Rechenschwäche

Liebe/-r Experte/-in,
mein älterer Sohn, 11 Jahre alt, kommt in die 6. Kl. Gym,und hat Schwierigkeiten.
Damals in der ersten Klasse wurde er von seiner Lehrerin sehr in Mathe gelobt „rechnet ohne Hilfsmittel…“. Ich kam zufällig dahinter, wieso er das sooo toll konnte: Er rechnete alles mit Hilfe einer Uhr die an einer Wand hing. Geschickt!
Das hörte irgendwann aber auf, er hatte mit viel Arbeit immer eine 2 in Mathe.
Nun auf dem Gymnasium wurden Längen, Maße und Gewichte abgehandelt (waren in der GS kurz gelernt worden. Es war ein Fiasko. Marlon konnte das überhaupt nicht. Seine Lehrerin sprach mich darauf an und gab mir Übungsmaterial mit nach Hause. Marlon war aber kaum bereit hierfür etwas zu tun. Er machte immer „dicht“. Er kann wirklich keine einzige Umrechnung, KEINE! Die Lehrerin hatte mir nahegelegt das noch zu lernen, hier würden sich Grundlagen bilden, die immer wieder auftauchen und gebraucht werden. In den Ferien habe ich nun mal wieder einen kleinen Test mit ihm gemacht. Marlon war überzeugt alles zu können - von 25 Aufgaben nur zwei richtig. Niederschmetternd für ihn. Ich weiss nicht mehr wie ich ihm helfen soll und ob sich hier noch weiteres versteckt. Haben Sie evtl einen Rat? Viele Grüße sendet

Petra

Hallo Petra,

mit „Übungsmaterial“ ist die ganze Sache sicherlich nicht in den Griff zu bekommen. Wenn Ihrem Sohn immer neue Aufgaben vorgelegt werden, wie soll er damit das dahinter liegende Prinzip verstehen? Er kann stets nur das machen, was er weiß und kennt. Und wenn er nichts über die Umrechnung weiß, kann er sie eben auch mit tausend Aufgaben nicht bewältigen. Dass er „dicht“ macht, ist dabei sehr gut nachvollziehbar.

Vor einer spezifischen Hilfe - die nur entsprechend ausgebildete Dyskalkulietherapeuten leisten - sollte eine differenzierte Diagnostik durchgeführt werden. Denn das „Symptom“ (kann Einheiten nicht umrechnen) reicht nicht aus. Hier ist Ursachenforschung angesagt. Woran liegt das? Hat er das Prinzip der zugrundeliegenden Einheiten (Länge, Fläche, Volumen, Gewicht, Zeit etc…) sich evtl. gar nicht erschlossen? Wie sieht es mit dem Dezimalsystem aus, ist ihm das logische Prinzip der Stellenbündelung überhaupt klar? Kennt er das Prinzip der Vorsilben (z.B. „centi“ = teilen durch hundert)?

Nur dass es in der Grundschule „geklappt“ hat, ist kein Beleg dafür, dass er das Zehnersystem wirklich abstrakt erfasst hat. Gerade intelligente Kinder können sich mit ensprechenden Kompensationsstrategien durch die Grundschule mogeln. Die Einführung der schriftlichen Verfahren in der dritten Klasse kann dabei oft eine (vermeintliche) Hilfe sein, da man diese ohne großes Verständnis „abspulen“ kann - bis 20 zählen zu können, reicht hierfür völlig aus.

Es muss also das ganze Stoffprogramm der Grundschule (inkl. der elementaren Zahlbegriffsbildung) von einem dafür ausgebildeten Experten im Rahmen einer qualitativen Förderdiagnostik ermittelt werden. Erst danach steht fest, wie weit Ihr Sohn wirklich zurückliegt und eine angemessene Hilfe - die ihn nicht gleich wieder überfordert - kann eingeleitet werden.

