Hallo!
„Ich möchte mich selbstverwirklichen!“ oder „Ich möchte mich
selbst verwirklichen!“ - Was ist korrekt?
Beides - wie Du ganz richtig erkannt hast, gibt es einen Unterschied in der Betonung und in der Bedeutung:
- Ich möchte dieses Projekt selbst verwirklichen und nicht Paul überlassen.
1a *Ich möchte dieses Projekt selbstverwirklichen und nicht Paul überlassen.
- Ich möchte mich mit diesem Projekt selbst verwirklichen.
2a. Ich möchte mich mit diesem Projekt selbstverwirklichen.
Im Beispielsatz 2 sind beide Varianten denkbar, nicht aber im Beispielsatz 1. Der Satz 1a ergibt keinen Sinn und ist eindeutig ungrammatisch. Der Unterschied ist: Während im ersten Beispielsatz „selbst“ inhaltlich ein Bestandteil des Satzes ist, nimmt es im zweiten Beispiel eher den Charakter eines Wortbestandteiles an - und Wörter werden in der Regel zusammengeschrieben. Deswegen vermutlich die Tendenz des Autors, auch hier zur Zusammenschreibung zu greifen.
Die neue Schreibweise bringt also die Fokusierung auf eine bestimmte Bedeutung mit sich - oder vielmehr umgekehrt: Die zweite Bedeutung führt allmählich zu einer Änderung der Schreibweise. Das ist ähnlich wie im folgenden Beispielen, wo der Wandel vom konkreten zum abstrakten durch die geänderte Schreibweise angezeigt wird.
Ich werde den Sekt kalt stellen.
Ich werde meinen Chef kaltstellen.
Der Pferdefuß dabe ist: Dieser Wandel dürfte im Falle von „selbstverwirklichen“ sich aber vielen Sprechern noch nicht vollzogen haben, das dürfte ein Wortbildungsprozeß sein, in dem wir noch mittendrin stecken.
Google findet 700 Einträge zu „Ich will mich selbstverwirklichen“, aber über 14 000 zu „Ich will mich selbst verwirklichen.“
Grammtikalisch kann man „selbstverwirklichen“ als so genannte Rückbildung sehen.
http://de.wikipedia.org/wiki/R%C3%BCckbildung_(Lingu…
Notlandung --> notlanden
Selbstverwirklichung --> selbstverwirklichen
So, die Entscheidung kann ich dir jetzt nicht abnehmen. Dein Autor hat sich dabei etwas gedacht, auch wenn es ihm nicht bewusst war, und es gibt durchaus Regeln in der Sprache, die seine Ansicht stützen. Als Autor ist er ein Multiplikator, also jemand, der den Sprachwandel mit beeinflusst. Der Duden macht nichts anderes, als das aufzuzeichen, was Autoren schreiben. Wenn also Autoren nur das schreiben, was im Duden steht, und der Duden nur das schreibt, was bei den Autoren steht, dann dreht sich die Sprache im Kreis.
lg,
Max