Ramadan - Wann darf / muss ? gegessen werden?

Hallo,

zuerst einmal hoffe ich, dass diese Frage niemand falsch versteht, sie ist weder rassistisch noch in sonst einer Weise abwertend gemeint. Ich möchte lediglich einmal Klarheit bezüglich eines Punktes haben.
Und zwar arbeite ich seit ein paar Jahren im Rahmen einer Dienstleistungsgesellschaft abends (20 bis 22 Uhr) in einem großen Supermarkt. Jeden Abend sind, abhängig vom Wochentag und dem Andrang, ca. 10 bis 12 Posten zu besetzen. Bei unseren Mitarbeitern herrscht eine große Fluktuation hinsichtlich der Anzahl, relativ fest dabei sind aber etwa 30. Davon sind etwa 5 Deutsche, die übrigen Türken. Daher kommen auf einen eingesetzten Deutschen pro Abend etwa doppelt bzw. dreimal so viele Türken. Ich mag meine türkischen Kollegen sehr gerne und finde es umso ärgerlicher, dass es jedes Jahr wieder zu Streitfällen kommt. Und zwar ist Ramadan das Problem. Da das, ungeachtet der täglichen zeitlichen Verschiebung, über den gesamten Monat hinweg in unsere Arbeitszeit fällt, passiert es jeden Abend während Ramadan, dass zwei Drittel der Belegschaft für mindestens eine Viertelstunde verschwindet, um zu essen, was uns laut Vertrag eigentlich verboten ist. Jetzt habe ich von einigen türkischen Freunden gehört, dass es bei Ramadan täglich ein sich verschiebendes Zeitfenster gebe, innerhalb dessen gegessen werden dürfe. Daher habe ich die Kollegen auf der Arbeit gefragt, ob sie nicht noch eben eine halbe Stunde warten können bis Dienstschluss, aber sie meinen alle einstimmig, die Zeiten müssten genau eingehalten und genau dann auch auf die Minute genau mit dem Essen angefangen werden.
Was stimmt denn nun?
Ich weiß, Ramadan ist längst vorbei, es wird aber immer noch deswegen gestritten und irgendwie hat niemand wirklich den Durchblick da…

LG

Hallo,

das Fastenbrechen am Abend eines jeden Tages geschieht immer zu Sonnenuntergang.
Da der in jeder Stadt unterschiedlich ist, gibt es sogar eine App dafür.

Zum Fastenbrechen isst man traditionell eine Dattel und trinkt einen Schluck Wasser.
Zusammen mit einem Bittgebet, im Anschluß folgt das Abendgebet.
Das Fastenbrechen ist für gläubige Muslime sehr wichtig und ein heiliges Ritual und nicht nur das erste Essen und Trinken des Tages.

Die Uhrzeiten für 2011 findest du für FFM z. B. hier:
http://kandil-marketing.online.de/portal/images/uplo…

Grüße
miamei

Hallo,

miamei hat das richtig beantwortet.

Stell Dir mal vor Du hast etwa um 5 Uhr morgens etwas gegessen und dann den ganzen Tag nichts mehr. Dann so gegen 21 Uhr dürftest Du denn endlich den ersten Schluck Wasser trinken und es kommt eine Kollegin mit diesem Vorschlag:

ob sie nicht noch eben eine halbe Stunde
warten können bis Dienstschluss,

Sorry, aber ich kann das durchaus verstehen, dass man da nicht eine halbe Stunde warten kann. Sicherlich sollten andere Mitarbeiter nicht darunter leiden, aber es gibt ja geregelte Zeiten um Pause zu machen. Da kann man doch innerhalb der Mitarbeiter ruhig mal tauschen.

Ich persönlich schaffe es nicht während der Arbeit zu fasten, würde aber für jeden der fastet einspringen. Vor allem ist ja ne 1/4 Std. nicht wirklich lang.

Genauso arbeite ich jedes Jahr an Weihnachten damit meine deutschen Kollegen die Zeit bei ihrer Familie verbringen können während es für mich Arbeitstage wie jede andere sind. Ist doch nur fair sowas.