Hier ist ein Verzeichnis entsprechend darauf spezialisierter Facheinrichtungen:

http://www.zahlbegriff.de/rechenschwaeche.html

Wenden Sie sich an die zuständige Facheinrichtung vor Ort und dann wissen Sie genau, ob wirklich eine Dyskalkulie vorliegt. Entsprechende Dyskalkulietherapeuten sind in allen diesen Einrichtungen tätig und können ggf. Hilfe anbieten.

mit freundlichem Gruß aus Braunschweig
Dr. Michael Wehrmann

Hallo Petra.
Danke für Ihre Frage. Ich werde nach meinem Wissen antworten und hoffe, ich kann Ihnen damit helfen.
Es gestaltet sich schwierig eine „Diagnostik“ zu geben, die Ihnen sagt woran es genau liegt. Ihre Hinweise mit dem Abzählen an der Uhr deuten darauf hin, dass er wahrscheinlich lange an dem zählenden Rechnen hängen blieb, das widerum die Einsicht in die ganzen Zusammenhänge etc der Mathematik eventuell beeinträchtigt hat. Dies könnte ein Grund für die Problematik beim Einheitenrechnen und Umwandeln sein. Worin liegen dort genau seine Schwierigkeiten?
Oft haben Kinder Unsicherheiten mit den Stellenwerten, d.h. sie kriegen nur mit Mühe raus, dass die Ziffer „5“ bei z.B. 3,500 kg „gleich viel“ sind wie 500 g. Dann steht auch gerne nur 3,5 kg da ohne diese „Nullen“, auch hier sind es 500g! Für viele Kinder ganz und gar nicht das Gleiche!
Man sollte bei Ihrem Sohn genau klären wo genau die Mißverständnisse liegen. Eine Diagnostik bei erfahrenen!! Therapeuten ist sehr nützlich.
Es gibt viele Gründe warum genau dort Schwächen bestehen…
Gibt es bei Ihnen erfahrene Therapeuten?
Denn (und das habe ich selbst erfahren), hilft stumpfes Üben leider nicht, im Gegenteil, es erhöht den Frust, Streß und es wird meist nur schlimmer…
Nimm die Situation an, sagen und zeigen Sie Ihrem Sohn, dass Sie zu ihm halten.
Für die Kinder ist es besonders quälend, da sie ständig ein Falsch hören für Dinge, für die sich angestrengt haben. Die Kinder versuchen, üben, machen sich wirklich Gedanken (nur leider nicht die passenden) und verlieren dann natürlich die Lust.
Wir bringen den Kindern wieder den Spaß an der Mathematik bei.
Da kann ein/e ausgebildete/r Therapeut/in gut helfen, die unpäßlichen Gedanken sehen, verstehen und angehen. Oft kommen die Kinder von ganz alleine drauf, wenn man die entsprechenden Fragen stellt.
So, aber eigentlich möchten Sie ja einen Rat, nicht wahr?!
Lassen Sie sich erklären WIE Ihr Sohn rechnet, WIE er auf sein Ergebniss kommt, vielleicht geben Ihnen seine Aussagen bereits Hinweise. Versuchen Sie Ihren Sohn zu verstehn, was „bedeuten“ für ihn die ganzen Rechenzeichen, was meint er da und dort rechnen zu müssen?
Generell rate ich dazu, einen Fachmann oder Fachfrau anzusteuern. Leider sind dies private Leistungen. Wenn Sie dies finanzieren können, tun Sie es. Wenn nicht, würde ich Ihnen gerne per E-Mail weiter zur Verfügung stehen, aber dann läuft es natürlich nicht so rund wie in einer Praxis oder Institution. Andere würden jetzt auch die Hände über den Kopf schlagen, aber: ich helfe nun mal gerne…
Also, wenn Sie Lust haben, schreiben Sie doch ein paar weitere Zeilen.
Schauen Sie doch auch auf die Seite
ztr-rechenschwaeche.de/forum
Das ist keine Werbung, ich habe damit nichts zu tun, aber da können Sie viele Themen lesen und sehen vielleicht was nützliches? (Der ein oder andere Kommentar dort und die ein oder andere Meinung kann auch dort mal anders sein)
Ich wünsche Ihnen viel Erfolg, GELASSENHEIT, Ruhe, Verständnis, GEDULD.
Sie schaffen das schon!
Lieben Gruß
A. Hasler

Hallo Dr.Wehrmann!

Vielen Dank für die schnelle Antwort. Wir sind am überlegen, ob wir ein Gespräch mit der Klassenlehrerin (auch Mathelehrerin) suchen. Sollte sich eine Rechenschwäche über das von Ihnen genannte Institut herausstellen, kann unser Sohn dann überhaupt auf dem Gymnasium bleiben? Leider machen wir uns auch darüber Sorgen.

