regelmäßige Überstunden seit 2 Jahren

Hallo an alle,

seit über 2 Jahren leisten (fast alle) Mitarbeiter wöchentlich ca. 2-5 Stunden Überstunden.
Es handelt sich um einen kleines Büro, mit 15 Mitarbeitern (kein Betriebsrat, kein Tarifvertrag).
2 Stunden pro Woche mögen nicht viel klingen, aber es gibt wirklich NICHT EINE ARBEITSWOCHE ohne Überstunden.

Im Vertrag steht Folgendes:

Arbeitszeit
(1) Die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit beträgt 40 Stunden. Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit richten sich nach den betrieblichen Erfordernissen.
(2) Mehrarbeit und Überstunden bis zu 15 Stunden monatlich sind mit dem Gehalt gemäß § 4 dieses Vertrages abgegolten; dafür ist keine zusätzliche Vergütung und auch kein
Freizeitausgleich geschuldet.

(§ 4 sind die Gehaltsangaben im Vertrag.)

Ich habe mal gelesen, dass sehr viele Überstundenklauseln in Arbeitsverträgen nichtig sind.
Wie sieht es in diesem Fall aus? Ist die Klausel wasserdicht ? Sind Mitarbeiter zu Überstunden bis zu
15 Stunden monatlich verpflichtet, ohne Ausgleich, ohne Zahlung, weil sie es alle so unterschrieben haben?

Danke schonmal und LG
Jasmin

Das kommt drauf an, denn zunächstmal habt Ihr den Vertrag ja unterschrieben.
Es kommt z.B. auf die Höhe des jährlichen Gehaltes an. Wenn jemand zu den Besserverdienenden gehört, in D-west wären das 76.200€ jährlich, wäre eine pauschale Abgeltung möglich. Oder wenn jemand zur Gruppe derjenigen gehört die höherwertige Dienste verrichten. wie Ärzte, Apotheker, Architekten etc.
Das ist das jüngste BAG Urteil dazu: BAG 01.09.2010 ­– 5 AZR 517/09).
Und dann kommt es noch darauf an ob es vom Chef angeordnete Überstunden sind! Wenn icht, sieht´s schlecht aus. ramses90

Ich rede jetzt mal vom Durchschnitt.

  1. Büroarbeit (Einkauf / Verkauf) , keine leitenden Angestellten
  2. Gehalt zwischen 40.000 - 60.000
  3. Der Chef ordnet die Überstunden nicht explizit an, sondern es wird mündlich ähnliches gesagt wi „das muss heute noch raus“

Danke
LG Jasmin

Wenn Ihr dagegen vorgehen wollt, dann laßt Euch das, mit Hinweis darauf, dass es zu Überstunden führen wird, schriftlich von ihm bestätigen. Nur damit könnt Ihr gegen den Ausbeuter vorgehen.
Allerings sollte man sich darüber im Klaren sein, dass der natürlich „Lunte“ riecht und der weitere Verbleib des Arbeitnehmers in dem Laden ungewiss sein kann.
Die Chancen, dass Ihr damit durchkommt erhöhen sich ungemein wenn alle! mitmachen, an einem Strang ziehen und auch dabei bleiben! ramses90

Ja ist klar, es besteht bereits Unmut.

Aber nochmal ganz klar gefragt, ist die Klausel im Arbeitsvertrag rechtens oder nicht ?
Rein theoretisch …

Die Klausel ist nicht rechtens wenn Ihr dem Chef vor Gericht nachweisen könnt, dass er von 15 Mitarbeitern monatlich 225 Überstunden x 12 = 2700 Ü.-stunden einfordert. Das ist doch bedeutend mehr als eine 40 Stundenwoche Planstelle! ramses90

Hallo,

ich bin der Meinung, daß die von dir beschriebene Klausel (leider) sehr wohl rechtmäßig sein könnte.
Das Rechenbeispiel von Ramses ist zwar ganz nett zur Verdeutlichung, aber rechtlich ohne Relevanz

Auch das von Ramses zitierte Urteil (das beileibe nicht das jüngste ist), läßt sich nur auf Fälle anwenden, in denen der Arbeitsvertrag keine definierte Grenze der abgegoltenen Überstunden enthält.

Das ist aber bei Euch nicht der Fall, bei Euch ist eine klare Grenze (15 Std./Monat) definiert.
Zu derartigen Grenzen hat sich die Rechtsprechung, wenn überhaupt, nur im Einzelfall geäußert. Es gibt hier keine von der Rechtsprechung allgemeingültig gesetzten Grenzen - sei es in Stunden, sei es in Prozent - sondern es zählt nur die „Billigkeit“, die abhängig ist von den Gesamtumständen - wozu zB auch die Entlohnung gehört.

Ihr könnt Euch natürlich fachanwaltlich beraten lassen, aber die Erfolgsaussichten sind mE selbst dann mau, wenn jede einzelne Überstunde wirklich angeordnet war.

