Hallo Wolfgang,
Dazu
waren wohl die Forderungen Luthers & Co so neu und unerhört,
dass sie vom Papst, wenn überhaupt, wohl nur mit ungläubigem
Staunen registriert wurden
damit liegst so was von daneben … Es gab die Pataria, die Katharer, die Waldenser, die Lollarden, die Hussiten usw. Man war solche Spinner gewohnt. Rom hatte daraus die historische Lehre gezogen, dass der richtige Umgang mit solchen Reformbestrebungen der war, sie blutig zu unterdrücken, wenn sie lästig wurden. Von wegen
aussitzen und vertuschen
- da ging man vielmehr fröhlich mit Feuer und Schwert zur Sache. Das hatte bislang ja auch immer prima geklappt. Okay - die Hussiten hatten schon reichlich Ärger gemacht, waren dann aber doch (wenn auch vor allem an internen Streitigkeiten) letztlich gescheitert. Das ‚Mönchlein‘ nahm man schlicht und einfach nicht ernst und die Unterstützung, die er erhielt (vor allem aus politischen Gründen) unterschätzte man. Arroganz und Ignoranz der Macht, durchaus kein ungewöhnliches Phänomen …
Bis auf die Abschaffung des Ablasshandels sind wir heute einer Lösung der damals schon strittigen Fragen nicht weitergekommen.
Nun ja, die Gewährung von Ablass gegen Almosen wurde 1567 (Apostolische Konstitution Etsi Dominici Papst Pius’ V) verboten. Der Handel mit Ablassbriefen 1570 (Konstitution Quam plenum). Die Kritik Luthers in den 95 Thesen ging allerdings wesentlich weiter. Sie betrifft mE auch die aktuelle Ablasspraxis in der katholischen Kirche.
_>> In die Praxis der Ablässe haben sich allerdings manchmal Missbräuche eingeschlichen. Infolge „wahllosen und überflüssigen Gewährens von Ablässen“ kam es zur Missachtung der kirchlichen Schlüsselgewalt und zur Schwächung von Buße und Sühne. Und wegen der „verderblichen Gewinnsucht“ fiel der Ablass schließlich der Lästerung anheim. Die Kirche aber beseitigt und korrigiert die Missbräuche und „lehrt und bestimmt, dass der Gebrauch von Ablässen, der für das christliche Volk überaus segensreich ist und durch Entscheidungen heiliger Kirchenversammlungen gutgeheißen wurde, in der Kirche beibehalten werden muss. Und sie verurteilt die mit Ausschluss, die sie für unnütz erklären oder die der Kirche das Recht absprechen, sie zu verleihen.“
(Apostolische Konstitution ‚Indulgentiarum Doctrina‘ Papst Paul VI. vom 01.02.1967 - die letzte und aktuell gültige Neuordnung des Ablasswesens)
Die in dieser Konstitution dargelegte Doktrin zeigt eine völlig andere Auffassung als die Luthers:
56 Der Schatz der Kirche, aus dem der Papst den Ablaß austeilt, ist bei dem Volke Christi weder genügend genannt noch bekannt.
62 Der wahre Schatz der Kirche ist das allerheiligste Evangelium von der Herrlichkeit und Gnade Gottes.
- und offensichtlich würde Luther auch heute noch wegen seiner 95 Thesen exkommuniziert, insbesondere wegen der drei folgenden:
37 Jeder wahre Christ, sei er lebendig oder tot, hat Anteil an allen Gütern Christi und der Kirche, von Gott ihm auch ohne Ablaßbrief gegeben.
52 Auf Grund eines Ablaßbriefes das Heil zu erwarten ist eitel, auch wenn der (Ablaß-)Kommissar, ja der Papst selbst ihre Seelen dafür verpfändeten.
76 Wir behaupten dagegen, daß der päpstliche Ablaß auch nicht die geringste läßliche Sünde wegnehmen kann, was deren Schuld betrifft.
Wobei die Geschichte mit dem Ablass natürlich nicht Grund der Kirchenspaltung war, sondern lediglich Anlass. Und der Ablass ist auch heute nur ein Symptom für eine grundsätzlich verschiedene Ekklesiologie. Hier sowie im Verständnis der Sakramente und (damit zusammenhängend) dem Amtsverständnis des Priestertums liegen die eigentlichen theologischen Differenzen - und die halte ich (anders als bei Gnaden- und Rechtfertigungslehre) für unüberbrückbar.
Freundliche Grüße,
Ralf_