Viele Grüße von Oldenburg nach Braunschweig sendet

Petra

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Sehr geehrte Petra,

aufgrund Ihrer umfangreichen Darstellung der Schwierigkeiten Ihres Sohnes im Fach Mathematik ist eine Dyskalkulie nicht auszuschließen. Mir ist bekannt, dass Niedersachsen einen Dyskalkulieerlass hat (m.M. - ende der 4. Klasse. ich möchte Ihnen die
Adresse des Landesverbandes Legasthenie & Dyskakulie Niedersachsen geben, mit der Bitte, Ihre Anfrage dort nochmals zu stellen. Dort sollten Sie auch für Niedersachsen wesentliche Informationen erhalten. Sie sollten zweckmäßigerweise Ihren Ort mitteilen, u.U. gibt es eine Ortsgruppe/Kreisverband in IHrem Bereich, dort beraten ehrenamtliche Mitglieder, kostenfrei, des Verbandes.

Friedhelm Espeler
Am Bruche 41
31515 Wulmsdorf
[email protected]
Tel.: 05031-971828

Geschäftsstelle
Helge Furche
Malvenweg 9
26125 Oldenburg
[email protected]
0441-6841813

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Hallo Petra,

die rechtliche Situation in Niedersachsen lässt in weiterführenden Schulen keinerlei Nachteilsausgleich zu. D.h. Ihr Sohn unterliegt auch mit diagnostizierter Dyskalkulie den gleichen Leistungsanforderungen wie alle anderen Kinder.

MfG Dr. M. Wehrmann

Hallo Andrea,

erst einmal vielen Dank für die wirklich ausführliche Beantwortung! Ich werde mit meinem Sohn tatsächlich mal zusammen rechnen, und ihn bitten, mir seinen Rechenweg zu aufzuzeigen. Ich werde versuchen die Geduld aufzubringen, ihn nicht zu unterbrechen. Anhand einer Liste über Rechenschwächesymptome habe ich heute viele verschiedene mathematische Fragen gestellt. Jede meiner Fragen konnte er sofort und richtig beantworten. Zehnerübergang, Nullenanzahl ab dem Tausender Bereich u.a. waren der Inhalt. Ich bin schon sehr auf das Proberechnen gespannt, wenn wir das ausgeführt haben werde ich mich gern wieder melden.

Viele Grüße aus Oldenburg sendet

Petra

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Hallo Frau Sosnowski,

vielen Dank für Ihre Antwort. Bevor ich mich entscheide, hier Kontakt aufzunehmen, könnte ich mir noch intensive Gespräche mit Marlons Lehrern vorstellen. Dann können mir die von Ihnen genannten Adressen hilfreich sein.

Viele Grüße sendet

Petra

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Hallo Dr. Wehrmann,

Sie haben uns mit Ihrer Antwort eine Menge Angst genommen! Danke! Ich werde wahrscheinlich noch Gespräche mit seinen Lehrern führen, mit einem anderen, besseren Gefühl. Auch Marlon wird diese Tatsache beruhigen.

Viele Grüße sendet

Petra

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Hallo. Da bin auch ich gespannt. Hört sich insgesamt doch recht positiv an, dass er viele bereits gestellte Fragen gut beantworten konnte. Vielleicht lag es an einem Verständnisproblem als das Einheitenrechnen eingeführt wurde. Es wurde wahrscheinlich in der Grundschule zu dürftig behandelt und oder Ihr Sohn war krank, müde oder oder. Vielleicht ist das Problem schneller erledigt als Sie denken. Bin auf jeden Fall gespannt und würde michh freuen wieder von Ihnen zu hören.
Liebe Grüße aus Hude. Vielleicht kennt man sich ja sogar :smile:
Andrea.

Liebe Petra,

ich melde mich jetzt erst auf Ihr Schreiben, da ich gestern erst aus den Ferien kam.

Ich arbeite seit nunmehr 12 Jahren als Rechenschwächetherapeuton und Diagnostikerin.

Wenn es Ihnen möglich ist, möchte ich Sie bitten, mich kommende Woche di, mi, oder do zwischen 11 und 13 Uhr unter 0214 4044601 anzurufen (www.zahlensinn.de). Ansonsten bitte Nummer angeben und ich rufe zurück.
Mit freundlichen Grüßen Ute Mehler