Lieber RAABE,
In einem Parabelflug wird nichts anderes als der physikalische „freie Fall“ durchgeführt. Am Anfang steigt das Flugzeug mit voller Kraft steil nach oben. Dabei wirkt auf jeden Gegenstand und jede Person in dem Flugzeug fast die doppelte Schwerkraft (1,8 g). Das ist wie in einem Rennauto, wo der Fahrer bei Beschleunigung in den Sitz gepresst wird. Dann werden die Turbinen auf fast Null Schub gedrosselt. Ab jetzt wirkt keine Kraft mehr auf das Flugzeug ein und auf alles, was sich darin befindet, und der Zustand der Schwerelosigkeit beginnt. Das Flugzeug fliegt mit dem vorhandenen Schwung weiter nach oben, wird langsamer und fällt erst dann wieder nach unten ab. In dieser Zeit herrscht Schwerelosigkeit (0 g), in diesem Fall für ca. 20 Sekunden. Um nicht auf dem Meer zu zerschellen, muss die Maschine wieder abgefangen werden. Dabei wirken dann wieder Kräfte auf das Flugzeug ein und der „freie Fall“ = die Schwerelosigkeit ist beendet. Die Kraft beim Abfangen ist wie beim Aufstieg 1,8 g.
Die Personen im Flugzeug merken nicht, dass sie fallen. Sie haben kein Gewicht mehr und beginnen zu schweben. Das ist die echte Schwerelosigkeit wie auf der Raumstation oder wie auf einem Flug zum Mond – allerdings leider nur für 20 Sekunden.
Eine Untersuchung des Gesundheitszustandes der Person, die an einem Parabelflug teilnehmen will, ist notwendig. Es muss festgestellt werden, dass die Person den Flug ohne Schaden und Risiko ausführen kann. Bei der Untersuchung wird durch einen Flugarzt festgestellt, dass das Herz gesund ist, das Gleichgewichtssystem funktioniert und keine Muskel- oder Knochenerkrankungen vorliegen. Das ist die gleiche Untersuchung, die jeder Privatpilot machen muss, bevor er fliegen darf, also gar nicht so schlimm.
Besonders aufpassen beim Parabelflug muss man eigentlich nur zum Zeitpunkt am Ende der Parabel, wenn das Flugzeug wieder abgefangen und bei 1,8 g fast das doppelte Körpergewicht spürbar wird. Wer sich da nicht bereits in Bodennähe befindet, fällt schnell und hart nach unten. Mit dem Airbus A300 in Europa werden an einem Flugtag 30 Parabeln geflogen. In früheren Zeiten flog die NASA mit der KC-135 40 Parabeln und die russischen Kollegen fliegen mit einer Illjushin noch heute 15 Parabeln in einer Serie. Das ist wirklich anstrengend, denn die ständigen Wechsel zwischen 1 g – 1,8 g - 0 g - 1,8 g und wieder 1 g kosten Kraft und Konzentration. Sie sind hauptsächlich für das Herz belastend und daher dürfen nur gesunde Personen an Parabelflügen teilnehmen. Dieser Schwerkraftwechsel ist auch eine Herausforderung für das Gleichgewichtssystem und bei manchen Menschen führt er zu Übelkeit und kann sogar Erbrechen bewirken. Um an Parabelflügen teilzunehmen muss man jedoch keine Sportskanone sein. Jeder gesunde Mensch ist fähig, die Belastung auszuhalten und dabei auch noch Spaß zu haben.
Schuhe mit einer Schleife zuzubinden ist eine komplizierte Tätigkeit, die Kinder erst nach langer Übung beherrschen. Die gezeigte Frau war Erstfliegerin und daher mit den Verhältnissen in Schwerelosigkeit noch nicht vertraut. Ohne Eigengewicht schwebend und ohne Möglichkeit, sich irgendwo festzuhalten ist es fast unmöglich, mit zwei Händen eine komplizierte Handlung durchzuführen. Unsere Bewegungskoordination muss in Schwerelosigkeit neu justiert werden und dazu hatte die Frau wahrscheinlich noch nicht ausreichend Eingewöhnungszeit. Auch hier gilt: üben, üben, üben. Unsere Astronauten auf der Raumstation führen danach sehr anspruchsvolle Experimente aus.
Ich hoffe, diese kurzen Bemerkungen eines erfahrenen „Parabonauten“ haben den Wissensdurst des RAABEN noch lange nicht befriedigt. Mehr über Parabelflüge kann man auf www.dlr.de/parabelflug nachlesen.