Reisen nach Ausschwitzt (KZ) - ich finde das irgendwie unethisch. Was denkt ihr?

Hallo Alle zusammen,

wahrscheinlich ist das nicht die typische „Reise“ frage, die ich hier poste, allerdings befinde ich mich gerade im ethischen Dilemma und dachte, vielleicht hat sich jemand schon einmal darüber den Kopf zerbrochen. Hier zu meiner Problematik:

Kommenden Sommer gehen wir auf Studienreise nach Polen und darunter eben auch Auschwitzt. Ich muss sagen, dass ich mich insgesammt sehr darauf freue, nur fällt es mir schwer Gefallen an einem Besuch in Auschwitzt zu entwickeln und zwar ausdrücklich nicht (!) weil ich den Holocaust verschmähen möchte, sondern weil mich diese besondere Art von Tourismus bzw. und vor allem Voyeurismus übel aufstoßen lässt.

Auf der einen Seite verstehe ich, dass ein Besuch in Auschwitz heute als Mahnmal dient Allerdings denke ich, dass die die es betrifft (und es sich anschauen sollten) tot sind (z.B. Ehemalige NS Leute) und die die es heute betrifft (gegenwärtige Faschisten und Leugner), gehen nicht hin. Dazu weiß ich, dass meine Familie im Widerstand war und meine Mutter keine Deutsche ist (nicht mal aus Europa oder einem betroffenen Land kommt). Sprich, mein Bezug zu der Sache ist natürlich als ein in Deutschlandaufgewachsener präsent aber sehe ich mich jetzt nicht als jemand, den man Er-Mahnen muss. Ich bin mir der Grausamkeit durchaus bewusst, allerdings will ich mich nicht in einer Reihe mit Touristen sehen, die vor lauter Geilheit auf das Grauen im KZ, dem nicht die nötige Intellektualität entgegenbringen, sondern aus Voyeurismus dahin fahren. So nach dem Motto: „Europarundreise in fünf Tagen - Berlin, Paris, Rom und Ausschwitz“. Das wird dem Schrecken und den Opfern irgendwie nicht gerecht.

Und weiter befürchte ich, dass ich da an einen Ort gelange, der mir „vorschreibt“ wie ich darüber zu denken habe und das läuft mir irgendwie zuwider. Wenn ich z.B. nicht das erwünschte erschrockene/ erstaunte Gesicht aufsetzte und es mich nicht genung Bewegt um eine Emotion auszulösen, die ich nach außen tragen kann, werde ich noch zur Persona non Grata. Wie wenn man an Weihnachten ein Geschenk bekommt und sich darüber zu freuen hat, weil es von der Oma kommt- es aber eigentlich nur schrott ist.Ich hoffe das bekommt niemand in den falschen Hals. 
Hat jemand Erfahrungen oder eine Meinung bzw. Gegenargumente dazu?
Wäre darüber sehr dankbar.

Danke schonmal!
Grüße

Ich finde, du solltest dir zumindest die Mühe geben, den Namen richtig zu schreiben, wenn du hier schon eine Diskussion vom Zaun brechen willst.

Ich kann außerdem nichts Unethisches daran finden, und denke im Gegenteil, man sollte so etwas mal gesehen haben. Aber nicht bequem mit dem Billigflieger nach Krakau fliegen - mit dem Zug hinfahren!

Und außerdem bin ich in der glücklichen Lage, frei in nahezu jedes Land der Erde reisen zu können. Wohin ich fahre, entscheide ich selbst und halte dabei vielleicht maximal noch Rücksprache mit meinem Bankkonto, aber sicher nicht mit irgendwelchen Leuten, die sich lieber alles nur zu Hause vor dem Fernseher ansehen und sich so ihr Urteil bilden, weil es ja vielleicht unethisch sein könnte, dort hinzufahren.

Du siehst dir doch Auschwitz nicht an, wie es in Betrieb ist! Das ist Jahrzehnte her, also was genau ist dein Problem? Wäre es dir lieber, das alles zu vergessen?

Petra

Hat jemand Erfahrungen oder eine Meinung bzw. Gegenargumente
dazu?
Wäre darüber sehr dankbar.

