Regenwurm

Hallo, mein Name ist Johannes. Ich bin 15 Jahre alt. Ich habe gestern mit meiner Gartenschaufel ein Regenwurm verletzt. Er war ziemlich lang. Unglücklicherweise wurde er so schwer getroffen, dass er beinnahe getrennt wurde. Was mich nun beschäftigt ist, dass ich so ziemlich am Ende des Regenwurm-Körpers ihn getroffen habe. Jetzt frage ich mich, ob der kurze Teil des Körpers, welches fast abgetrennt ist, sein Kopf war.
Jedenfalls, das längere Ende bewegte sich noch ziemlich gut. Um mich zu vergewissern, ob der Regenwurm tot ist, kam ich etwa eine halbe Stunde später zurück. Ich sah, dass dieser noch lebte (jedenfalls das längere Stück des Körpers vom Regenwurm).

Nun meine Frage: Kann ich also davon ausgehen, dass ich ihm nicht den Kopf abgetrennt habe? Das kürzere Ende lebte nicht, aber das Längere lebt. Oder kann es sein, dass der Regenwurm auch ohne Kopf weiter lebt, was für mich sehr schlimm wäre; Denn dann wäre das ja eine Tierquälerei.

Die ganze Zeit denke ich daran, dass wegen mir der Regenwurm nun leidet.
Bitte lacht mich nicht aus, dass ich so denke. Aber ich habe ein Gewissen. Und ich möchte nicht, dass ein Lebewesen wegen mir leiden muss.

Über Antworten wäre ich froh.

Liebe Grüße Johannes

Hallo Johannes,

der Teil, der sich nach der Trennung noch so ähnlich bewegte wie sonst auch, ist der mit dem Kopfende. Regenwürmer haben eine Art ganz einfaches Gehirn, das am Kopfende sitzt - ohne dieses können die Bewegungen nicht mehr gesteuert werden. Abgetrennte Hinterenden bewegen sich zwar auch noch, aber nicht mehr mit den rhythmischen Kriechbewegungen, die Du von Regenwürmern kennst.

Wenn der abgetrennte vordere Teil mehr als etwa ein Drittel des Wurms ausmacht, kann die Verletzung wieder zuwachsen. Das Hinterende kann bei Regenwürmern neu gebildet werden, wenn ein Stück vom Wurm abgetrennt worden ist, das Vorderende nicht.

In der Natur passieren Regenwürmern übrigens wesentlich schlimmere Dinge: Maulwürfe sammeln Regenwürmer im Spätherbst, bevor sie sich vor der Kälte in tiefere Bodenschichten verziehen, bringen sie in eine Vorratshöhle und lähmen sie mit einem Biss in den Kopf, so dass sie nicht mehr wegkriechen können. Auf diese Weise hat der Maulwurf einen Wintervorrat, der sich frisch hält, weil die Würmer weiter leben.

Schöne Grüße

Dä Blumepeder

Das Hinterende bewegt sich auch deshalb, weil es dann die Aufmerksamkeit von Fressfeinden (z.b. Vögel) erregt, die sich dann auf dieses Hinterende konzentrieren, um es zu fressen. In dieser Zeit hat das vordere Ende mit Kopf die Chance zu verduften.
Udo Becker

hallo
hast du schon einmal gesehen, wie eine amsel einen regenwurm frisst?
schnapp, und er ist weg. und das an einem stück.

selbst wenn der wurm zweigeteilt werden sollte, ist auch das andere ende schneller verschluckt, als es verschwinden kann.

auf geckos bezogen, gebe ich dir recht. die werfen kontrolliert ihr schwanzende ab.

justin

Moin Johannes,
wie schon gesagt wurde kann ein Teil eines geteilten Regenwurms überleben, nämlich der Teil der die Verdickung hat, das nennt man das ‚Clitellum‘, dort sitzen die Geschlechtsorgane. Das Clitellum liegt mehr zum Vorderende des Regenwurms. Hat dieses Vorderende mehr als 40Glieder kann der Wurm überleben.
Das Hinterende kann sich evt. noch eine Weile bewegen. Das kommt daher, dass der Regenwurm ein sog. ‚Strickleiternervensystem‘ hat. In jedem Segment des Wurms finden sich zwei kleine Nervenknoten die miteinander verbunden sind wie eine Strickleiter - daher der Name.
Es gibt auch ein, bzw. zwei kleine Gehirne, das Ober- und Unterschlundganglion. Die verarbeiten die Sinneseindrücke, z.B. von den Lichtempfindlichen Zellen die der Wurm am Vorder- und Hinterende hat oder auch von den Chemorezeptoren.

