Reformation - Abwenden der Kirchenspaltung

Hallo Wissende,

nehemn wir an, die katholische Kirche wäre seinerzeit bereit gewesen sich zu reformieren um die Kirchenspaltung abzuwenden. Wie hätten die damaligen Kirchenoberen beider Seiten vorgehen müssen? Hätte dazu ein Konzil einberufen werden müssen, wo die gewünschten Reformen dem Papst und dem Kaiser als Schutzherr der Christenheit zum Abnicken vorgetragen werden? Wer wäre von reformatorischer Seite befugt gewesen, verbindlich für die protestantische Sache zu sprechen? In Fahrt gekommen haben sich die reformatorischen Bestrebungen aufgesplittert; Luther als Sprecher und Verhandlungsführer der Reformatoren hätte sich wohl kaum durchsetzen können.

Danke für Eure Antworten!

Wolfgang D.

Hallo Wolfgang

nehmen wir an, die katholische Kirche wäre seinerzeit bereit
gewesen sich zu reformieren um die Kirchenspaltung abzuwenden.

Du siehst dies aus unserer heutigen Sicht, mit den Möglichkeiten des
schnellen „Datenabtausches“ und der Möglichkeit Erkenntnisse zu
vermitteln.
Ein Handlungsbedarf sich zu „reformieren“ (mit welchem Inhalt?) war
nicht gegeben, außer bei der Ausuferung von Machtstrukturen und
einzelnen „rituellen“ Handlungen (Ablaßhandel), nicht in der Lehre.
Solche Kritik war auch innerhalb der Kirche (Luther war innerhalb
der Kirche) immer mehr oder weniger präsent und zu z.Z.Luthers
besonders angebracht.
Kirchenspaltung war garnicht vorhersehbar oder beabsichtigt, so
daß man auch wenn man „könnte“, nichts zu unternehmen hatte.
Die „Kirchenspaltung“ wurde auch begünstigt durch Machtansprüche
von weltlichen Herrschern und deren Neid auf kirchliche Besitzungen.

Wie hätten die damaligen Kirchenoberen beider Seiten vorgehen
müssen?

Es gab nur „Kirchenobere“ auf katholischer Seite. Bis heute ist
das so.

Hätte dazu ein Konzil einberufen werden müssen,…

Ein Konzil wird i.R. nur in elementaren Glaubensfragen tätig,
welche die ganze Kirche betreffen.
Dies wäre z.Bsp. die später aus der Reformation hervorgegangene
Rechtfertigungslehre und die mehr kirchenrechtliche Frage des
Primates des Bischofs von Rom - wenn dies weitverbreitet strittig
geworden wäre auch innerhalb der kath.Theologie.

Luther als Sprecher und Verhandlungsführer der Reformatoren hätte
sich wohl kaum durchsetzen können.

Du siehst da was falsch.Glaubensinhalte sind nicht verhandelbar,
schon garnicht mit irgendwelchen Absplitterern (Sektierern)
Und wie damals „abgesplittert“ wurde unter Einsatz der jeweils
vorhandenen Machtverhältnisse ist ja bekannt.
s.hierzu auch
http://de.wikipedia.org/wiki/Reformation
Gruß VIKTOR

Was gewesen wäre, wenn, ist nichts anderes als Spekulation.

Aber man kann durchaus spekulieren: Hätte sich die kath. Kirche auf Luthers Diskussion eingelassen; hätte man den Ablaß, der ja der Ausgangspunkt des Streites war (und von dem Luther zunächst noch annahm, daß er ein deutscher Auswuchs sei, von dem der Papst gar nichts wisse) früher eingedämmt; Dann hätte sich möglicher Weise diese Reformation zu einer echten Reformation und nicht zu einer Spaltung der Kirche hin bewegen lassen. Denn das, was Luther zunächst angegriffen hatte (Sündenvergebung gegen Bezahlung), war keine zentrale Glaubenslehre (wie man an der heutigen Ablaßpraxis sieht).

