Recht der ersten Nacht

Hallo zusammen,
wer kann mir helfen? Immer wieder ist zu hören, dass im Mittelalter der Lehnsherr/Großgrundbesitzer das „Recht der ersten Nacht“ bei seinen Leibeigenen hatte (und wohl auch ausübte).
Nun habe ich irgendwo gelesen (aber leider vergessen, wo das war,), dass dieses Entjungferungsrecht eigentlich bloße Erfindung ist.
Was stimmt denn nun?
Danke schon vorab

Jens

Hi Jens
Also ich bin ja kein Experte des Mittelalters gucke aber gerne Kinofilme und in Braveheart ( eh ein guter Film!!) kommt genau dieses Thema vor. Scheints war es wirklich so im dunklen Mittelalter…
Tschuess chris

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Soweit ich weiß (keine Garantie, nur dunkle Erinnerung an Studienzeiten) gab es dieses Recht tatsächlich in einigen Spiegeln, wenn auch nicht in allen.

Genaueres weiß ich aber leider nicht.

Gruß, Nike

Spiegel ???
Aehh…Nike was ist denn ein Spiegel ??
*ganzbloedguck*
Chris

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Aehh…Nike was ist denn ein Spiegel ??
*ganzbloedguck*

Kein Problem. :smile: Spiegel wurden im Mittelalter die Rechtsbücher der Stämme genannt, die die Aufzeichnungen mittelalterlichen Gewohnheitsrechts enthielten. Deswegen Spiegel: Sie spiegelten die Gewohnheiten, aus denen sich das Recht ableitete. Sie enthielten anderes Recht als die kirchlichen Gesetzestexte, und meistens exisitierten beide Rechtsformen, also weltliches und kirchliches (kanonisches) neveneinander her.

Die Spiegel waren meistens aufgeteilt in Land- und Lehenrecht.

Es gibt also für alle Stämme so einen Spiegel: Den Schwabenspiegel, den Sachsenspiegel und so weiter. Letzterer ist ziemlich bekannt. Eike von Repgow hat ihn um 1230 aufgeschrieben, und er ist das älteste große Prosawerk der deutschen Sprache.

So weit, so gut. Ich hoffe, das hilft Dir weiter. :smile:

Lieben Gruß, Nike

Nun habe ich irgendwo gelesen (aber
leider vergessen, wo das war,), dass
dieses Entjungferungsrecht eigentlich
bloße Erfindung ist.

Die Beweislast liegt bei den Verfechtern der These, dass es das ‚ius primae noctae‘ gab. Man zeige mir einen Hinweis darauf und ich lasse mich überzeugen. Aber m.W. gibt es diesen Hinweise nicht.

Offenbar wurde dieses „Recht“, wie einige andere Dinge (Keuschheitsgürtel!) im 19. Jahrhundert erfunden, um die Rückständigkeit des dunklen Mittelalters gegenüber dem bürgerlichen Zeitalter zu dokumentieren.

Auch die meisten Folterwerkzeuge, die uns heute gezeigt werden, sind erst im 19. Jahrhundert geschmiedet worden. (Immerhin gibt es in diesem Fall auch echte Exemplare.)

Andreas

Hallo zusammen,
wer kann mir helfen? Immer wieder ist zu
hören, dass im Mittelalter der
Lehnsherr/Großgrundbesitzer das „Recht
der ersten Nacht“ bei seinen Leibeigenen
hatte (und wohl auch ausübte).
Nun habe ich irgendwo gelesen (aber
leider vergessen, wo das war,), dass
dieses Entjungferungsrecht eigentlich
bloße Erfindung ist.

Ist historisch nicht belegt. Es gibt nur eine obskure Stelle, wo das genannt wird. Was Pflicht war: Abgaben in Naturalienform anläßlich der Hochzeit, z.B. Pfannen oder Vieh.

Soweit ich weiß (keine Garantie, nur
dunkle Erinnerung an Studienzeiten) gab
es dieses Recht tatsächlich in einigen
Spiegeln, wenn auch nicht in allen.

Also im Sachsenspiegel hab ich davon nichts gefunden. Meine Ausgabe verweist auch immer noch auf den Schwabenspiegel. Da scheint also auch nichts drin zu sein. Dass es in meiner Ausgabe irgendwie übergangen ist und das Recht der ersten Nacht doch drin steht, möchte ich ausschließen, denn da stehen sogar solche banalen Fälle drin, etwa wie ein Nachbarschaftsstreit gelöst werden soll, wenn eine Pflanze durch einen Zaun wächst. (Nein, Maschendrahtzaun gab es damals noch nicht und es war auch kein Knallerbsenstrauch, sondern eine Hopfenranke.)

Viele Grüße
Stefan

Nein, im Sachsenspiegel steht es wirklich nicht, denn dann würde ich mich genau erinnern - darüber habe ich eine Magisterklausur geschrieben. :smile:
Ich meinte nur, mich dunkel zu erinnern, aber vielleicht haben Frank und Andreas recht und ich täusche mich…
hm, viel weiter sind wir also nicht…

Lieben Gruß, Nike

Offenbar wurde dieses „Recht“, wie einige
andere Dinge (Keuschheitsgürtel!) im 19.
Jahrhundert erfunden, um die
Rückständigkeit des dunklen Mittelalters
gegenüber dem bürgerlichen Zeitalter zu
dokumentieren.

Wie? Dann sind die Keuchheitsgürtel auch eine nachträgliche Erfindung? Hat es die auch nicht gegeben?

Gerd (der sich wundert, weil er die immer für echt hielt)

Wie? Dann sind die Keuchheitsgürtel auch
eine nachträgliche Erfindung? Hat es die
auch nicht gegeben?

Jedenfalls sind mir keine Belege bekannt. Ich lasse mich aber gerne vom Gegenteil überzeugen.

Man muss all diese Dinge aus der Sicht der Erfinder des „Mittelalters“ sehen.
Als erstmals in der Renaissance und später im bürgerlichen Zeitalter nochmals der Gedanke aufkam, man gehöre einer neuen Epoche an, wurde die vorangegangene schlechter gemacht. Schon der Name Mittelalter ist diskriminierend gemeint. Die Zeit zwischen der glorreichen Antike und der zukunftsweisenden Neuzeit.

Erst die letzten Jahrzehnte haben das „dunkle Mittelalter“ aufgehellt. Aber noch immer herrscht in den meisten Köpfen diese Vorstellung vor.

Andreas