Realität

Halo liebe Community,

in letzter Zeit ist mir immer wieder der Gedanke hochgekommen, dass meine Realität „nur“ das Produkt meiner eigenen Sinneserfahrungen(was ich sühle, rieche, schmecke, höre) ist, aber wenig mit einer objektiven Realität zu tun hat.

Es mag womöglich seltsam klingen, aber dieser Gedanke bedrückt mich. Seither habe ich das Gefühl, als wäre alles unecht und mein Leben würde an mir wie ein Film vorbeilaufen. So wie als wäre ich nur ein teilnhameloser Statist. Das bewirkt auch, dass mir in letzter Zeit der Antrieb fehlt und mir die Orientierung im Leben ein wenig fehlt.

Warum das so ist kann ich mir nicht erklären. Es hat sich ja schließlich nichts geändert. Ist es vielleicht so, dass ich mir als Mensch eine viel zu große Bedeutung zuschreibe? Oder vielleicht das Gegenteil?

Kennt ihr dieses Gefühl der Teilnhamelosigkeit? Kennt ihr das Gefühl, als wäre alles irreal und das Leben liefe an einem vorbei?
Was ist an diesem Gedanken so bedrückend? Warum hatte ich diesen bislang nie?

Könnt ihr mir vielleicht einen Denkanstoß geben, der mir weiterhelfen kann?

Schöne Grüße an alle,

Jan

Oh!

Ja, dieses Gefühl kenne ich auch, sicher! Aber letztlich hätte ich nur dann Zweifel am von mir beobachteten Geschehen, wenn meine von mir geäußerten Wahrnehmungen nicht wenigstens grundsätzlich mit denen meiner Mitmenschen übereinstimmen würden.

Einer sozusagen menschheitsweiten Fehlwahrnehumung hätten wir ja nichts entgegenzusetzen, oder?

Oder meinst Du solche Dinge wie den Regenbogen? Ich sehe ihn vor einem Baum mit der Bezeichnung „A“ z.B. links niedergehen. Jemand, der 20m seitlich entfernt steht, sieht ihn jedoch vor einem Baum mit der Bezeichnung „B“ (ebenso links) niedergehen! Beide Wahrnehmungen sind echt und wahrheitsgemäß geäußert! Sie sind sogar durch Standorttausch austauschbar und verifizierbar. Sicher ist der Regenbogen insofern ein besonderes Phänomen, jedoch durchaus bemerkenswert!

Dennoch bleibt mir letztlich doch auch ein Rest von Zweifel, wenn mir jemand bestätigt, er erkenne einen bestimmten Gegenstand als „grün“. Feststellen kann ich nur, dass er laut Konvention und Erfahrung gelernt hat, seine momentane Farbwahrnehmung in unserer Sprache mit „grün“ zu bezeichnen. Verwendete er eine mir unbekannte Sprache, in der er seine momentane Farbwahrnehmung mit „grün“ bezeichnet und ich wüsste nicht um diese fremde Sprache, so könnte er tatsächlich auch die Farbwahrnehmung „blau“ und dies in seiner Sprache sogar korrekt und wahrheitsgemäß geäüßert haben.

Gegenüber der dinglichen Welt beschleichen mich solche Betrachtungen jedoch relativ selten. In der emotionalen Welt - soweit es zwischenmenschliche Beziehungen angeht - finde ich dieses Thema jedoch höchst interessant und oftmals auch verwirrend. Meistens ist es sogar recht schwierig, andere Menschen darauf anzusprechen. Sie scheinen sofort persönliches Misstrauen zu wittern.

Was ist das, wenn jemand mir sagt, er liebe mich?
Sobald er es begründen könnte, möchte ich ihm nicht mehr trauen,
da er dann ja mit gewissem Eigennutz handelte, was meinem Anspruch an den Begriff der Liebe an sich widerspräche.

Ich möchte aber dem Begriff der Liebe nicht seinen Zauber nehmen, indem ich sie im Einzefall begründen möchte. Das gerade zauberhafte geht aber möglicherweise verloren, wenn ich dem Geliebten gerade eben deswegen (wahrheitsgemäß) keine Begründung geben möchte, weil er sich nicht mehr seiner Einzigartigkeit wegen geliebt fühlt.

Nun aber zurück: Könnten wir uns zufrieden geben, wenn wir das zauberhafte (oder auch das grauenhafte!) so mancher Wahrnehmung als unsere innere Wirklichkeit annehmen könnten?

Nehmen wir vielleicht der Realität ihren Zauber, der im Wesentlichen aus unseren Fragen und Zweifeln entsteht, wenn wir unsere Wahrnehmungen als unumstößliche, letzte Wahrheit erkennen könnten?

„Zweifle nicht an dem, der Angst hat, aber fürchte den, der keine Zweifel hat.“ sagte sinngemäß Erich Fried. Ich denke, er hatte Recht.

Eine wirkliche Hilfe ist mein Kommentar wahrscheinlich nicht, aber immerhin ein Beleg, dass Du nicht alleine bist mit Zweifeln an so manchem.

Eher ist es eine Frage der Wichtung in unserer Lebensauffassung, ob wir dem Erkenntnisstreben („Fakten“) mehr Bedeutung zumessen als dem Erlebnisstreben („Glück“), so lange das eine oder das andere niemandem schadet.

Ganz in Gedanken…

Moin
Du kannst es ja auch mal umgekehrt angehen und dich darüber freuen, dass es so viele Übereinstimmungen zwischen Dir und deinen Mitmenschen gibt. Du sprichst einen an und er versteht, was du sagst. Du sagst: Heute ist der Himmel sio schön blau - und er wird dir zustimmen.
Wenn er dann allerdings sagt: Wieso, der Himmel istb doch so eklig grün wie immer!, dann weißt du: der Typ da hat es zur Zeit noch schwerer als du.
Gruß,
Branden

Hi Jan,

in letzter Zeit ist mir immer wieder der Gedanke hochgekommen,
dass meine Realität „nur“ das Produkt meiner eigenen
Sinneserfahrungen(was ich sühle, rieche, schmecke, höre) ist,
aber wenig mit einer objektiven Realität zu tun hat.

Immerhin nimmst du eine objektive Realität an. Das macht auch nicht jeder.
Das, was du beschreibst, nennt man in diesem Zusammenhang Dualismus.
Es gibt die physikalische Welt auf der einen und es gibt unsere Bewusstseinsinhalte auf der anderen Seite.
Letztere firmieren auch unter Qualia (Stichwort zum Weiterlesen).
Die große Frage ist nun, was das eine mit dem anderen zu tun hat und wie die Verbindung zwischen der physikalischen und der mentalen, also der materiellen und der immateriellen Welt zustande kommt (Leib-Seele-Problem)
Das ist der philosophische Aspekt deiner Frage.

Kommen wir jetzt zum psychologischen:

Es mag womöglich seltsam klingen, aber dieser Gedanke bedrückt
mich. Seither habe ich das Gefühl, als wäre alles unecht und
mein Leben würde an mir wie ein Film vorbeilaufen. So wie als
wäre ich nur ein teilnhameloser Statist. Das bewirkt auch,
dass mir in letzter Zeit der Antrieb fehlt und mir die
Orientierung im Leben ein wenig fehlt.

Die Tatsache, dass dich dies bedrückt und du seltsame Gefühle dabei hast, ist wohl nicht ganz so üblich. Da überlasse ich das Feld den Therapeuten hier im Forum.
Ein Stichwort wäre eventuell Dissoziation.

Tychi