Zumindest in Deutschland war Luther zunächst die treibende Kraft. In Rom hatte man geglaubt, das „versoffene deutsche Mönchlein“ schon irgendwie ruhigstellen zu können. Doch das war eine Fehleinschätzung. Hätte sich die kath. Kirche auf die Diskussion eingelassen, hätten sich die Dinge vielleicht anders entwickelt, bevor Luther vom überzeugten Katholiken zum noch überzeugeteren Kirchenhasser wurde. Irgendwann war dann aber der Punkt gekommen, an dem die Kritik Luthers so grundlegend wurde, daß sie an zentralen Glaubensinhalten rüttelte.

Daß die Reformation so weit ging, daß sich schließlich die deutschen Kurfürsten anschlossen, hing sicher stark mit der Person Luthers zusammen. Es gab aber auch politische Interessen, die dahinterstanden. In wie weit die eine Eigendynamik entwickelt haben, kann ich nicht beurteilen.

Die schweizer Reformatin mit Zwingli und Calvin ist eine eigene Angelegenheit. Sie steht zwar mit der deutschen in Verbindung, aber wie und in welchem Umfang sie verlaufen wäre, wenn Luther sich nach kurzem Aufbegehren wieder der kath. Kirche angeschlossen hätte, ist völlig offen.

„Kirchenobere“ (die die protestantischen Kirchen heute sehr wohl haben) gab es damals, wie Viktor festgestellt hat, noch nicht. Alles, was heute an Strukturen in den evangelischen Kirchen zu sehen ist, hat sich erst in den Jahrhunderten danach entwickelt.

Langer Rede kurzer Sinn: Mit ein wenig Phantasie kann man sich mit Fug und Recht einen anderen Ausgang der Reformation vorstllen - wie man an vielen anderen Scheidepunkten der Weltgeschichte auch spekulieren kann, was geworden wäre, wenn… Aber es sind eben alles nur Spekulationen, die mehr oder minder wahrscheinlich sein mögen. Sicher sind sich allesamt nicht, das ist sicher.

Martinus

Hallo Martinus

Aber man kann durchaus spekulieren: Hätte sich die kath.
Kirche auf Luthers Diskussion eingelassen; hätte man den
Ablaß, der ja der Ausgangspunkt des Streites war (und von dem
Luther zunächst noch annahm, daß er ein deutscher Auswuchs
sei, von dem der Papst gar nichts wisse) früher eingedämmt;
Dann hätte sich möglicher Weise diese Reformation zu einer
echten Reformation und nicht zu einer Spaltung der Kirche hin
bewegen lassen.
In Rom hatte man geglaubt, das „versoffene deutsche
Mönchlein“ schon irgendwie ruhig stellen zu können.

auf die Diskussion mit einem „versoffenen Möchlein“ einlassen ?
Dies kam natürlich nicht in frage - Kritik gab es ja noch von
andere Seite.
Entscheidend war ja, daß die Kritik ja auch jene betraf, deren
Leben wirklich mit der Botschaft Jesu nicht mehr konform ging und
welche Macht hatten und daran hingen und sich korrupt verhielten.
Hier hat Luther offene Türen bei den Gläubigen aufgestoßen und
Resonanz gefunden.Theologische Feinheiten waren den meisten fremd.
Wie dies heute oft dargestellt wird, daß da eine „Reform“ gedacht
war welche auch Glaubensinhalt erfaßte ist wohl so nicht gegeben.

bevor Luther vom überzeugten Katholiken zum noch überzeugteren
Kirchenhasser wurde.

Ob er dies wirklich war oder er nur die Umstände hasste welche ihm
berechtigtes Gehör verweigerten ist fraglich.

Irgendwann war dann aber der Punkt gekommen, an dem die Kritik
Luthers so grundlegend wurde, daß sie an zentralen Glaubensinhalten
rüttelte.

Er hat „das Kind mit dem Bad ausgeschüttet“ und sich selbst dann
überschätzt.

