Realer Anwendungsfall eines Integrals?

Wozu lehrnt man in der Schule, wie man den Flächeninhalt unter einem Graphen berechnet? Die gestellten Übungsaufgaben, sind absolut realitätsfern. Kann mir jemand einen realen Bezug zu dieser Thematik nennen? Eine reale Anwendung des Intergrals?
glg Homes

Im Alltag wird einem kaum die Integralrechnung begegnen, und wenn es mal einen Fall gibt, den man damit rechnen kann, werden die wenigsten es merken, und noch weniger es wirklich tun.

Wirklich genutzt wird sie in den meisten Wissenschaften, allen voran Physik und Ingenieurswissenschaften, aber wie wir gelesen haben, auch in BWL.

In der Schule lernt man, daß man mit dem Integral die Fläche unter einem Graphen berechnen kann. Das ist ein recht anschaulicher Anwendungsfall, der so oft benutzt wird, daß man glaubt, die Integralrechnung ist alleine dafür da.

Vielleicht mal eine einfache Anwendung aus der Physik:

Ein Körper wird mit einer konstanten Beschleunigung a beschleunigt. Wie groß ist seine Geschwindigkeit nach einer bestimmten Zeit T? Zerlegen wir den Zeitraum in viele kurze Zeiträume dt, so gewinnt der Körper in jedem Zeitraum die Geschwindigkeit dv=a*dt dazu. Man kann alle diese Geschwindigkeiten aufaddieren, und das als Integral schreiben:

v = ∫0T a * dt = a*T + C

Juchu, fette Integralrechnung für so’n trivialen Mist!
Aber halt! das C ist die Integrationskonstante, die man so gerne vergisst, und hier kann sie als Anfangsgeschwindigkeit angesehen werden:

v = a*T + v0

Weiter, wir sind ja auch an der zurück gelegten Strecke interessiert. Zu jeder Zeit t hat der Körper für einen winzigen Moment dt eine halbwegs konstante Geschwindigkeit v(t), und legt in dieser den Weg ds=v(t)*dt zurück. Wieder können wir diese Werte für alle kleinen zeiträume aufaddieren:

s = ∫0T v(t) * dt = ∫0T (a*t + v0) * dt = 1/2 aT² +v0*T+s0

Die erneut auftauchende Konstante ist die Anfangsposition des Körpers. Und jetzt wird vielleicht deutlich, wie man von der bekannten Formel für die Geschwindigkeit auf die Formel für den Weg kommt.

Die Formeln hat man irgendwann mal in der Schule gelernt, und ggf. irgendwie hergeleitet, aber daß da Integral- oder Differenzialrechnung hinter steckt, hat einem keiner gesagt.

Wenn die Beschleunigung aber plötzlich nicht mehr konstant ist, gelten diese gelernten Formeln nicht mehr, sondern man muß mit der Integralrechnung von vorne anfangen.

Als Beispiel: Es gibt die Aufgabe, die seitliche Ablenkung eines Gegenstands zu berechnen, der von der Spitze des Eiffelturms fallen gelassen wird. Ein Großteil meiner Studenten hat die Beschleunigung ausgerechnet und einfach in die bekannten Formeln eingesetzt, und kam so auf etwa 6cm. ABER: Die Beschleunigung steigt mit der Zeit linear an, man muß das integrieren, und kommt dann auf etwa 11cm. (Das wäre jetzt mal eine Übung: Wie schaut’s aus, wenn a nicht konstant ist, sondern a(t)=B*t ?)


Im Grunde begegnet einem sowas überall, die bekannten Formeln ist häufig nur das Resultat einer Integralrechnung für bestimmte Bedingungen.

zur Konstruktion und Herstellung vielfältier Objekte:
http://matheguru.com/analysis/integralrechnung/anwendungsgebiete-der-integralrechnung.html?showall=&limitstart=

Beatrix

Um ein aktuelles Beispiel zu nennen:

Bei einem Auto mit Dieselmotor soll der NOx-Ausstoß unter Realbedingungen gemessen werden. Wir packen also ein Meßgerät an den Auspuff und fahren los. Das Meßgerät liefert alle 10 Sekunden einen Meßwert. Wir tragen die Meßwerte in ein Diagramm ein:

X-Achse = Zeit
Y-Achse = Meßwert

Das Integral ist der Gesamtausstoß an NOx während der Fahrt.

Aber ich kann die Fragestellung trotzdem nachvollziehen.
Gerade in der Mathematik werden zwar die Formeln und theoretischen Herleitungen ausführlich im Unterricht behandelt, aber der Praxisbezug bleibt auf der Strecke.
D.h. ich besitze Werkzeuge, ohne zu wissen, wofür ich sie benutzen kann - und dann „verstauben sie im Keller oder werden weggeschmissen“.