Danke schonmal!
Grüße

Hallo, im Gegensatz zur Vorposterin, finde ich Deine Frage nicht schlecht!
Ich sehe es nicht als „Tourismus“ Reise an, eher als Respekt vor den Opfern
und als guter Wille des Nichtvergessens!
Bin zwar nicht in Ausschwitz gewesen, aber bei uns im Norden gibt es auch
Gedenkstätten. Als Ich dort war, fand ich es bedrückend und erschreckend wie Menschen mit ihrer eigen Art umgehen konnten.
Fahre hin-Gedenke den Opfern und Zeige Dein Gesicht gegen Rechts!
Gruss cristalero

Danke für die Antwort.
Wegen der falschen Schreibweise: Ich hatte „Auto Correct“ eingestellt. Im Artikel habe ich es verbessert, allerdings habe ich es im Titel übersehen.

Natürlich entsteht der Voyeurismus nicht erst beim Betrachten der Handlung, sondern doch schon bei dem Willen sich den Ort anzusehen. Sprich, mit der Absicht sagen zu können „so sieht das also aus, wenn man Menschen vergast“.

Den Teil mit dem Bankkonto und die Freiheit mit jedem reisen zu können mit wem du willst. Verstehe ich nicht so ganz. Vielleicht kannst du das ja erläutern.

Gruß

So kann man das sicherlich sehen. Ganz umprovokant gefragt und mit jedem Respekt vor deiner Antwort.

Hattest du nicht das Gefühl, dass dieses „Bedauern“ etwas von „außen gefordertes“ ist und sich das Mitleid eigentlich in Grenzen hält und eigentlich verfliegt, sobald man da raus ist? Vor allem vor dem Hintergrund, dass meine Generation (und speziell ich) nur bedingt bis gar nicht betroffen ist?

Meine Befürchtung ist nämlich genau die, dass ich eben „ehrliches Bedauern“ nicht wirklich entwickeln kann, sondern eher nur darüber „erstaunt“ bin wie grausam man miteinander umgehen kann, was dann eben einer eher voyeuristischen Motivation nahe kommt.

Danke für deine Antwort.
Grüße

Hallo,

Natürlich entsteht der Voyeurismus nicht erst beim Betrachten
der Handlung, sondern doch schon bei dem Willen sich den Ort
anzusehen. Sprich, mit der Absicht sagen zu können „so sieht
das also aus, wenn man Menschen vergast“.

Ja, ist es dir denn lieber, sich so etwas einfach nicht anzusehen? Das einfach zu ignorieren?

Was ist denn „Voyeurismus“? Darf man sich denn im Urlaub nur Palmen und blaues Meer ansehen, und wenn man irgendwo hinfährt, wo es ein Problem gibt oder gegeben hat, dann ist das schon Voyeurismus?

Ich finde es jedenfalls ganz natürlich, sich auch solche Orte anzusehen, wo etwas Schlimmes passiert ist.

Den Teil mit dem Bankkonto und die Freiheit mit jedem reisen
zu können mit wem du willst. Verstehe ich nicht so ganz.
Vielleicht kannst du das ja erläutern.

Tja, es wird dir jetzt vielleicht nicht gefallen - aber ich war 2012 in Nordkorea und war von dieser Reise sehr beeindruckt, vor allem von der Begegnung mit den Menschen dort.

Wenn alles läuft wie geplant, werde ich 2015 noch einmal dort hinfahren. Auch wenn das den meisten nicht recht ist. (Deswegen reagiere ich mittlerweile auch etwas allergisch auf solche Forderungen, doch da und dort wegen x und y nicht hinzufahren.)

Eine Zustimmung, sprich Visum, brauche ich nur von den chinesischen Behörden, ebenso wie von den nordkoreanischen Behörden. Und mein Kontostand muss befragt werden, denn China ist weit weg und Nordkorea noch ein Stück weiter. Die Fluglinien haben diese unschöne Angewohnheit, immer gleich dreistellige Beträge zu wollen.

Wer nicht gefragt wird, sind all die Bedenkenträger, die einem von überall her aus ungefragt mitteilen, dass man in ein solches Land doch auf gar keinen Fall reisen dürfe. … Ich sehe das etwas anders und schraube lieber meinen Konsum an chinesischen Produkten zurück, soweit das in unserer vernetzten Welt eben möglich ist. Warum? Weil die Chinesen nämlich geflohenen Nordkoreanern nicht nur kein Asyl geben, sondern mit allen Mitteln verhindern, dass diese eine Botschaft erreichen bzw. sie einfach wieder zurückschicken, ohne Rücksicht auf die Konsequenzen. Hier kann man es ganz gut sehen: http://www.youtube.com/watch?v=jCIMLGG51MY

Mehr möchte jetzt gar nicht zu Dingen sagen, von denen ich ja nur gelesen habe. Wie gesagt, ich werde ein Visum brauchen.