LG

Hallo,

erstmal vielen Dank euch beiden für die Antworten, mir ging es in erster Linie erst einmal darum, da Klarheit reinzubringen. Mich nervt es persönlich sehr, dass da ständig gestritten und immer nur mit Halbwahrheiten rumgeworfen wird. Ich hab auch nur von Freunden gehört, wie die das mit dem Fasten halten, dass es einen so großen spirituellen Wert hat, war mir nicht klar.
Du, Mondschein, hast da allerdings genau das Kernproblem angesprochen, weswegen die ganze Debatte jedes Jahr aufs Neue aufbricht, denn erstens arbeiten wir täglich ja nur 2 Stunden insgesamt, Pausen (und Essen/Trinken) sind in dieser kurzen Zeit daher strikt untersagt. Da der Großteil der gesamten Belegschaft (etwa 30 Leute, wie ich schrieb) eben nunmal Türken sind, macht es ebenfalls keinen großen Sinn, da großartig zu tauschen, da nahezu jeder dieser Leute fastet und daher, egal wer von ihnen abends arbeitet, nun einmal zwei Drittel der Arbeiter zur selben Zeit essen gehen.
Nun aber zum wichtigsten Punkt, denn ich kann das alles sehr gut nachvollziehen, dass man da nicht noch einmal ne halbe Stunde länger warten will etc. Das Problem, über dass sich die deutschen Kollegen aufregen, ist, dass es eben _keine_ Gerechtigkeit hinsichtlich Weihnachten z.B. gibt. Als ich neulich gefragt habe, wann ich da meinen einwöchigen Urlaub einreichen kann, um zu meiner Familie zu fahren, hat mir die türkische Chefin gesagt, da herrsche Urlaubssperre für alle. Trifft natürlich in erster Linie die nicht-islamischen Kollegen. Und genau das ist eben der Streitpunkt. Und wenn die Diskussion dann wieder mal erneut aufbricht, werden alle sofort persönlich und dann kommen auch wieder Argumente ala „Und übrigens voll sch…, dass ihr Türken IMMER auf Türkisch reden müsst und dabei auch mal unsere Namen fallen. Über uns zu reden, wenn wir daneben stehen, ohne dass wir es verstehen, was fällt euch ein…blablabla“. Ich kann’s echt nicht mehr hören.

In jedem Fall aber danke, dass ich zumindest bezüglich der Anfangszeit des Ramadan mal Klarheit habe!

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denn erstens arbeiten wir täglich ja nur 2 Stunden
insgesamt, Pausen (und Essen/Trinken) sind in dieser kurzen
Zeit daher strikt untersagt.

OK, das ist natürlich was anderes. Ich bin von wesentlich mehr Std. ausgegangen.

Da der Großteil der gesamten
Belegschaft (etwa 30 Leute, wie ich schrieb) eben nunmal
Türken sind, macht es ebenfalls keinen großen Sinn, da
großartig zu tauschen, da nahezu jeder dieser Leute fastet und
daher, egal wer von ihnen abends arbeitet, nun einmal zwei
Drittel der Arbeiter zur selben Zeit essen gehen.

Dann sind die alle aber ganz schön egoistisch. Ich habe kaum türkische Kollegen, weiß aber von meiner Mutter das das auch ganz anders geht. Sie arbeitet fast nur mit türkischen Frauen und da hat man sich abgewechselt. Es gab auch immer wieder Frauen denen das Fasten sehr schwer gefallen ist und die durften dann auch als erstes essen gehen. Die (meist) älteren Frauen konnten damit besser umgehen und die störte es auch nicht wenn sie ´ne halbe Std. später essen gegangen sind.

Gerechtigkeit hinsichtlich Weihnachten z.B. gibt. Als ich
neulich gefragt habe, wann ich da meinen einwöchigen Urlaub
einreichen kann, um zu meiner Familie zu fahren, hat mir die
türkische Chefin gesagt, da herrsche Urlaubssperre für alle.

Wie das betriebsintern geregelt wird weiß ich nicht. Genauso wenig kenne ich die rechtliche Lage. Aber in bestimmten Branchen gibt es zu bestimmten Zeiten Urlaubssperren. Genauso wie es Vorgaben gibt, dass nur eine bestimmte Anzahl an Mitarbeitern gleichzeitig in den Urlaub dürfen damit der Betriebsablauf nicht gestört wird. Wenn man dahin gehend nicht so flexibel ist, müsste man das alles klären bevor man einen Arbeitsvertrag unterschreibt. Aber jetzt ist das wohl eher schwierig, vor allem wenn man den Job behalten möchte.

sofort persönlich und dann kommen auch wieder Argumente ala
„Und übrigens voll sch…, dass ihr Türken IMMER auf Türkisch
reden müsst und dabei auch mal unsere Namen fallen. Über uns
zu reden, wenn wir daneben stehen, ohne dass wir es verstehen,
was fällt euch ein…blablabla“. Ich kann’s echt nicht mehr
hören.