Ob diese Gehirne die Fähigkeit haben ‚zu leiden‘ … das kommt ganz darauf an wie man ‚leiden‘ definiert. So stimmt z.B. was Udo Becker geschrieben hat - ein Wurm kann am Hinterende einige Segmente Fressfeinden ‚überlassen‘. Und er merkt auch sicher das das passiert ist - denn der Körper des Wurms reagiert mit Reparaturmaßnahmen. Aber ob der Wurm das ‚bewusst weiß‘… ich denke es nicht.


Denn dann wäre das ja eine Tierquälerei.

Tierquälerei wäre es wenn du mit Vorsatz Regenwürmer sammelst und sie in Scheiben schneidest. Obwohl es das vom Gesetz her wahrscheinlich nicht wäre - da Regenwürmer keine Wirbeltiere sind. Aber sicher kann man sagen, dass auch Regenwürmer etwas fühlen - anders könnten sie ja nicht auf die Umwelt reagieren. Wenn sie in eine Umgebung gesetzt werden die ihnen nicht gut tut, z.B. zu warm und zu trocken, versuchen sie weg zu kommen.

Aber ich habe
ein Gewissen. Und ich möchte nicht, dass ein Lebewesen wegen
mir leiden muss.

Das macht dich zu einem ausgezeichneten Mitglied der Spezies Homo sapiens. Denn wir Trockennasenaffen sind eine der wenigen Spezies auf der Erde deren Gehirn die Komplexität hat ihr eigenes Handeln zu reflektieren.
Du wirst immer wieder im Leben abwägen müssen ob du deine eigenen Bedürfnisse oder die anderer Lebewesen voranstellst. Jede Nahrung - egal ob pflanzlich oder tierisch, Autofahren kostet vielen Insekten den Tod, … und Gartenarbeit wird nicht nur Regenwürmern zum Verhängnis.
Allerdings werden auch wir eines Tages wieder in den Kreislauf eingehen und vielleicht anderen Regenwürmern ein gutes Mahl bieten.

Wenn ich aus Versehen einen Wurm teile denke ich kurz an diesen Kreislauf - und das Rotkehlchen das hinter mir her pickt freut sich.
Toll, dass du dir über so was Gedanken machst.
Gruß…lux

selbst wenn der wurm zweigeteilt werden sollte, ist auch das
andere ende schneller verschluckt, als es verschwinden kann.

Aber das Entkommen des Vorderteils ist schon ein starker Vorteil. Außer Amseln gibt es noch Kröten, Lurche, Blindschleichen und für die ist ein Wurm im Gras schnell weg. Aber ein aktives Abwerfen des Hinterendes gibt es beim Wurm natürlich nicht.
Udo Becker

Danke erstmal für die ausführliche Antwort. Nun möchte ich dir kurz meine Gedanken diesbezüglich beschreiben.
Ich denke das ich den Teil ohne Kopf getrennt habe. Denn dieser Teil war auch relativ schnell abgestorben. Nichts regte sich mehr. Doch der längere Teil bewegte sich noch. Ich war gut eine halbe Stunde weg und bin dann wieder gekommen. In dieser Zeit hätte der Regenwurm sterben müssen, wenn dieser längere Teil ohne Kopf gewesen wäre. Schließlich konnte ja auch der kürzere Teil des Regenwurms nicht überleben.
Sind meine Gedanken nachzuvollziehen? Oder versuche ich jetzt irgendwie mein Gewissen zu beruhigen?
Für mich wäre es schlimm, wenn der Regenwurm nicht Tod ist und leidet. Besser wäre es dann, wenn dieser Regenwurm den Schlag der Gartenschuppe gar nicht überlebt hat.
Bitte antworte mir nochmal.
Johannes

Sind meine Gedanken nachzuvollziehen? Oder versuche ich jetzt
irgendwie mein Gewissen zu beruhigen?
Für mich wäre es schlimm, wenn der Regenwurm nicht Tod ist und
leidet. Besser wäre es dann, wenn dieser Regenwurm den Schlag
der Gartenschuppe gar nicht überlebt hat.
Bitte antworte mir nochmal.

Deine Gedanken sind nachvollziehbar und du versuchst dein Gewissen zu beruhigen.
Zu leben heißt mit seiner Umwelt zu interagieren. Dabei wirst du immer andere Lebewesen einschränken. Es ist schön, wenn man sich Gedanken macht und versucht die Einschränkung anderer in Grenzen zu halten. Und wenn man nicht vorsätzlich andere leiden lässt - auch einen Wurm nicht, dann hast du schon den Grundsatz von Ethik verinnerlicht.
Aber nicht nur Andere haben ‚Recht‘ auf leben - du auch. ‚Wäre‘ hilft hier nicht weiter - es ist wie es ist. Arbeite weiter im Garten und freu dich dran. Würmer die du siehst, setzt du zur Seite, die anderen gehen nur ein wenig eher ins Wurmnirwana.