Schöne Grüße

Petra

Ich würde dir in sofern zustimmen, als dass gegen das Erleben und Kennenlernen verschiedener Kulturen und Menschen, erstmal nichts einzuwenden ist. Also vor allem das ErLeben also im wahrstensinne des Wortes das Begreifen anderer Leben und Lebensweisen. Ich würde hier aber unterscheiden zwischen:

  • dem wirklichen Kennenlernen von Menschen
  • und dem Betrachten, Bestaunen, Begutäugen (was dem was ich hier mit „Voyeurismus“ anführe nahe kommt)

Um bei deinem Beispiel zu bleiben: Es besteht der Unterschied, ob du nach NK fliegst um die Menschen und deren Lebensweisen zu begreifen oder ob du dorthin fliegst um zu betrachten, wie Leute hungern und abgemagert sind, weil sie unter einem Regime leben, nur damit du es mal gesehen hast. (Es ist ein Beispiel- ich tätige einfach mal die Annahme. Zugegeben ich bin kein NK Experte)

Und das ist letztendlich die gleiche Frage die ich mir in Bezug auf Auschwitz stelle:
Fahre ich dorthin um wirklich tiefverbundenes Mitleid und Trauer den Opfern gegenüber zu bekunden bzw. kann ich es überhaupt empfinden (Authentizität) oder fahre ich einfach nur dorthin um mal zu sehen, wie so eine Vergasung von statten ging. Einfach um es mal gesehen zu haben. (Voyeurismus)

Damit will ich keineswegs die Augen verschließen, ich stelle lediglich nur die Frage nach der Authentizität bei so einem Besuch, da ein Besuch im KZ wesentlich mehr ist, als bloßer Tourismus und das sollte er auch sein.

Ich hoffe, ich konnte den Punkt klarstellen.
Was denkst du?

Grüße Krusel

politisch korrekt

(Authentizität)…(Voyeurismus)

letzteres würde ja eine gewisse freude am wahrgenommenen voraussetzen – das scheint ja weniger der fall zu sein.

(selbst wenn, hilft es bei der selbstdefinition…)

warum nicht zunächst ganz neutral dort hingehen? die oftmals erwartete gesamtbetroffenheit ist eine pc-forderung, der niemand nachkommen muß.

überbordende emotionen sind nicht besser als faktenorientierte information; die wertung derselben ist allein deine sache.

sollte dich die ganze angelegenheit jedoch garnicht interessieren, suchst du dir für die zeit eben 'ne nette bar umzu.

e.c.

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Hattest du nicht das Gefühl, dass dieses „Bedauern“ etwas von
„außen gefordertes“ ist und sich das Mitleid eigentlich in
Grenzen hält und eigentlich verfliegt, sobald man da raus ist?
Vor allem vor dem Hintergrund, dass meine Generation (und
speziell ich) nur bedingt bis gar nicht betroffen ist?

Danke für deine Antwort.
Grüße

Nein! Bedauern und bedrückt sein, sind 2 verschiedene Dinge.
Ich „bedauere“ es auch nicht, ich war es schliesslich auch nicht!
Bedauern können es nur die Täter, meine ich.
Ich habe beim Besuch der Gedenkstätte auch nicht laut „Warum nur?“ geschrien.
Trotzdem war es ein übles Gefühl von Bedrücktheit. Ich kann es nicht erklären.
Ist ähnlich wie auf dem Schlachthof. Der Schlachter tötet 8 Std. lang Tiere, geht nach Hause und isst ein Stück Fleisch. Wenn ich mein Stück Fleisch selber töten müsste,
wäre ich sofort Vegetarier!!! Fahr hin und „fühle“ es selbst…
cristalero

Guten Morgen,

Um bei deinem Beispiel zu bleiben: Es besteht der Unterschied,
ob du nach NK fliegst … um zu betrachten, wie
Leute hungern und abgemagert sind, weil sie unter einem Regime
leben, nur damit du es mal gesehen hast.

Das war jetzt nicht meine Absicht. Abgesehen davon bekommt man als Tourist natürlich nur das Beste zu sehen, was das Land zu bieten hat. Und unsere Reiseleiter waren natürlich nicht „abgemagert“ - auch wenn es mir lieber gewesen wäre, wenn sie mit uns zusammen gegessen hätten. Nicht nur, weil ich mich gerne länger mit ihnen unterhalten hätte, sondern auch, um sicher sein zu können, dass sie überhaupt das Gleiche bekamen wie wir. Denn das bezweifle ich jetzt, im Nachhinein, doch.