Die schweizer Reformatin mit Zwingli und Calvin ist eine
eigene Angelegenheit.

Nun, der „Boden“ auf dem sie sich gestaltete war ähnlich. Die
theologische Basis wurde sehr wohl von Luther beeinflußt.

„Kirchenobere“ (die die protestantischen Kirchen heute sehr
wohl haben) gab es damals, wie Viktor festgestellt hat, noch
nicht.

Unter Kirchenobere sind - auch entsprechend der Frage - geistige
Führer zu verstehen, welche in grundsätzlichen Glaubensfragen
befinden und entscheiden können.
Diese gibt es nach evangelischem Verständnis bis heute nicht.

Langer Rede kurzer Sinn: Mit ein wenig Phantasie kann man sich
mit Fug und Recht einen anderen Ausgang der Reformation
vorstellen

Das ist wohl so.Aber mit Sicherheit nicht den, daß die kath. Kirche
relevante Glaubensinhalte (Rechtfertigung,Sakramente,Papstprimat)
„revidiert“ hätte.
Gruß VIKTOR

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Hallo Martinus!

Daß die Reformation so weit ging, daß sich schließlich die
deutschen Kurfürsten anschlossen, hing sicher stark mit der
Person Luthers zusammen. Es gab aber auch politische
Interessen, die dahinterstanden.

Ich glaube, dass die politischen Interessen noch weit stärker gesehen werden müssen. Dass dich viele Fürsten so schnell der Reformation anschlossen, lag sicher nicht nur an der Überzeugungskraft des lutherischen Welt- und Gottesbild.

Das deutsche Reich war seit Jahrhunderten nur ein sehr loser Staatenbund und die neue religiöse Richtung war wohl eine sehr willkommene Möglichkeit, sich vom deutschen Kaiser und römischen Papst zu befreien und die eigenen Machbefugnisse zu erweitern!

Sehr deutlich wird das dann 100 Jahre später im dreißigjährigen Krieg, in dem sich protestantische Fürsten immer wieder mit katholischen Mächten (z. B. Frankreich) verbanden, um die eigene Macht zu erhalten oder zu vergrößern!

Gruß!
Karl

Die schweizer Reformatin mit Zwingli und Calvin ist eine
eigene Angelegenheit. Sie steht zwar mit der deutschen in
Verbindung, aber wie und in welchem Umfang sie verlaufen wäre,
wenn Luther sich nach kurzem Aufbegehren wieder der kath.
Kirche angeschlossen hätte, ist völlig offen.

„Kirchenobere“ (die die protestantischen Kirchen heute sehr
wohl haben) gab es damals, wie Viktor festgestellt hat, noch
nicht. Alles, was heute an Strukturen in den evangelischen
Kirchen zu sehen ist, hat sich erst in den Jahrhunderten
danach entwickelt.

Langer Rede kurzer Sinn: Mit ein wenig Phantasie kann man sich
mit Fug und Recht einen anderen Ausgang der Reformation
vorstllen - wie man an vielen anderen Scheidepunkten der
Weltgeschichte auch spekulieren kann, was geworden wäre,
wenn… Aber es sind eben alles nur Spekulationen, die mehr
oder minder wahrscheinlich sein mögen. Sicher sind sich
allesamt nicht, das ist sicher.

Martinus

Hallo Wolfgang,

ein solches Konzil hat es gegeben, allerdings erst 30 Jahre nach dem Beginn der Reformation und nachdem die Kirchenspaltung schon vollzohen und nicht mehr reversibel war: Trient 1545-63
Da ging es auch nicht um eine Verständigung mit den Evangelischen, sondern nur darum, die katholische Lehre und Kirche zu stabilisieren und fit zu machen für die Rückeroberung evangelisch gewordener Gebiete.

Die gesamte Reformationsgeschichte ist ein unentwirrbares Gemenge aus theologischen, politischen Überzeugungen und Absichten, auch persönlichen Aversionen und Affinitäten.