Niemand mag es hören, wenn sein Name in einem für ihn unverständlichen Gespräch fällt. Allerdings höre ich hier eine große Unzufriedenheit innerhalb der Kollegschaft raus. Das ist schade, weil es dann natürlich auch schwer ist Kompromisse einzugehen. Wenn ich bedenke, dass man nur 2 Std. arbeitet und dieser Zeit so einen Stress hat, ist das nicht sehr produktiv. Da sollte man der Chefin mal mitteilen. Unabhängig davon ob islamisch oder nicht, da werden Energien verbraucht die eigentlich in die Arbeit gesteckt werden sollten.

Vielleicht kann man mit dem Grundgedanken ja mal das Gespräch mit der chefin suchen.

Ansonsten ist der Ramadam die wichtigste Zeit bei den Moslems. Genauso wie es bei Euch Weihnachten ist. Das sollte man respektieren und sich gegenseitig unterstützen.

LG

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Hallo,

ich finde die Frage wäre besser im Arbeitsrechtsbrett aufgehoben…

Das mit dem „Zeitfenster“ höre ich zum ersten Mal - aber für den Alltag / Arbeitstag in der westlichen Welt macht das durchaus Sinn. Vielleicht ist es ja eigens dafür eingeführt worden. Streng genommen ist es allerdings ein Bruch mit dem „Brauch“ (sagt man das so?) des Ramadan, denn es ist ziemlich genau im Koran geschrieben, dass erst nach Einbruch der Nacht gegessen werden darf. Wer es ganz genau nimmt, darf noch nicht einmal sprechen, denn es geht nicht um „Fasten“ im ernährungswissenschaftlichen Sinne, sondern um Enthaltsamkeit.

Auch wenn es unreligiös klingen mag, aber ich werfe das mal alles in einem Topf mit sämtlichen anderen persönlichen Bedüfnissen, die im Berufsleben keinen Raum haben, z.B. den Wunsch keine Nachtschichten zu machen, ein Paarmal pro Woche früher gehen oder später kommen (Klassiker bei Alleinerziehende) oder Arbeitnehmer, die regelmässig fehlen, da sie eine chronische Krankheit behandeln lassen müssen.
Alle diese Menschen verstossen von Zeit zu Zeit oder regelmässig gegen ihren Arbeitsvertrag und ich als Arbeitgeber darf dieses Fehlen akzeptieren oder nicht - vorausgesetzt ich bin vorher darüber informiert und man gibt mit die Chance es zu genehmigen oder abzulehnen. Der Ramadan ist ja keine unberechenbare Naturkatastrophe oder ein plötzliches Nierenversagen, sondern jährlich wiederkehrend und sehr vorhersehbar. Ich muss doch als Arbeitnehmer muslimischen Glaubens wissen, dass ich in dieser Zeit noch während der Arbeitszeit furchtbar unterzuckert bin und eine Essenspause ausserhalb der vorgeschriebenen Zeit benötige - also werde ich das VORHER mit dem Arbeitgeber absprechen (eventuell auf die Mittagspause verzichten oder länger arbeiten bzw. die Zeit nach dem Ramadan nacharbeiten und nicht mit allen anderen muslimischen Kollegen gleichzeitig zur Pause gehen wenn die Sonne hinter dem Horizont verschwunden ist.

Vielleicht gibt es ja bei euch im Betrieb bereits solche Absprachen und Du weisst es nur nicht? Auf jeden Fall gibt es für jedes Problem eine Lösung, man muss es nur wollen und darüber sprechen.

Viele Grüße

Guten Abend :smile:

Danke Mondschein und Chili für die ausführlichen Antworten und Anregungen! Ja, ich muss zugeben, diese Ausmaße hatte das eigentlich gar nicht annehmen sollen, ich stimme da voll zu, dass sich das allmählich in eine Arbeitsrecht-Frage verwandelt. Mir ging es ursprünglich wirklich allein darum, diese Halbwahrheiten aus der Welt zu schaffen, mit denen immer argumentiert wird.

