Hallo www.Franz,
Welche
Ziele verfolgen die Ratingagenturen, wenn sie deratiges in
zunehmendem, teils unerwartetem und verstärktem Maß in Kauf
nehmen? Mittel- und langfristig schaffen sie doch
unnötigerweise Unsicherheit und Krisen…
Franz
zunächst sei auf meine kürzlich hier verfassten 3 hintereinander liegenden Beiträge verwiesen
/t/wieso-keine-europaeischen-ratingagenturen/6467517/10
Aber auch auf wikipedia, die hier ein ganz gutes Bild zu Ratingagenturen vermitteln
http://de.wikipedia.org/wiki/Ratingagentur
Ratingagenturen sind ja eigentlich NICHT dazu da, nach Stimmung der Weltwirtschaft ihr Urteil so auszurichten, dass es möglichst einer positiven Stimmung(swende) förderlich ist. Sie sollen die wahren Verhältnisse über die Chance der Rückzahlung zeigen. Klar, wenn man so eine dominante Stellung, wie die Ratingagenturen Moodys und S&:stuck_out_tongue_winking_eye: sie haben, innehat, kann ein negatives Urteil schnell zu einer selbsterfüllenden Prophezeihung werden. So weit so gut. Das müssten sie dann auch berücksichtigen, was ja ein Widerspruch in sich wäre. Ich soll die künftige wirtschaftliche Lage beurteilen und diese hängt - vielleicht auch - von meinem Urteil ab. So beißt sich die Katze in den Schwanz.
Wir müssen denke ich grob zwischen der Beurteilung von Unternehmensanleihen, Staatsanleihen und Bankanleihen durch Ratingagenturen unterscheiden.
Zu Unternehmensanleihen. Das Volumen ist in den letzten 3 Jahrzehnten explodiert. Dadurch wurden Bankkredite - zumal in Relation dazu - enorm in den Hintergrund gedrängt. Die Bonität der Analyse war und ist schlecht (Interessenkonflikte wurden ausgiebig erläutert - siehe links oben). Dadurch hat sich auch die Analysebonität der Banken wesentlich verändert/verschlechtert (lean banking). Gegen Betrug zum Beispiel (auch diese Fälle wurden in den links beschrieben) ist man zwar nie vollständig gesichert, aber gründliche und überraschende Stichproben, wie sie früher von Banken bei Unternehmen weit verbreitet waren, finden so gut wie nicht mehr statt. Die Immobilienkrise war auch kein wesentliches Betrugsthema.
Bankenanleihen. Eine vernünftige Analyse gab es nie - weder von den Banken, noch von den Ratingagenturen. Es war name lending. Nach den Desastern der letzten Jahre hat sich das etwas verbessert, ist aber immer noch völlig unzureichend. Das gilt insbesondere für Tranparenz und die indirekten Effekte der Krisen (Stichwort Dominoeffekt der Bankenforderungen) und den Zeitaufwand für die Analysen (wurde auch schon in den links beschrieben).
Staatsanleihen. Im Grunde gilt fast das gleiche, wie bei den Bankanleihen, nur natürlich mit eher volkswirtschaftlichem Schwerpunkt. Aber allein die Seriösität einer Rechnungslegung/eines Staatshaushaltes ist ein Problem. Aber da hat man natürlich immer auf die Organisationen gesetzt. Der Warschauer Pakt sollte für die Zahlungsfähigkeit seiner Mitglieder sorgen (wie lange haben alle Investoren das geglaubt) und die EU (besonders Deutschland) für seine Mitglieder. Auch das war eben name lending. Die Ratingagenturen (eigentlich auch viele Investoren) haben sich auch darauf verlassen und daher oft zu gut bewertet. Das Vertrauen auf die Organsation ist auch kein großer Fehler - es fehlt nur ein „Zwischenrating“ wie bei einem besicherten Kredit. Man könnte zum Beispiel sagen - Auf sich allein gestellt - ungenügend, aber wir hoffen auf die Organisation (die dann aber auch entsprechend einem Bürgenrating auf Belastbarkeit bei allen Garantien, die da so gewährt wurden, zu prüfen wäre - auch da sind Warschauer Pakt und EU/Deutschland gute Beispiele).
Die Ratingagenturen wissen natürlich um diese Probleme. Sie wissen, dass sie bei den verschachtelten Immobilienanleihen versagt haben und auch bei den Bank- und Staatsanleihen. Also versuchen sie sich zu ändern - zu verbessern. Wenn man sich auf Deutschland als Retter nicht mehr verlassen kann und viele Hunde des Hasen Tod sind und zunehmend das (früher mehr oder weniger vertuschte) Schuldendesaster immer klarer wird, muss sich eine Ratingagentur dieser neuen Wahrheit anpassen. Da sind Aspekte dabei, die neu sind und solche, die man hätte schon viel früher erkennen können.
Fazit: Die Welt finanziert sich immer mehr über Anleihen und sucht nach einem schnellen und hoffentlich richtigen Urteil über die Bonität des Schuldners. Es müsste aber noch vieles geändert werden, um dazu zu kommen. Also bleibt nur den Oligopolisten Ratingagenturen sich notdürftig den Realitäten (oft im nachhinein)
anzupassen.
Mit einem fundierten Urteil hat das meist wenig zu tun. Allerdings muss man sagen, dass auch fundierte Analyse der Banken in vergangenen Zeiten (wie auch die Kreditarbeit als Ganzes) immer Mangelverwaltung war, aber natürlich bei den Mängeln an zuverlässigen Informationen und immer weniger Zeit nicht besser werden kann.
„Der Markt“ (incl der kleinen Sparer, die auch für ihre Rente vorsorgen) muss sich überlegen, ob er weiter auf solche Unzulänglichkeiten bauen will/kann und die Banken müssen sich überlegen, ob sie in diese Vetrauenslücke als zuverlässiger Anlagepartner wieder einsteigen könnten (sich aber radikal dazu ändern müssten). Und die Gesetzgeber weltweit müssten einiges dort tun, wo die Selbstheilungskräfte des Marktes zu schmerzhaft und zu spät eingreifen würde. Dazu müsste sich vieles ändern - das sehe ich leider nicht.
Schönen Gruß von ikarusfly