Wenn es einen allgemeinen Unmut gibt, dann ist selbst in Eurem relativ kleinen Betrieb die Gründung eines Betriebsrates
http://www.gesetze-im-internet.de/betrvg/__1.html
der dauerhaft erfolgversprechendere Weg, da Mehrarbeit/Überstunden der vollen Mitbestimmung des BR unterliegen gem. § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG
http://www.gesetze-im-internet.de/betrvg/__87.html

Ein aktiver BR kann auch in einem kleineren Betrieb Überstunden wirksam begrenzen und evtl. erreichen, daß der AG einfach seine Arbeit besser organisiert. 3 (von 15) aufrechte AN reichen schon dafür.

&Tschüß
Wolfgang

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wer denn nicht?
in einer so kleinen betriebsgröße ist vieles überschaubar. da sollte man sich fragen, wer keine überstunden und weshalb nicht leistet.

grundsätzlich scheint mir die vertragliche regelung rechtmäßig. nicht rechtmäßig ist, dass generell und regelmäßig und auf dauer die vereinbarte arbeitszeit überschritten werden muss. das gilt für den einzelnen mitarbeiter und in der gruppe. verhältnismäßigkeit, wenn nahezu alle mitarbeiter betroffen sind. die formulierung „bis zu“ definiert auch nicht 2 stunden mehr jede woche. hier kämen gleitzeitvereinbarungen beispielsweise in betracht. oder gehalt.
empfehlenswert ist daher die aufzeichnung der stunden und der begründung für die überstunden, z.b. die mündliche anordnung des arbeitgebers, um die regelmäßigkeit zu dokumentieren. auf eine schriftliche anordnung des arbeitgebers braucht man nicht spekulieren, sie kommt einfach nicht.

weiter sollte man „kurzfristig“ angeordnete überstunden „ich brauche das heute noch“ ablehnen. mit „ich habe einen termin beim arzt“ oder „ich muss meine kinder abholen“ oder sonstwas.

mit der zeit werden die getroffenen maßnahmen wirken. solidarität ist gefragt, keine frage. aber nur so kann man etwas für alle verändern.

pasquino

Hi!

Da hier ja keine Rechtsberatung gegeben werden darf, kann ich ja meinen Senf einfach so dazugeben:

Ähm, nein, sind es auch nicht, auch wenn diese regelmäßig gemacht werden.

Und das ist für mich der eigentliche Knackpunkt: Im Arbeitsvertrag wird klar festgelegt (mE auch „wasserdicht“), wieviel Überstunden bzw. Mehrarbeit mit dem Gehalt abgegolten wird (wären also sogar knappe 4h/Woche im Schnitt) - und man weiß ja schließlich, was man unterschreibt.

Ich werde irgendwie das Gefühl nicht los, dass im §4 auch etwas höhere Gehälter als üblich angeführt werden.

Ich habe in Büros gearbeitet, da gab es unterschiedliche Arbeitsverträge: Jene, die monatlich bis zu 16,5 Überstunden lt. Vertrag hatten (und dies wurde auch bis zum Maximum ausgenutzt), dafür aber natürlich auch ein besseres Grundgehalt hatten, welche (wie ich), die einen „normalen“ Vertrag hatten, denen dafür aber jede Überstunde abgegolten wurde (Finanziell oder Zeit) - und dann gab es noch die All-Inclusive-Verträge: Spitzengehalt, aber überhaupt keine Überstunden abgegolten.
Alles nach (österreichischem) Arbeitsrecht korrekt gestaltet.

Grüße,
Tomh

Ganz so ist es nicht, es handelt sich nur um eine kleine Zweigfiliale. Die Firma als solche hat fast 4.000 Mitarbeiter.

als „filiale“ oder niederlassung oder ähnliches habt ihr mit sicherheit einen gesamt-betriebsrat. der für euch zuständig ist und zur verfügung steht.

oder ihr seid eine tochter (mit spezialaufgaben oder -technik) des großen unternehmens. dann solltet auch ihr einen eigenen betriebsrat gründen, weil die muttergesellschaft grundsätzlich ihr system überstülpt, auch wenn keinerlei fachkenntnisse vorliegen. da zählen dann nur nackte zahlen.

pasquino

Hallo,

das hier

ist aber ziemlich falsch. ein GBR hat keine unmittelbaren Ersatz- bzw. Eingriffsrechte, wenn es vor Ort keinen eigenen BR gibt.

&Tschüß
Wolfgang

ich habe mich mit gesamtbetriebsrat ungenau oder falsch ausgedrückt.

in unserem konzern gibt es beispielsweise einen br für deutschland. an diesen kann sich jeder wenden.

tochterunternehmen können eigenen betriebsrat haben, der auch eigene vereinbarungen mit der geschäftsführung des tochterunternehmens verhandelt und abschließt. sofern sie keinen eigenen br haben, dann können sich die mitarbeiter durchaus an den br des konzerns wenden. sie haben allerdings kein wahlrecht, und der br kann auch keine verbindlichen vereinbarungen treffen. daher hatte ich auch zu einem eigenen br geraten.

pasquino