Ich gebe auch zu, dass da schon im Prinzip eine Diskussion ums Arbeitsrecht drin steckt, aber die würde hier viel zu weit führen. Das Beispiel mit Ramadan auf der einen und dem Weihnachtsurlaub auf der anderen Seite zeigt das ja bereits ganz gut. Letztes Jahr z.B. war das nämlich noch kein Problem, erst dieses Jahr geht das plötzlich nicht mehr. Ist allerdings auch wieder etwas verzwickter, da wir von 20 bis 22 Uhr die Arbeit in diesem Markt verrichten für die eigentlichen Mitarbeiter, die nur von 8 bis 20 Uhr arbeiten (ist ja auch lange genug!). Wir gehören einer Dienstleistungsgesellschaft an, die in vielen dieser Märkte im Umkreis Mitarbeiter einsetzt, unser Team ist eben dem örtlichen Markt fest zugewiesen. Der eigentliche Chef sitzt ganz woanders und tritt vielleicht einmal pro Jahr in Erscheinung, wenn der jetzt eine Urlaubssperre verhängt (was ich als Arbeitgeber vermutlich auch tun würde in der Festzeit), dann ist der Streitpunkt bei uns nicht diese Sperre per se, sondern die Tatsache, dass die (türkische) Teamleitung vor Ort, also unsere direkte Chefin und Ansprechpartnerin, von sich aus sagt, dass alle arbeiten müssen. Dass es mit Blick auf Ramadan vielleicht nur gerecht wäre, dass die 4 bis 5 Christen über Weihnachten dann frei nehmen können, sieht sie nicht ein. Man muss nämlich nicht zwingend einen Urlaubsantrag stellen, wenn man einfach mal ne Woche frei haben möchte, einfach nicht in den Dienstplan eintragen und fertig. An Weihnachten jedoch wird sogar peinlich genau drauf geachtet, dass sich auch ja alle Deutschen eintragen, weil es ja nur fair ist (so die Teamleitung), dass alle da arbeiten.

Es tut mir Leid, dass das alles so weit führt, wie gesagt, mir ging es erstmal nur um die Regelung vom Ramadan selbst. Das Witzige ist, dass der eigentliche Chef aller Teams, den wir nie sehen, Deutscher und extrem streng ist, der weiß oft (wie die Teamleitung mal hat verlauten lassen) gar nichts von diesen internen Regelungen der einzelnen Teams. Genau eine Woche nach Beginn des Ramadan dieses Jahr hat dann eine Deutsche „gedroht“, dem Chef das mal alles zu erzählen. Es kam zu einem sehr hässlichen Streit mit der Teamleiterin und einen Tag später wurde der Mitarbeiterin gekündigt. Da sich danach nichts geändert hat, gehe ich davon aus, dass sie nicht mit dem Chef geredet hat. Und ganz ehrlich, ich hab wenig Lust, das Thema anzusprechen, denn egal wie freundlich man es versucht, man ist in der totalen Minderheit. Und man kann sich ja an 5 Fingern abzählen, wie toll die türkischen Kollegen das finden und wie nett sie einen in Zukunft behandeln werden, wenn man hinten rum dem Chef petzt und die Teamleitung sich verantworten muss.
Aber genug davon, das soll wirklich keine Abhandlung über das Für- und Wider religiöser Unterschiede am Arbeitsplatz werden.

Vielen Dank für die Antworten :smile:

Hallo,

erst fasst man sich an den Kopf und denkt „Ha, 2 Stunden!! Klar, dass es da keine Pause gibt!“ und dann die Uhrzeit: 20 bis 22 Uhr! Genau zum Sonnenuntergang also. Da kann man ja nun nicht sagen, dass man die Nahrungsaufnahme vor der Arbeit machen sollte. Türke, Du hast sowas von den falschen Job (aber immerhin hast Du einen).

Der deutschen Minderheit der Crew bleibt wohl nur das Ganze mit etwas Humor und Respekt zu begegnen (und Nachsicht).

Was ich aber ganz übel finde ist die Unternehmensstruktur und die (nicht vorhandene) Kommunikation zwischen den Ebenen. Kein Wunder, dass da eine starke Fluktration herrscht…

Viele Grüße