Beatrix

Kurvendiskussion braucht man zB im BWL-Studium, wenn man das nicht rechnen kann, versteht man auch die ganze Theorie nicht. Im Berufsleben ist mir dann allerdings keine Mathe mehr begegnet, die über Grundrechenarten, Prozent- und Zinsrechnung, vielleicht mal ne arithmetisch-degressive AfA hinausgeht…

Hi,

vielleicht reden wir ja auch ein bisschen aneinander vorbei. Zum einen hat der UP selbst geschrieben, dass die Integralrechnung die Fläche unter einem Graphen berechnet. So ht er es im unterricht gresagt bekommen. Es ist also davon uszugehen, dass er das weiß, und dass er auch weiß, was ein Graph ist und was die fläche unter demselben ist.
Des weiteren ist davon auszugehen, dass ihm in seinem Leben, und sei es „nur“ im Unterricht, bereits Graphen in praktischer anwendung begegnet sind. Arbeitslosenzahlen, CO2-ausstoss, emissionen, Steuereinnahmen, … Wenn er da nicht 1 und 1 zusammenzählen knn, und er dann noch für jede Aufgabe (so verstehe ich ihn, und auch dich) eine Anwendung braucht, dann hat er auf einer Schule, die Integralrechnung unterrichtet, und in Berufen, die einen solchen Abschluss voraussetzen, nichts zu suchen. Es fehlt dann an der nötigen Abstraktionsfähigkeit und an der Fähigkeit, Wissenstransfer zu leisten.

die Franzi

Da liegt mein Problem: ich würde schon gar nicht erkennen, dass ich hierbei das Integral anwenden muss. Kann mir jemand sagen, WIE ich das sehe?

Hi,

das beweist meine Theorie, dass eine Sachaufgabe (= nwendungsbeispiel ist gegeben, nschlißend soll mn dzu was berechnen) dein Problem nicht vereinfacht, sondern erschwert.

Also, das mit den Abgasmessungen … du erhältst viele Werte, aber es ist immer der Abgasausstoß zu einem bestimmten Zeitpunkt. Die Werte kann man in ein Diagramm eintragen, und dann erhält man einen Graphen. Die Fläche unter diesem Grphen ist die Summe des Abgasausstoßes über den gesamten Zeitraum (1. Messwert +2. Messwert + 3. Messwert + …).
wenn Du eine Formel für den Verlauf der Messungen hast, hast du eine Formel, die den Graph beschreibt. Dann knnst du mit der Integralrechnung die Fläche unter dem Graphen berechnen, anstatt unendlich viele Messwerte einzeln zu addieren, und du kannst auch den Abgasausstoß für beliebige Zeiträume in der Zukunft berechnen, ohne dafür ein Auto fahren und die Werte messen zu müssen.

die Franzi

Hi,

sehr hübscher Link. Damit hat sich das dann mit der REalitäsferne :smile:

n den UP: Wenn man aus der Integralrechnung immer Anwendungsbeispiele macht, hat man ratzfatz lauter Textaufgaben. Da kommt dann zu der reinen Rechenproblemtik noch dazu, das man die Aufgabe erstml herusfinden muss - also, mit welcher Rechenart löse ich das mir gestellte Problem? um das zu beherrschen, muss mn erstmal die jeweilige Rechenoperation beherrschen.

die Franzi

Das stimmt natürlich theoretisch.
Jetzt suche aber praktisch erst einmal die Funktion für den Kurvenverlauf. Letzterer ist so unregelmäßig, daß man überhaupt keine Funktion findet.

Ein „realer Anwendungsfall“ fuer Integrale laesst sich im alltaeglichen Leben nur finden fuer Menschen, die halt mit Ingenieurswissenschaften zu tun haben, Eine Putzfrau brauch die nicht. Ebenso ist niemand ausser den Biologen beschaeftigt mit den Prozessen der Photosynthese, keiner ausser den Teilchenphysikern kuemmert sich um Bosonen oder die Heisenbergsche Unschaerfe und niemand ausser den Wirtschaftlern interessiert sich fuer Griechenland (Scherz). Fakt ist, die Wissenschaft hat in den letzten 200 Jahren viele Erkenntnisse gewonnen, die weit ueber den taeglichen Hausgebrauch hinaus gehen. Nicht alles, was wir wissen, werden wir jemals anwenden koennen. Aber, woher wissen wir, was wir wissen sollen? Bei genauem Meditieren (und daher danke fuer die Frage) komme ich sogar zu dem Eindruck, ein Mensch ist heutzutage umso gebildeter, je mehr er Kenntnis besitzt von Zusammenhaengen, die eben gerade NICHT unmittelbar eine reale Anwendung implizieren…