Die katholische Kirche in ihrem damaligen (und heutigen?) Zustand wäre zu einer Übereinkunft mit der protestantischen Seite weder willens noch fähig gewesen; auch da ging es um Macht, Einfluss, die Aufgabe lang gehegter Überzeugungen, das Bewusstsein, auf der richtigen Seite zu stehen. Da schmerzt jede Veränderung.

Und so schnell, wie Luther sich verändert und radikalisiert hat, hätte Rom gar nicht reagieren können. 1523 - sechs Jahre nach Wittenberg! - waren die grundlegenden reformatorischen Schriften fertig und gedruckt und in der Welt. 1525 schließlich ist die Reformation auch organisatorisch vollzogen: In Sachsen hat Luther die Kirchen- und die Schulordnung entworfen, und im Dezember des Jahres erscheint „De servo arbitrio“, die letzte der großen reformatorischen Schriften, hinter die es kein Zurück mehr gibt.

Der Zustand der katholischen Kirche war vergleichbar - strukturell, nur strukturell! - mit dem Zustand der DDR-Führung in den 70er und 80er Jahren.

Gruß - Rolf

Unter Kirchenobere sind - auch entsprechend der Frage -
geistige
Führer zu verstehen, welche in grundsätzlichen Glaubensfragen
befinden und entscheiden können.

Das ist dann wohl wieder eine „viktorische“ Wortdefinition. Die Protestanten sprechen sehr wohl von „Kirchenoberen“ und meinen damit diejenigen, die ihre Kirche leiten und ihr vorstehen. Auch wenn sie keine grundsätzliche Lehrinstanz für Glaubensfragen vergleichbar dem katholischen Papst sind, können sie z.B. Grenzen zwischen „das gehört noch dazu“ und „das ist nicht mehr Lehre unserer Kirche“ ziehen. Das kommt zwar nicht häufig vor, ist aber möglich. Außerdem verhandeln sie offiziell in der Ökumene mit den Vertreterinnen und Vertretern anderer Kirchen - über Glaubensinhalte.

Martinus

Moin,

Luther war ja nun wahrlich nicht der erste, der solcherart Ideen vorbrachte, das Spätmittelalter wimmelt nur von Häretikern und Abweichlern.
Die Kirche aggierte von einer mehr oder weniger absoluten Position heraus und warum sollte sie da irgendwelche Kompromise eingehen, schließlich war sie es, die als einzige die einzig wahre absolute Lehre vertrat?
Irgendwelche Zugeständnisse wäre nur eines gewesen; das eingestehen von Schwäche, die es nicht geben durfte.

Alle absolutistischen Systeme (auch nichtreligiöse, siehe Nordkorea oder Syrien) aggieren so.

Gandalf

Unter Kirchenobere sind - auch entsprechend der Frage -
geistige
Führer zu verstehen, welche in grundsätzlichen Glaubensfragen
befinden und entscheiden können.

Das ist dann wohl wieder eine „viktorische“ Wortdefinition.

Ja, und die ist richtig - im Sinne der Fragestellung.
Es gibt keine Führung in den evangelischen Kirchen, welche den
Gläubigen vorgibt, was sie zu glauben haben, schon garnicht, was
sie (wer ist da kompetent)mit anderen „Aushandeln“.

Die Protestanten sprechen sehr wohl von „Kirchenoberen“ und
meinen damit diejenigen, die ihre Kirche leiten und ihr
vorstehen.

Ja, Verwaltungsleute.

Auch wenn sie keine grundsätzliche Lehrinstanz für
Glaubensfragen vergleichbar dem katholischen Papst sind,

Genau, sie sind überhaupt keine „Instanz“ in Glaubensfragen
wie der Papst oder ein Konzil.

können sie z.B. Grenzen zwischen „das gehört noch dazu“ und
„das ist nicht mehr Lehre unserer Kirche“ ziehen. Das kommt
zwar nicht häufig vor,

Eigentlich kommt das garnicht vor in dem Sinne, daß sich da
irgendwer (wer dann?) daran halten muß - reine Unverbindlichkeiten.