Wenn man im Bus nicht schläft, kann man aber doch recht deutlich sehen, dass das, was einem so gezeigt wird, nur ein Teil des Bildes ist. Man sieht da Bauern, die mit Ochsen auf dem Feld arbeiten, oder Leute, die im Fluss ihre Wäsche waschen. … Ich erinnere mich an zwei Bauern, die direkt neben der Straße standen, als unser Bus vorbeikam. Der eine von ihnen hat mir in die Augen gesehen. Er wäre wohl gerne mitgekommen auf diese Reise.

Und das ist letztendlich die gleiche Frage die ich mir in
Bezug auf Auschwitz stelle:
Fahre ich dorthin um wirklich tiefverbundenes Mitleid und
Trauer den Opfern gegenüber zu bekunden bzw. kann ich es
überhaupt empfinden (Authentizität) oder fahre ich einfach nur
dorthin um mal zu sehen, wie so eine Vergasung von statten
ging. Einfach um es mal gesehen zu haben. (Voyeurismus)

Ja, ich verstehe jetzt dein Problem.

Ich hoffe, ich konnte den Punkt klarstellen.
Was denkst du?

Keine Sorge - wenn ihr euch in Auschwitz einer dieser Führungen durch die speziell geschulten Reiseleiter anschließt, dann besteht da keine Gefahr, dass da jemand nur seine Sensationsgier befriedigt. Du siehst dort Dinge, von denen du vielleicht noch gar nichts gehört hast, und die du auf alle Fälle nie mehr vergessen wirst. Ich denke da z.B. an die Reste von Besitztümern, z.B. Koffer, Prothesen, Brillen. Wie viele Leute benötigen eine Prothese? Und wie viele Leute muss man ermorden, um einen ganzen Berg von Prothesen zu bekommen? … Oder da sind auch die Stehzellen, etc. Ich möchte nicht vorgreifen. Aber ich kann mir nicht vorstellen, dass da irgend jemand rausgeht und sich denkt, „ey cool, jetzt haben wir das mal gesehen“. Nicht wirklich.

Fahr also unbesorgt dort hin. Sollte doch irgendjemand das „cool“ finden, dann steht es dir natürlich frei, die Freundschaft zu dieser Person umgehend zu beenden.

Schöne Grüße

Petra

Hallo,

mach Dich zunächst mal frei von deinem ganzen Glück, was deine Vorfahren und deine späte Geburt angeht. Auschwitz ist kein deutsches Nationalproblem! Es ist lediglich die national manifestierte Grausamkeit menschlicher Natur, die es auch vor Auschwitz, danach, heute und auch in Zukunft leider immer geben wird, solange nicht rund um den Erdball begriffen wird, dass organisierter Massenmord egal ob aus politischen, religiösen, wirtschaftlichen, oder was auch immer für Gründen, leider der menschlichen Seele nicht fremd ist, und uns alle auch heute noch durchaus in der ein oder anderen Form bedrohen kann. Denke nur mal daran, was vor greifbar wenigen Jahren in einem unserer Lieblingsreiseziele auf dem Balkan stattgefunden hat.

Die Dimensionen, die Industrialisierung und Institutionalisierung solchen Massenmord in Einrichtungen wie Auschwitz, Bergen Belsen, … kann man mE nicht rein theoretisch durch Bücher oder am heimischen (PC-)Bildschirm erfassen. Die erlebt man in der Tat am besten vor Ort. Und solche Erlebnisse bewirken durchaus etwas, wenn man dies denn zulässt, und das alles nicht von vorne herein als „Probleme anderer Leute“ betrachtet.

Sicherlich gibt es auch Sensationsgier an solchen Gedenkstädten, Reisegruppen, die das „auf dem Weg abhaken“, … Aber ich wette, dass auch unter denen, die so an so ein Thema herangehen, sicherlich viele sind, die da hinterher ganz anders abfahren. Und die Bewertung liegt natürlich auch im Auge des Betrachters. Es mag Leute geben, die aus lauter Sensationslust dort fotografieren. Es gibt aber sicherlich auch nicht wenige, die diese Bilder nutzen, um von dem, was sie gesehen haben zu berichten, damit zum Nachdenken anregen wollen, …

Ich habe z.B. als Schüler auf Abschlussfahrt damals in Theresienstadt Bilder von einzelnen Einschusslöchern in der Wand eines Erschießungsplatzes gemacht. Für sich genommen - ohne den Hintergrund zu kennen, vollkommen unspektakuläre Bilder von Löchern in einer Ziegelmauer. Vom Sensationseffekt hätte die Sache ganz andere Möglichkeiten geboten. Mit entsprechender Erklärung hingegen lösten diese Bilder im großen Format sehr starke Emotionen aus, und regten damit zur Beschäftigung mit dem Thema an.

