Guten Abend!
Klar, die eigene Generation hatte es schwerer, musste mehr
lernen und die Jugend von heute verblödet.
Ja natürlich. Immerhin behaupten dies seit Urzeiten alle Generationen über die Nachrückenden
Ich glaube kaum ein Erwachsener kann sich noch vorstellen,
welche Herausforderung die heutige Welt an Kinder und
Jugendliche stellt.
Die Herausforderungen sind globaler und vielschichtiger
geworden, nicht die Kinder dümmer.
Herausforderungen sind nicht höher geworden. Sie haben sich nur verändert, wie unsere Lebensbedingungen und unser Umfeld ständiger Veränderung unterliegen. Wir selbst waren und sind Teil der Veränderung, haben sie mitgemacht, mitgeprägt. Seltsamerweise fällt mir im Moment nichts ein, was womöglich schwieriger geworden ist. Vieles ist leichter geworden, andere Dinge nur anders. Manche Information und kleine Hilfe, für die man noch vor 20 Jahren tagelange Mühe investieren mußte, gibts heute via Internet und Suchmaschine. Meyers oder Brockhaus stand nur bei einer Minderheit im Bücherregal, dann zumeist nur irgendwas Einbändiges. Heute hat jeder Zugriff auf Wikipedia und ungezählte Foren.
Doch, es fällt mir etwas ein, was vermutlich schwieriger geworden ist: Die Bewältigung der Informationsfülle, das Filtern von Brauchbarem aus einer Unmenge Müll. Damit verbunden sind höhere Anforderungen an die Kritikfähigkeit.
Die Anforderungen in der Arbeitswelt haben sich verschoben, weg von der körperlich schweren Belastung. Mit schierem Körpereinsatz läßt sich nur noch an wenigen Stellen der Lebensunterhalt sichern.
Mancher Schüler (auch Student) scheitert am eigenen Schmierkram und an :der Unfähigkeit, ein DIN-A4-Blatt übersichtlich zu :gestalten/aufzuteilen.
Provokant gefragt: Wo ist das Problem?
Will ich gerne aus eigener Erfahrung erläutern: Vor einigen Jahren gab ich einem damals knapp 16-Jährigen Nachhilfeunterricht. Seine Chance, die Mittlere Reife zu schaffen, sah gar nicht gut aus. Er hatte vor allen Dingen keine Lust mehr auf Schule. Deutsch, Englisch, Mathe, Physik, alles mangelhaft. Um mich über den Lehrstoff zu informieren, ließ ich mir zuerst seine Schulunterlagen, Scripte und Ordner zeigen. Tja, mit dem zerfledderten Haufen weitgehend unleserlicher Sachen, die sich zum beträchtlichen Teil nicht einmal zeitlich irgendwie einordnen ließen, hätte ich an seiner Stelle auch keine Lust mehr gehabt. Man konnte eine 4 nicht von einer 7, eine 0 nicht von 6 oder 9 unterscheiden, alles die gleichen hingehauenen Haken. Beim Schriftbild ebenso, wirklich nicht zu entziffern. Die Scripte der Lehrer sahen übrigens nicht viel besser aus.
Nachdem ich das alles mit dickem Hals verdaut hatte, ließ ich den jungen Mann leserliches Schreiben üben. Erste Tat auf jedem Blatt war oben rechts das Datum. Beim Lehrstoff scherte ich mich nicht um den aktuellen schulischen Stand, weil es eine einzige Kette aus Lücken war. Alles ganz von vorne, aber mit Forderung und Schmackes, kombiniert mit permanenter Übung im leserlichen Schreiben. Ich kürze ab: Das Ganze dauerte ein halbes Jahr. Der Junge machte keine wirklich gute, aber eine akzeptable Mittlere Reife, fand anschließend eine Lehrstelle, holte die Fachhochschulreife nach und studiert inzwischen. Der Schlüssel lag neben der konzentrierten Aufarbeitung des Schulstoffs (der Junge war in der Schule unterfordert gelangweilt und hatte so den Anschluß verloren) in leserlichen Unterlagen, die man in die Hand nehmen, mit denen man sich beschäftigen mag. Ein Versäumnis muß ich mir dennoch anlasten: Den Schmierfinken, die sich Lehrer nannten, denen Leserlichkeit egal war, die es allesamt nicht fertigbrachten, Schüler z. B. zum Notieren des Datums auf Unterlagen anzuhalten, hätte ich den Hosenboden versohlen sollen.
Wenn ich schneller auf
dem Tablet tippen kann, brauche ich auch nicht die Fähigkeit,
mir leserliche Notizen zu machen.
Viel Spaß bei einer Darstellung aus Text, Skizzen, Kurven und math. Termen. Viel Spaß im beruflichen Alltag.
Man kann auch die These aufstellen, dass die Handschrift
komplett aussterben wird. Wo wäre sie - wenn man in die
Zukunft denkt - unverzichtbar?
Bei Penny an der Kasse, als Taxifahrer (aber nur, wenn es einen Quittungsdrucker im Fahrzeug gibt), ein paar weitere Jobs gibts bestimmt noch. Wenn das denn höchstes Lehrziel an Schulen sein soll - nur zu.
Kalender, Notizen und so weiter
werden jetzt schon immer häufiger auf dem Handy geführt.
Klar geht das. Wir müssen die Kommunikation nur an gängigen SMS-Umfang und deren Niveau anpassen. Endlich verstehe ich, wie es zu mancher Frage aus wenigen Worten mit gefeiltem Stil und vollendeter Rechtschreibung vorzugsweise von Neumitgliedern bei www kommt
Gruß
Wolfgang