Außerdem verhandeln sie offiziell in der Ökumene mit den
Vertreterinnen und Vertretern anderer Kirchen - über
Glaubensinhalte.

Ich erwähnte schon, daß Glaubensinhalte nicht verhandelbar sind.
Dies ist ein Widerspruch an sich - auch wenn es versucht und
propagiert wurde wie diese Fehlleistung:
http://www.theology.de/religionen/oekumene/evangelis…
welche garnichts klärt sondern wie alle aufgeblähten Darlegungen,
nur verschleiert, was keiner an seiner Position aufgeben will und
auch garnicht kann !!
Gruß VIKTOR

Ja, und die ist richtig

Per Defintionem - wie alles, was Sie schreiben. Alles wird gut!

Außerdem verhandeln sie offiziell in der Ökumene mit den
Vertreterinnen und Vertretern anderer Kirchen - über
Glaubensinhalte.

Ich erwähnte schon, daß Glaubensinhalte nicht verhandelbar
sind.

Genau lesen: Ich schrieb, man verhandele über Glaubensinhalte - wie z.B. bei den Limadokumenten, der Gemeinsamen Erklärung zur Rechtfertigungslehre oder der gegenseitigen Taufanerkennung. Dabei wird nicht Glauben verhandelt, sondern gemeinsam geschaut (und diskutiert), was verbindend, was trennend ist - und wie sehr verbindend oder trennend es ist.

Martinus

Hallo Martinus,

Außerdem verhandeln sie offiziell in der Ökumene mit den
Vertreterinnen und Vertretern anderer Kirchen - über
Glaubensinhalte.

Ich erwähnte schon, daß Glaubensinhalte nicht verhandelbar
sind.

Genau lesen: Ich schrieb, man verhandele über Glaubensinhalte

das wird sprachlich nicht besser.
Man spricht miteinander, sucht Gemeinsamkeiten in Lehre und
oder „Liturgie“ und Verständnis !! (hoffentlich) füreinander.
Der Begriff „verhandeln“ ist Dir doch klar,oder ? Dies ist es nicht.

gemeinsam geschaut (und diskutiert), was verbindend, was
trennend ist - und wie sehr verbindend oder trennend es ist.

Genau dies, nicht verhandelt.

Gruß VIKTOR

Danke für Eure Meinungen!
Guten Tag,

Wenn ich Eure Meinungen lese komme ich zu dem Schluß, dass die Reformation und die daraus resultierende Kirchenspaltung wohl schicksalhaft waren. Selbst mit dem Wissen der heutigen Zeit hätte man den damaligen Protagonisten keinen für die damalige Zeit und Denkweise gangbaren Lösungsweg aufzeigen können. Dazu waren wohl die Forderungen Luthers & Co so neu und unerhört, dass sie vom Papst, wenn überhaupt, wohl nur mit ungläubigem Staunen registriert wurden - und mit Problemen, die sich nicht aussitzen und vertuschen liessen hat sich die Kath. Kirche wohl immer schwer getan.

Ist mein Eindruck richtig: Bis auf die Abschaffung des Ablasshandels sind wir heute einer Lösung der damals schon strittigen Fragen nicht weitergekommen. Wahrscheinlich wurden seither noch weitere höhere Hürden aufgetürmt, ich denke da an die - selbst für Katholen schwer verdaulichen Rohrkrepierer - Unfehlbarkeit des Papstes.

Danke für Eure Beiträge.

Wolfgang D.

