich den Druckpunkt als den Angriffspunkt der aerodynamischen Kraefte denken.
Eine Rakete fliegt dann stabil geradeaus, wenn der Druckpunkt hinter dem Schwerpunkt liegt. Dreht sich naemlich die Rakete waehrend des Fluges mal leicht, so dass ihre Achse nicht mehr mit der Flugrichtung uebereinstimmt, wirken ja nun die aerodynamischen Kraefte auf den Druckpunkt und ueben somit um den Schwerpunkt ein rueckstellendes Drehmoment aus -> die Raketenachse richtet sich wieder auf die Flugrichtung aus.
Wenn die Masse in einer Rakete gleichmaessig verteilt ist, liegt ihr Schwerpunkt ziemlich in der Mitte. Durch das Anbringen der Flossen am hinteren Ende erreicht man nun, dass ihr Druckpunkt („Schwerpunkt des Schattenrisses“) deutlich hinter der Mitte liegt und die Rakete somit stabil fliegt. Wenn bei einer Rakete die Masse etwas mehr im vorderen Teil konzentriert ist, braucht man gar keine Flossen. Der Druckpunkt liegt dann automatisch hinter dem Schwerpunkt. So eine Rakete fliegt dann auch als glatter Zylinder stabil. Ich denke das ist bei einigen militaerischen Raketen (baehh) mit schwerem Gefechtskopf (brr) der Fall, daher sieht man da manchmal Raketen ohne Flossen.
Das Ganze funktioniert natuerlich erst dann, wenn die Rakete schnell genug ist. Daher braucht man fuer die Startphase andere Mechanismen, um die Rakete auf die Bahn zu bringen. Bei leichten, schnell beschleunigenden Raketen reicht dafuer ein Leitstab, an dem die Rakete den/die ersten Meter gefuehrt wird. Bei schweren Brummern braucht man die aktive Lageregelung, die ja von anderen schon beschrieben wurde. Eine Lageregelung braucht man natuerlich auch dann, wenn man die Rakete lenken will.
Also, bevor ihr das naechste Mal Raketen auf Euch und Eure Umwelt loslasst, bestimmt lieber vorher sorgfaeltig den Druckpunkt und den Schwerpunkt. Ansonsten wird das Ganze zu einem echten Himmelfahrtskommando fuer Euch und Eure Umgebung. Sicherheithalber sollte man vor dem Start die Rakete mal an einer Schnur im Schwerpunkt aufhaengen und dann an der Schnur (ca. 2m lang) im Kreis um sich herumwirbeln lassen. Wenn sie dabei stabil mit der Spitze nach vorne zeigt, wird sie auch spaeter stabil geradeaus fliegen. Wenn sie sehr stark um die Geradeausrichtung pendelt, liegt der Druckpunkt zu weit hinter dem Schwerpunkt, was auch nicht gut ist (Rakete „schlingert“ beim Aufstieg). Wenn sie sich aber mit dem Heck nach vorne dreht, macht man besser sein Testament bevor man sie zuendet…
Viel Spass,
Markus
P.S. Silvesterraketen nutzen ein anderes Prinzip. Durch den Holzstab liegt der Schwerpunkt bei ihnen hinter der Antriebsduese. So eine Rakete fliegt immer nach oben, egal in welche Richtung man sie abschiesst. Die aerodynamisch stabilisierten Raketen fliegen im wesentlichen in die Richtung, in die sie abgeschossen wurden.