BTW: Ich halte nichts von „zwangsweiser Vorführung“ an den Gedenkstädten. Dazu muss die innere Bereitschaft vorhanden sein. Wir haben Bergen Belsen hier vor der Tür liegen, und würden nie Gästen einen Besuch „aufs Auge drücken“ Aber wenn das Interesse da ist, unterstütze ich das selbstverständlich gerne.

Gruß vom Wiz

Hi,

was hindert Dich daran Dich an dem Tag aus der Gruppe auszuklinken und in Oswiecim (der polnische Name) selbst einen Kaffee zu trinken? Oder gibt es irgendein Gesetz welches besagt dass man als Deutscher die Gedenkstätte zu besuchen hat wenn man in der Nähe ist?

Gruss
K

@ Wiz - Deine Antwort ist sehr gut ausgeführt und sehr differenziert. Das bringt mich doch irgendwie dazu, meine Befürchtungen etwas zu relativieren. Ich stelle die Frage ja durchaus aus Respekt vor dem Ort und will da nicht neben 100 Sensationsgeilen stehen. Da würde ich mich schlecht fühlen. Ich stelle die Frage, wirklich weil ich noch nie an so einem Ort war und etwas „nervös“ bin. Vielen Dank für die Eindrücke.

@ Kasi - Das beantwortet vielleicht auch teilweise deine Frage, ob ich mich nicht einfach Absetzten kann. Kann ich sicherlich, nur habe ich ja durchaus ein Interesse daran, mir den Ort anzusehen, nur stellte sich für mich die Frage, ob ich das auch vor dem richtigen Hintergrund und mit der richtigen Motivation tue.

Heute hat ein Kommilitone ohne Bezug dazu zu nehmen, sich darüber beschwert, dass Menschen sich vor dem Schiffsvrack der Costa Concordia haben fotografieren lassen, ohne zu reflektieren dass dort ja auch Menschen gestorben sind. Das ist irgendwie vergleichbar, bzw. traf meine Befürchtungen zu „dieser“ Sorte Mensch zu gehören.

Danke für die Beiträge. Die fande ich sehr hilfreich.

Unethisch? Beeindruckend, bedrückend, Geschichte zum Greifen nah
Hallo Krusel,

ich war mit 18 auf Schüleraustausch in der Nähe und wurde quasi gezwungen, mit ins KZ zu gehen. Für mich war das ein sehr wertvoller Ausflug. Für Geschichte interessiere ich mich eigentlich überhaupt nicht. Natürlich wusste ich, was dort war. Aber dort zu sein, hat es für mich viel begreifbarer gemacht, als es nur in Büchern zu lesen.

Unethisch ist wirklich kein Wort, das mir dazu einfällt. Es gab dort auch keine Touristenmassen oder so. Ich fand es vor allem sehr bedrückend. Vor allem die Ausstellung mit den Sachen der Inhaftierten. Und die Wand, vor der die Leute erschossen wurden. Ich denke nicht gern daran zurück. Es war beeindruckend und eben wahnsinnig bedrückend. Ich würde nicht noch mal dahin wollen. Vermutlich machst Du Dir umsonst Sorgen, dass Du nicht genug bewegt sein wirst. Ich hatte das gar nicht vor, es überkam mich einfach. Eine Mitschülerin ist tatsächlich in Tränen ausgebrochen, weil es ihr so nahe ging.

Ich habe einige Jahre später aus Versehen das Buch „Der Junge im gestreiften Pyjama“ gelesen. Auch das hat mich wirklich mitgenommen. Vielleicht liest Du es (ist nicht lang) und guckst, wie es Dir danach geht.

Viele Grüße,
Nic

Moin!

Kommenden Sommer gehen wir auf Studienreise nach Polen und
darunter eben auch Auschwitzt. Ich muss sagen, dass ich mich
insgesammt sehr darauf freue, nur fällt es mir schwer Gefallen
an einem Besuch in Auschwitzt zu entwickeln und zwar
ausdrücklich nicht (!) weil ich den Holocaust verschmähen
möchte, sondern weil mich diese besondere Art von Tourismus
bzw. und vor allem Voyeurismus übel aufstoßen lässt.