Hallo Wolfgang,

Dazu
waren wohl die Forderungen Luthers & Co so neu und unerhört,
dass sie vom Papst, wenn überhaupt, wohl nur mit ungläubigem
Staunen registriert wurden

damit liegst so was von daneben … Es gab die Pataria, die Katharer, die Waldenser, die Lollarden, die Hussiten usw. Man war solche Spinner gewohnt. Rom hatte daraus die historische Lehre gezogen, dass der richtige Umgang mit solchen Reformbestrebungen der war, sie blutig zu unterdrücken, wenn sie lästig wurden. Von wegen

aussitzen und vertuschen

  • da ging man vielmehr fröhlich mit Feuer und Schwert zur Sache. Das hatte bislang ja auch immer prima geklappt. Okay - die Hussiten hatten schon reichlich Ärger gemacht, waren dann aber doch (wenn auch vor allem an internen Streitigkeiten) letztlich gescheitert. Das ‚Mönchlein‘ nahm man schlicht und einfach nicht ernst und die Unterstützung, die er erhielt (vor allem aus politischen Gründen) unterschätzte man. Arroganz und Ignoranz der Macht, durchaus kein ungewöhnliches Phänomen …

Bis auf die Abschaffung des Ablasshandels sind wir heute einer Lösung der damals schon strittigen Fragen nicht weitergekommen.

Nun ja, die Gewährung von Ablass gegen Almosen wurde 1567 (Apostolische Konstitution Etsi Dominici Papst Pius’ V) verboten. Der Handel mit Ablassbriefen 1570 (Konstitution Quam plenum). Die Kritik Luthers in den 95 Thesen ging allerdings wesentlich weiter. Sie betrifft mE auch die aktuelle Ablasspraxis in der katholischen Kirche.

_>> In die Praxis der Ablässe haben sich allerdings manchmal Missbräuche eingeschlichen. Infolge „wahllosen und überflüssigen Gewährens von Ablässen“ kam es zur Missachtung der kirchlichen Schlüsselgewalt und zur Schwächung von Buße und Sühne. Und wegen der „verderblichen Gewinnsucht“ fiel der Ablass schließlich der Lästerung anheim. Die Kirche aber beseitigt und korrigiert die Missbräuche und „lehrt und bestimmt, dass der Gebrauch von Ablässen, der für das christliche Volk überaus segensreich ist und durch Entscheidungen heiliger Kirchenversammlungen gutgeheißen wurde, in der Kirche beibehalten werden muss. Und sie verurteilt die mit Ausschluss, die sie für unnütz erklären oder die der Kirche das Recht absprechen, sie zu verleihen.“
(Apostolische Konstitution ‚Indulgentiarum Doctrina‘ Papst Paul VI. vom 01.02.1967 - die letzte und aktuell gültige Neuordnung des Ablasswesens)

Die in dieser Konstitution dargelegte Doktrin zeigt eine völlig andere Auffassung als die Luthers:

56 Der Schatz der Kirche, aus dem der Papst den Ablaß austeilt, ist bei dem Volke Christi weder genügend genannt noch bekannt.
62 Der wahre Schatz der Kirche ist das allerheiligste Evangelium von der Herrlichkeit und Gnade Gottes.

  • und offensichtlich würde Luther auch heute noch wegen seiner 95 Thesen exkommuniziert, insbesondere wegen der drei folgenden:

37 Jeder wahre Christ, sei er lebendig oder tot, hat Anteil an allen Gütern Christi und der Kirche, von Gott ihm auch ohne Ablaßbrief gegeben.
52 Auf Grund eines Ablaßbriefes das Heil zu erwarten ist eitel, auch wenn der (Ablaß-)Kommissar, ja der Papst selbst ihre Seelen dafür verpfändeten.
76 Wir behaupten dagegen, daß der päpstliche Ablaß auch nicht die geringste läßliche Sünde wegnehmen kann, was deren Schuld betrifft.

Wobei die Geschichte mit dem Ablass natürlich nicht Grund der Kirchenspaltung war, sondern lediglich Anlass. Und der Ablass ist auch heute nur ein Symptom für eine grundsätzlich verschiedene Ekklesiologie. Hier sowie im Verständnis der Sakramente und (damit zusammenhängend) dem Amtsverständnis des Priestertums liegen die eigentlichen theologischen Differenzen - und die halte ich (anders als bei Gnaden- und Rechtfertigungslehre) für unüberbrückbar.

Freundliche Grüße,
Ralf_

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