Reizstrombehandlung durch ungelernte Kraft

Darf eine ungelernte Kraft in einer Arztpraxis Reizstromtherapie bei Patienten anwenden?

Bin neu als Schreibkraft in einer größeren Praxis angestellt, und meine Kollegin (gelernte Arzthelferin) bittet mich des öfteren, Patienten zu behandeln, eben an dieses Gerät anzuschließen und den Strom aufzudrehen. Ich habe den Eindruck, dass sie keine Lust dazu hat, und ich fühle mich durch sie unter Druck gesetzt, da ich in der Probezeit bin.

Da ich jedoch nicht in diesem Bereich gelernt habe, sondern Bürokauffrau bin, mache ich mir Gedanken, wie das rechtlich aussieht, wenn ein Unfall passieren würde?

Danke schon mal.

Dany

Der/die Chef(in) ist für alles verantwortlich, was in der Arztpraxis passiert und durchgeführt wird.
Ein gesundheitliches Risiko bei dem Einsatz von Reizstrom besteht für die Anwenderin nicht.
Eine „persönliche“ Haftung ist nicht gegeben.
Die „Einweisung“ und die „Kontrolle“ durch das medizinische Personal reicht aus.

Beste Grüße & viele zufriedene Patienten

Sie haben natürlich Recht, dass nur jemand mit einer Ausbildung im Bereich Elektrotherapie eine solche behandlung durchführen darf. Da ich vor 8 Jahren nach einer schweren Bandscheibenoperation eine solche Therapie als Teil meiner Reha „genießen“ durfte, kann ich das aus eigener Erfahrung beurteilen. Um eines vorwegzunehmen. Reizstrombehandlungen sind natürlich physikalisch gesehen ungefährlich, man kann damit niemandem selbst bei Fehlbedienung des Elektrotherapiegerätes einen ernsthaft gefährlichen Stromschlag verpassen. Als Patient fand ich die Behandlung auch nicht als schmerzhaft, aber als sehr unangenehm. Da die Schmerzempfindlichkeit etwas sehr Individuelles ist, wurde die Bedienung des Gerätes in meiner Reha den Patienten überlassen, also auch mir selbst. Dabei wurde mir nur die Funktion der Fernbedienung erläutert. Ich wusste also noch weniger über die therapeutischen Zusammenhänge als wahrscheinlich Sie. Das Wichtige ist aber die Erfahrung des Therapeuten. Denn obwohl Reizstrom keine ernsthaften Schmerzen verursacht, empfindet sie man als sehr unangenehm, weil damit gezielt Muskelkontraktionen ausgelöst werden sollen, die nicht mehr der mentalen Kontrolle des Patienten unterliegen. Damit will man vorübergehend geschädigte Nervenbahnen wieder reaktivieren. Es ist schon komisch, wenn nach einem Reizstromimpuls z.B. der linke Unterschenkel plötzlich nach oben ausschlägt, obwohl man diese Bewegung mental gar nicht ausgelöst hat. Den Patienten dahin zu führen, diese impulsgesteuerten Bewegungen als hilfreich zu empfinden, darin liegt die eigentliche Schwierigkeit und das erfordert ein enormes Einfühlungsvermögen des Therapeuten. Deswegen wurde damals allen Patienten eingeräumt, die Wahl des Therapeuten bzw. der Therapeutin selbst mitgestalten zu dürfen. Auch bei mir waren drei Versuche notwendig, bis ich den Therapeuten gefunden hatte, der für mich optimal war. Dieser Prozess des aufeinander gegenseitig sich Einstellens dürfte für eine angehende Bürokauffrau sicher eine totale Überforderung darstellen und ist daher auch menschlich, erst recht juristisch, unzumutbar. Verweisen Sie auf den Rahmenausbildungsplan, nach dem Sie dazu gar nicht herangezogen werden dürfen. Wenn das nicht hilft, bestehen Sie darauf, die Ausbildungsbetreuungsabteilung der zuständigen IHK bzw. Ärztekammer kontaktiern zu dürfen. Im Übrigen bleibt die Frage, ob die Dame, die das von Ihnen verlangt, überhaupt über einen Ausbilderschein verfügt. Wenn das nicht der Fall ist, darf sie solche Anordnungen gar nicht erteilen, sondern nur der/die Praxisinhaber/in. Für solche Fälle
sieht die Ausbildungsordnung vor, dass Sie die Schiedsstelle der für die Ausbildung zuständigen Kammer in Anspruch nehmen dürfen und sollten.

Viel Erfolg

Dietmar Richter