Das sollte ungefähr der Kern-Kanon der Philosophie der Neuzeit sein.
Dass ein paar andere reingehörten und dafür ein paar rausgehörten, ist nicht relevant.
Relevant ist: Philosophie ist im Wesentlichen „Nordwesteuropa plus USA“.
Frage 1: Wie verträgt sich diese extreme regionale Einengung mit dem universalistischen Anspruch der Philosophie?
Frage 2: Warum sollten die anderen geschätzten 9/10 der Weltbevölkerung diese Philosophie der Norwesteuropäer und (weißen) US-Amerikaner überhaupt ernst nehmen, geschweige denn an Universitäten lehren?
Ich verstehe nicht, wie du darauf kommst, dass die genannten Autoren lediglich „regionale“ Bedeutung haben. Es verhält sich doch ganz anders. Sie wurden und werden global rezipiert und bewertet, unabhängig vom Herkunftsland des Autors. Dass der unmittelbare Einfluss des einen oder anderen im Herkunftsland etwas größer war, erklärt sich leicht aus der jeweiligen medialen Situation, die für einen Autor im Herkunftsland natürlich günstiger als als woanders. Das ist bei Sartre gut zu erkennen, der seine Philosophie und seinen Einfluss nicht nur durch Veröffentlichungen, sondern auch durch seine regen Aktivitäten in intellektuellen Zirkeln promoten konnte, wo er aufgrund seiner starken persönlichen Ausstrahlung, auch und vor allem auf Frauen, schnell zu einem Star avancierte. Wittgenstein und Carnap schlugen in den USA hohe Wellen, für sie trifft deine Befund in keinster Weise zu, wie natürlich auch für Heidegger, von dem vielleicht nur die Aborigines noch nichts gehört haben. Paradoxerweise ist er der am schwersten verständliche Philosoph. Auch Nietzsche wurde weltweit intensiv rezipiert. Wieso du Marx auf D und GB einengst, ist mir schleierhaft. Jeder weiß um seinen massiven Einfluss in Russland, China, Nordkorea und Kuba, um ein paar Beispiele zu nennen. Ich könnte noch weitere Herren aus deiner Liste durchgehen, aber das Obige zeigt doch, dass irgendetwas an deinem Konzept oder deiner Formulierung suboptimal ist.
Das habe ich exakt nirgendwo geschrieben.
Die Angaben in Klammern bezeichnen logischerweise die Herkunft bzw. den Tätigkeitsort, nicht den Ort der Rezeption bzw der Bedeutung (das wäre so absurd-falsch, dass ich gar nicht auf den Gedanken kam, das verdeutlichen zu müssen).
Ich hätte bei Carnap auch (D,A,USA) und bei Wittgenstein (A,GB) schreiben können.
Ändert aber eh nichts an „nordwesteuropäisch-nordamerikanisch“.
So beziehst du die „extreme regionale Einengung“ also auf
Die Formulierung „extrem regional“ erscheint mir doch arg übertrieben, bedenkt man, in welchem Maße die Kultur (z.B. Kunst und Mode) und die Werte dieser „Region“, aber eben auch die Philosophie, in anderen „Regionen“ (Asien, Südamerika, teilweise Afrika) rezipiert werden.
Beispiele:
Leibniz und Wittgenstein werden auch in Japan rezipiert und gelehrt, siehe
Die japanische Kyoto-Schule (vor allem Keji Nishitani) hat sich intensiv mit Heidegger befasst.
Daisetz Suzuki, der als erster den Zen im Westen verbreitete, war sehr bewandert in westlicher Philosophie:
Einige japanische Autoren befassen sich mit Searles Sprechakt-Theorie, siehe
Noch einmal meine Frage: es hat sich ein Kanon der Philosophie etabliert, der überall auf der Welt der universitären Lehre der Philosophie zu Grunde liegt (wenn auch wohl jeweils auch noch mit „lokalen“ Traditionen angereichert). Dieser Kanon besteht mehr oder minder ausschließlich aus Nordwesteuropäern und Nordamerikanern.
Über Feinheiten mag man streiten können, aber im Kern ist das so.
Daher meine Doppelfrage:.
Frage 1: Wie verträgt sich diese extreme regionale Einengung [des Kanons] mit dem universalistischen Anspruch der Philosophie? Frage 2: Warum sollten die anderen geschätzten 9/10 der Weltbevölkerung diese Philosophie der Nordwesteuropäer und (weißen) US-Amerikaner überhaupt [weiterhin] ernst nehmen, geschweige denn an Universitäten lehren?
Mir scheint, die östlichen Philosophien waren einfach nicht gleichermassen von der zerstörerischen Macht des Christentums betroffen und bedurften deshalb auch nicht der Änderung ihrer antiken Gehalte.
Was meinst du damit?
Ich wollte in etwa den gegenwärtigen „Kanon“ der universitären Philosophie abbilden, also die Philosophen nennen, die die größte Rolle spielen, die mit denen jeder Philosophiestudent im Rahmen seines Studiums in Berührung kommt, so schwammig dieses Kriterium ist.
Auch ein Student, der sich als „kontinentaler“ überhaupt nicht für Quine interessiert, kommt an dem nicht komplett vorbei, dagegen kann ich es selbst bis zur Professur schaffen ohne je von Julián Marías Aguilera oder Euphrase Kezilahabi gehört zu haben.
So ist der „Kanon“ gemeint (Zahl der Seminare, Zahl der Arbeiten usw. könnte man als objektive Kriterien heranziehen).
Ich denke, da gehört Hegel ganz unstrittig rein und sogar sehr weit nach vorne. Über einige andere lässt sich sicher streiten.
Das mag sein.
Mein Punkt ist bei dieser Frage der, dass sie es (wie alle anderen nicht-westeuropäisch-nordamerikanischen Philosophie) nicht in diesen Kanon schaffen.