Es gibt mehrere Unterschiede.
Qualifikationen sind „echte“ Straftatbestände, welche die (Grund-)Tatbestände abwandeln. Regelbeispiele sind bloße Strafzumessungsnormen; sie wandeln keine Tatbestände ab. Man macht sich zum Beispiel nach § 224 StGB, einer Qualifikation, strafbar, wie man sich auch einfach nur nach § 223 StGB, einem Grundtatbestand, strafbar machen könnte. Man kann sich aber nicht nach § 243 StGB strafbar machen, denn § 243 StGB ist keine Qualifikation, also keine eigenständige, sondern eine streng an § 242 StGB gebundene Variante des Diebstahls. Vielmehr macht man sich nach § 242 StGB strafbar, und das Gericht berücksichtigt bei der Festlegung der Strafe, dass es sich um einen besonders schweren Fall handelt. Bei der Frage, was ein besonders schwerer Fall ist, ist das Gericht an die aufgezählten Beispiele aus § 243 StGB nicht gebunden (daher „in der Regel“: Regelbeispiele). Regelbeispiele sind weder zwingend noch abschließend, wenn es um die Frage geht, ob ein besonders schwerer Fall vorliegt. An das, was ein Qualifikationstatbestand verlangt, ist das Gericht sehr wohl streng gebunden (§ 244 StGB: „wird bestraft“).
Unterschiede gibt es auch in den Konsequenzen. So hängt ja vom Mindestmaß der Strafe ab, ob eine Straftat ein Vergehen oder ein Verbrechen ist; für ein Verbrechen reicht es nicht, dass ein Regelbeispiel greift; siehe § 12 Abs. 3 StGB, wo es um „besonders schwere Fälle“ geht, nur für solche gibt es Regelbeispiele, also können Regelbeispiele aus einem Vergehen nie ein Verbrechen machen. Für Regelbeispiele gelten die § 15 f. StGB im Übrigen nur analog, weil Regelbeispiele ja keine Straftatbestände sind. Das Ergebnis ist dann natürlich dasselbe, aber man spricht vom Quasivorsatz statt vom Vorsatz. Umstritten ist, was bei §§ 22 f. StGB und Regelbeispielen gilt; gibt es den Versuch eines Regelbeispiels? Klar ist hingegen wohl, dass man strafbefreiend zurücktreten kann, auch wenn ein Regelbeispiel schon vollendet wurde.
Einen wichtigen Unterschied gibt es noch in der Prüfung: Regelbeispiele sind im Anschluss an die Schuld zu prüfen, weil sie ja nur die Höhe der Strafe ändern können, aber nicht zum Tatbestand gehören. Also:
- Objektiver Tatbestand
- Subjektiver Tatbestand
- Rechtswidrigkeit
- Schuld
- Strafzumessung/besonders schwerer Fall/Regelbeispiel
Wissen muss man noch: Bei der Mittäterschaft ist eine Zurechnung von Merkmalen eines Regelbeispiels wohl möglich.