Darf ich fragen, was du unter „Voyeurismus“ verstehst?
Grundsätzlich alles, was man sich ansieht?
Dann würde ich dir jetzt mal ganz heftig widersprechen wollen…

Auf der einen Seite verstehe ich, dass ein Besuch in Auschwitz
heute als Mahnmal dient.

Naja, es ist wohl eher Auschwitz selbst, das das Mahnmal darstellt, nicht der Besuch dessen.
Und da wird auch sprachlich der Unterschied zwischen „Voyeurismus“ und „Mahnmal“ deutlich: Man geht dorthin, weil es eben vor diesen Geschehnissen mahnen will.

Allerdings denke ich, dass die die es

betrifft (und es sich anschauen sollten) tot sind (z.B.
Ehemalige NS Leute)

Ist das jetzt dein Ernst? Es soll für NS-Anhänger gedacht sein?
Das glaube ich nun gar nicht!!!
Es soll doch wohl alle Menschen davor mahnen, jemals wieder so etwas geschehen zu lassen!

und die die es heute betrifft
(gegenwärtige Faschisten und Leugner), gehen nicht hin.

Warum muss es erst jemanden „betreffen“, bevor er dorthin geht?
Es ist doch wohl dafür gedacht, alle zu mahnen und daran zu erinnern, dass so etwas nie wieder geschehen darf.

Dazu
weiß ich, dass meine Familie im Widerstand war und meine
Mutter keine Deutsche ist (nicht mal aus Europa oder einem
betroffenen Land kommt). Sprich, mein Bezug zu der Sache ist
natürlich als ein in Deutschlandaufgewachsener präsent aber
sehe ich mich jetzt nicht als jemand, den man Er-Mahnen muss.

Wow!!!

Ich bin mir der Grausamkeit durchaus bewusst, allerdings will
ich mich nicht in einer Reihe mit Touristen sehen, die vor
lauter Geilheit auf das Grauen im KZ, dem nicht die nötige
Intellektualität entgegenbringen, sondern aus Voyeurismus
dahin fahren.

Nochmal Wow!!

Mit dieser Überheblichkeit, mit der du dich hier über andere stellst hat doch auch mal der Faschismus angefangen, oder nicht?
Du bist der edle Intellektuelle, der das alles längst durchdrungen hat und die anderen sind nur geile Voyeure, mit denen du dich nicht in eine Reihe stellst?
Ich glaub mir wird schlecht.

So nach dem Motto: „Europarundreise in fünf
Tagen - Berlin, Paris, Rom und Ausschwitz“. Das wird dem
Schrecken und den Opfern irgendwie nicht gerecht.

Sondern was? Deine erhabene Zurückhaltung?

Und weiter befürchte ich, dass ich da an einen Ort gelange,
der mir „vorschreibt“ wie ich darüber zu denken habe und das
läuft mir irgendwie zuwider.

Du schreibst doch andern auch gerade etwas zu, von dem du gar nicht wissen kannst, ob es den Tatsachen entspricht.

Wenn ich z.B. nicht das
erwünschte erschrockene/ erstaunte Gesicht aufsetzte und es
mich nicht genung Bewegt um eine Emotion auszulösen, die ich
nach außen tragen kann, werde ich noch zur Persona non Grata.

Du wirst bestimmt auch noch aus anderen Gründen zur Persona non grata.

Wie wenn man an Weihnachten ein Geschenk bekommt und sich
darüber zu freuen hat, weil es von der Oma kommt- es aber
eigentlich nur schrott ist.Ich hoffe das bekommt niemand in
den falschen Hals. 

Ich wüsste gern, wie der richtige Hals für das oben von dir Beschriebene aussähe…

Hat jemand Erfahrungen oder eine Meinung bzw. Gegenargumente
dazu?
Wäre darüber dafür sehr dankbar.

Warum machst du an den anderen Besuchern fest, was dir das zu bedeuten habe?

Entweder gehst du hin, weil du dich weiterbilden willst, die Atmosphäre dort erspüren möchtest und etwas darüber lernen willst, was und wie es damals war, oder du lässt es bleiben.

Du musst dich nicht für etwas Besseres halten, wenn du dort nicht hingehst.
Du musst dich auch nicht für etwas Besseres halten, wenn du dort hingehst.

Du musst nur für dich herausfinden, was du willst. Lass die anderen einfach in Ruhe. Das hätte Hitler übrigens auch tun sollen…

Nix für ungut!

Gruß, Fo